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Draußen im Korridor bemerkte ich nun etwas, das vorhin meiner Aufmerksamkeit entgangen war. Ober meinem Portal waren die Ziffern 708 eingeschlagen. Ich verstand nun auch die Bedeutung der Zahl am Sklavenkragen des Mädchens. Ich kehrte in den Raum zurück.

»Für mich sind die Dinger gefährlich«, sagte sie.

»Warum?« fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

»Sag’s mir!« sagte ich.

Sie sah mich an. »Ist das ein Befehl?«

»Sprich, Sklavin!«

Sie biß sich ärgerlich auf die Lippen. »Vielleicht«, sagte sie.

Wütend nahm ich ihre Arme. Sie blickte in meine Augen und erschrak.

Ergeben senkte sie den Kopf. »Ich gehorche«, sagte sie, ». . . Herr.«

Ich ließ sie frei.

»Vor langer Zeit«, begann sie, »als ich in das Sardargebirge kam und den Saal der Priesterkönige fand, war ich ein junges und törichtes Mädchen. Ich glaubte, die Priesterkönige wären reich, und ich könnte mit meiner Schönheit. . .« Sie wandte sich um, sah mich an und warf den Kopf zurück. »Ich bin doch schön, nicht wahr?«

Ich musterte sie. Obwohl ihr Gesicht gezeichnet war von dem eben überstandenen Schrecken, obwohl ihr Haar und ihre Robe ungeordnet waren, musste ich sie schön nennen, vielleicht eben wegen der Aufregungen, die sie durchgemacht hatte, weil dadurch wenigstens das Eis ihrer Fassade gebrochen worden war. Ich wusste, daß sie mich nun fürchtete, wenn ich auch den Grund dafür nicht verstand. Es hatte mit der Tür zu tun, mit ihrer Sorge, daß ich sie vielleicht gewaltsam aus dem Raum entführen wollte.

»Ja«, sagte ich, »du bist schön.«

Sie lachte bitter. »Ja, mit meiner Schönheit kam ich ins Sardargebirge und wollte den Priesterkönigen Macht und Reichtum abnehmen, denn die Männer hatten mir immer dienen wollen. Und waren denn die Priesterkönige keine Männer?«

Die Menschen wanderten aus den verschiedensten Gründen ins Sardargebirge – doch die Begründung Vikas erschien mir doch ziemlich unglaubwürdig. Ein Plan, der nur im Kopf eines wilden, verdorbenen, ehrgeizigen, arroganten Mädchens entstehen konnte.

»Ich wollte Ubara von ganz Gor werden«, lachte sie, »und die Priesterkönige sollten mir dienen und mir ihren unsagbaren Reichtum zu Füßen legen!«

Ich schwieg.

»Aber als ich das Gebirge erreichte . . .« Sie verstummte. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie schien kein Wort herauszubekommen.

»Sie ... sie brachten mich in die Tunnel und legten mir eine schreckliche Metallkuppel über den Kopf, mit Lichtern und Drähten, und als ich freigelassen wurde, zeigten sie mir eine Metallplatte und sagten mir, meine Gehirnmuster, die Grundlinien meiner ältesten Erinnerungen wären auf dieser Platte festgehalten ...«

Ich hörte aufmerksam zu, wusste ich doch, daß das Mädchen kaum hatte verstehen können, was da mit ihr geschah, auch wenn sie einer Hohen Kaste angehörte. Den Mitgliedern der Hohen Kasten Görs wird gewöhnlich von den Priesterkönigen das Zweite Wissen zugänglich gemacht, das über dem primitiven Ersten Wissen der einfachen Bevölkerungsschichten steht. Ich hatte schon vermutet, daß es auch ein Drittes Wissen, die technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse auf der Ebene der Priesterkönige, geben müsse, und der Bericht des Mädchens schien dies jetzt zu bestätigen.

Ich selbst verstand die Vorgänge nicht, die in dieser Maschine abliefen – aber der Zweck der Behandlung schien mir klar zu sein. Bei dem Gerät musste es sich um eine Art Gehirnabtaster handeln, der sicherlich ein ganz individuelles Abbild ihres Gehirns schaffen konnte – eine unverwechselbare Unterlage der Identifikation.

»Die Platte«, fuhr sie fort, »wird in den Tunnels der Priesterkönige aufbewahrt, aber dieses Gebilde . . .« sie schauderte und deutete auf die runden Erhebungen, die zweifellos eine Art Sensoren waren, »sind ihre Augen.«

»Es besteht bestimmt ein Kontakt, vielleicht nur ein Kontaktstrahl zwischen der Platte und den Zellen«, sagte ich.

»Du redest seltsam«, sagte sie.

»Was geschieht, wenn du durch das Portal gehst?« fragte ich.

