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»Nein«, sagte ich.

»Dann ist mein Herr ein Narr«, sagte sie und griff nach dem Fleisch, das ich auf dem Teller hatte liegen lassen.

Ich packte ihr Handgelenk. »Aber jetzt habe ich die Absicht, dich zu strafen«, sagte ich.

Tränen stiegen in ihren Augen auf. »Gut denn«, sagte sie und zog die Hand zurück.

Vika würde heute Abend nichts zu essen bekommen.

Obwohl es nach dem Zimmerchronometer, das sich bei einer der Truhen im Deckel befand, schon Nacht war, bereitete ich mich darauf vor, den Raum zu verlassen. Leider herrschte Kunstlicht, so daß ich die Tageszeit nicht nach Sonne, Sternen und Monden bestimmen konnte. Mir fehlten diese Naturphänomene sehr. Seit meinem Erwachen hatten die Energielampen mit gleichmäßiger Helligkeit gebrannt.

Ich hatte mich nach besten Kräften im Wasserstrahl des Wandhahns gewaschen.

In einer der Truhen hatte ich zwischen mancherlei Kastenkleidung auch die Tunika eines Kriegers gefunden. Ich legte sie an, da mein eigener Umhang den Klauen des Larl zum Opfer gefallen war.

Vika hatte sich eine Strohmatte ausgerollt, die sie am Fuße der großen Steinplattform ausbreitete. In eine leichte Decke gehüllt, das Kinn auf die Knie gelegt, so beobachtete sie mich aufmerksam.

Ein schwerer Sklavenring war am Fußende meines Lagers angebracht, und ich hätte sie dort nach Belieben festketten können.

Ich gürtete mein Schwert.

»Du willst doch nicht den Raum verlassen?« fragte Vika – die ersten Worte, die sie seit dem Essen an mich richtete.

»Ja«, sagte ich.

»Aber das darfst du nicht.«

»Warum nicht?«

»Es ist verboten.«

Ich ging auf die Tür zu.

»Wenn die Priesterkönige dich sehen wollen, schicken sie nach dir«, sagte sie. »Bis es soweit ist, musst du warten.«

»Mir liegt nichts am Warten.«

»Aber dir bleibt nichts anderes übrig«, sagte sie und stand auf.

Ich kehrte um und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du darfst die Priesterkönige nicht so fürchten«, sagte ich.

Sie merkte, daß sie mich nicht umstimmen konnte. »Wenn du gehen musst«, sagte sie, »dann kehre wenigstens vor dem zweiten Gongschlag zurück.«

»Warum das?«

»Um deinetwillen«, sagte sie und senkte den Blick.

»Ich habe keine Angst«, sagte ich.

»Dann meinetwegen«, sagte sie. »Ich habe Angst vor dem Alleinsein.«

»Aber du bist schon viele Nächte allein gewesen.«

Sie sah mich an, und ich vermochte den besorgten Ausdruck in ihren Augen nicht zu deuten. »Die Angst hört doch niemals auf«, sagte sie.

»Ich muß gehen.«

Plötzlich hörte ich aus der Ferne den tiefen Klang des Gongs, den ich schon einmal im Saal der Priesterkönige vernommen hatte.

Vika sah mich lächelnd an. »Siehst du«, sagte sie erleichtert. »Jetzt ist es zu spät. Jetzt musst du bleiben.«

»Warum?« fragte ich.

Sie schaute zur Seite, wich meinem Blick aus. »Weil bald die Energielampen verdunkelt werden«, sagte sie. »Das sind die Stunden, die zum Schlafen gedacht sind.«

»Warum muß ich hierbleiben?« fragte ich und verstärkte meinen Griff um ihre Schultern, schüttelte sie, um sie zum Reden zu bringen. »Warum?«

Angst flatterte in ihren Augen.

Dann ertönte der zweite Gongschlag, und Vika schien in meinen Armen zu erzittern.

Wieder schüttelte ich sie heftig. »Warum?« brüllte ich.

Sie konnte kaum sprechen. »Weil nach dem Gong . . .«, flüsterte sie.

»Nach dem Gong . . . streifen sie herum . . .«

»Wer?« fragte ich.

»Die Priesterkönige!« rief sie und wandte sich ab.

»Ich fürchte mich nicht vor Parp!« sagte ich.

Sie starrte mich an. »Parp ist kein Priesterkönig«, sagte sie leise.

Und dann klang der dritte Gongschlag auf, und im gleichen Augenblick verdunkelten sich die Energielampen in unserem Zimmer, und ich stellte mir vor, daß irgendwo in den langen Korridoren dieser unterirdischen Welt die Priesterkönige unterwegs waren.

7

Gegen Vikas Proteste machte ich mich auf den Weg. Mit entschlossenen Schritten trat ich in den Korridor hinaus. Ich sah Vikas weiße Tunika und die bleiche Schönheit ihrer Haut, als sie vor den gefährlichen Sensoren verharrte.

»Bitte geh nicht!« rief sie mir nach.

Ich antwortete nicht, sondern setzte mich in Bewegung.

»Ich habe Angst!« rief sie. Aber ich vermutete, daß die Gefahr für sie heute nacht nicht viel größer war als all die Nächte zuvor, und ging weiter.

Es war nicht an mir, sie zu trösten. Ich musste mich um die gefürchteten Bewohner dieser dämmrigen Tunnels kümmern; ich war kein Frauenbeschützer, ich war Krieger.

Als ich dem Korridor folgte, schaute ich in verschiedene andere Zimmer, die dem meinen sehr ähnlich waren. Nirgendwo gab es eine Tür, sondern nur die breiten Durchgänge, mit Sensoren gesichert.

Fast alle Zimmer waren leer.

In zwei Räumen lebten jedoch Kammersklavinnen, Mädchen wie Vika, gleich gekleidet, mit einem gleichen Kragen versehen, die sich nur durch die Nummer unterschieden.

Das erste Mädchen war klein und stämmig, mit breiten Fußgelenken und breiten Schultern; sie kam vermutlich vom Lande. Ihr Haar legte sich in einem breiten Zopf über ihre rechte Schulter. Ich fragte sie, ob sie die Priesterkönige gesehen habe.

»Heute nacht noch nicht«, sagte sie.

Das zweite Mädchen war groß und zierlich. Sie schien einer Hohen Kaste zu entstammen. Auch sie verneinte meine Frage.

Ich ging weiter, vermochte die Erinnerung an die beiden Kammersklavinnen und an Vika aber nicht abzuschütteln – vielleicht weil mich das Schicksal der Mädchen berührte, vielleicht auch, weil jede auf ihre Art schön war. Trotzdem freute ich mich, daß ich zu Vika gekommen war, die mir doch am attraktivsten erschien. Dabei fiel mir ein, daß sie in gewisser Hinsicht Lara, der Tatrix von Tharna, ähnelte, die mir einmal am Herzen gelegen hatte. Ich dachte an Vika, deren Lippen voll und verlockend waren, und fragte mich, ob sie vielleicht von Geburt an Sklavin war, ob sie nicht von klein auf zur Vergnügungssklavin erzogen worden war.

Als ich hierüber nachdachte, verstärkte sich das Gefühl, daß ich nicht zufällig in Vikas Raum gebracht worden war. Ich hatte das Gefühl, daß Vika schon die Herzen vieler Männer gebrochen hatte und daß sich die Priesterkönige vielleicht dafür interessierten, wie ich mit ihr zurechtkam.

Vielleicht hatte Vika von den Priesterkönigen den Befehl erhalten, mich zu unterwerfen – aber das erschien mir kaum wahrscheinlich. Dazu war sie trotz ihres Kragens zu wild, zu ungezähmt. Ich fragte mich, wie viele Männer ihr zu Füßen gesunken waren, wie viele Männer sich erniedrigt hatten, am Fuße der großen Steinplattform zu schlafen, im Schatten des Sklavenrings, während sie selbst auf den Fellen und Seidenlaken ruhte.

Einige Stunden später fand ich mich wieder im Saal der Priesterkönige und freute mich über den Anblick des Himmels.

Meine Schritte hallten laut durch den Riesensaal. Der leere Thron ragte furchteinflößend vor mir auf.

»Ich bin da!« schrie ich. »Ich bin Tarl Cabot! Ich bin Krieger aus Ko-ro-ba und fordere die Priesterkönige von Gor wie ein Krieger heraus. Laßt uns kämpfen! Machen wir Krieg!«

Meine Stimme hallte lange in dem Riesensaal wider, doch meine Rufe blieben ohne Antwort.

Ich beschloß, zu Vikas Zimmer zurückzukehren. In einer anderen Nacht wollte ich mich weiter umsehen, denn es gab noch viele Durchgänge, viele Portale, die zu erkunden ich Tage brauchen würde.

Ich machte mich also auf den Rückweg.

Etwa eine Ahn war vergangen. Ich befand mich in einem der langen, kaum erleuchteten Korridore, die in die Richtung ihres Zimmers führten, als ich etwas hinter mir spürte. Ich zog mein Schwert und wirbelte herum. Der Korridor hinter mir war leer.

Ich rammte die Klinge wieder in die Scheide und ging weiter. Kaum hatte ich einige Meter zurückgelegt, als ich wieder unruhig wurde. Diesmal drehte ich mich nicht um, sondern ging langsam weiter, wobei ich nach hinten zu lauschen versuchte. Als ich eine Biegung des Tunnels erreichte, versteckte ich mich hinter der Wandkrümmung und wartete.