»Sie haben es mir gezeigt«, sagte sie, und in ihren Augen stand das Entsetzen. »Sie haben ein Mädchen hindurchgeschickt, das seine Pflichten nicht erfüllt hatte.«

Plötzlich erschrak ich. »Sie? Wer?« fragte ich.

»Die Priesterkönige«, erwiderte sie schlicht.

»Aber es gibt doch nur einen Priesterkönig«, sagte ich. »Er nennt sich Parp.«

Sie lächelte, ohne auf meine Worte einzugehen, und schüttelte traurig den Kopf. »Ah ja, Parp«, sagte sie.

Ich nahm an, daß es früher einmal mehr Priesterkönige gegeben hatte.

Vielleicht war Parp der letzte seiner Art? Gewiß waren massive Bauten wie diese Zimmerflucht und der Saal der Priesterkönige nicht der Arbeit eines einzigen Lebewesens zu verdanken.

»Was geschah mit dem Mädchen?« fragte ich.

Vika fuhr zusammen. »Es war wie Messer und Feuer«, sagte sie.

Ich begriff nun endlich, warum sie den Raum nicht verlassen wollte.

»Hast du schon einmal versucht, dich abzuschirmen?« fragte ich und warf einen Blick auf die Bronzeschale, die an der Wand lehnte.

»Ja«, sagte, sie, »aber das Auge erkennt mich trotzdem. Es kann durch Metall sehen.«

Ich blickte sie verdutzt an.

Sie holte die Bronzeschale, hielt sie sich vor das Gesicht, als wollte sie ihr Gesicht abschirmen. Als sie sich dem Portal näherte, begannen die runden Erhebungen rötlich zu glühen.

»Siehst du«, sagte sie, »das Auge weiß Bescheid.«

Insgeheim beglückwünschte ich die Priesterkönige zu ihrer Technologie.

Offensichtlich hatte die hier verwendete Strahlung die Eigenschaft, auch weniger gewöhnliche Molekularstrukturen zu durchdringen – so wie etwa Röntgenstrahlen Fleisch durchdringen.

Vika starrte mich düster an. »Ich bin jetzt seit neun Jahren in diesem Raum gefangen.«

»Das tut mir leid«, sagte ich.

»Ich kam in dieses Gebirge«, sagte sie lachend, »um die Priesterkönige zu erobern und ihnen Reichtum und Macht zu nehmen!« Sie brach plötzlich in Tränen aus. Hilflos wandte sie sich zur Wand und trommelte mit den Fäusten dagegen.

»Statt dessen bekam ich diese Steinwände und den Stahlkragen einer Sklavin!«

In ihrer Wut versuchte sie sich den schmalen Metallreif vom Hals zu zerren. Wild rissen ihre schlanken Finger daran, und sie weinte verzweifelt und gab ihre Bemühungen schließlich auf.

Als sie sich etwas beruhigt hatte, sah sie mich neugierig an. »Es gab eine Zeit, da sich die Männer bemühten, mir zu Gefallen zu sein. Jetzt ist es umgekehrt.«

Ich schwieg.

Sie sah mich an – recht herausfordernd, wie mir scheinen wollte, als erwarte sie, daß ich meine Macht über sie ausübe. Als ich mich nicht rührte, verzog sie verächtlich ihre Lippen.

Sie schien mir sagen zu wollen, daß ich sie nicht bezwingen könne. Ich fragte mich, wie viele Männer das vergeblich versucht hatten.

Achselzuckend nahm sie das weiße Seidentuch auf und wickelte es sich wieder um den Hals.

»Du solltest das Tuch nicht tragen«, sagte ich leise.

»Du willst den Kragen sehen!« sagte sie wütend.

»Trag das Tuch, wenn du willst – aber ohne siehst du schöner aus. Du änderst doch nichts, wenn du den Kragen versteckst.«

Ihre Augen funkelten wütend, doch dann lächelte sie. »Nein, das ist wohl richtig. Wenn ich allein bin, stelle ich mir manchmal vor, daß ich eine große Dame bin, die Ubara einer Stadt, vielleicht sogar von Ar – aber wenn ein Mann meinen Raum betritt, bin ich nur wieder eine Sklavin.«

Langsam zog sie das Halstuch herab, ließ es zu Boden fallen und wandte sich zu mir um. Sie hob arrogant den Kopf, und ich sah, daß der Kragen sehr hübsch wirkte.

»Bei mir bist du frei«, sagte ich leise.

Sie sah mich verächtlich an. »Vor dir hat es schon hundert Männer in diesem Raum gegeben, und sie haben mich nicht vergessen lassen, daß ich den Kragen trage. Und nach dir werden weitere hundert kommen.«

Wahrscheinlich hatte sie recht. Ich lächelte. »Bis dahin gebe ich dir deine Freiheit.«

Sie lachte. »Man ändert nichts, indem man den Kragen versteckt.«