Ganz langsam zog ich mein Schwert, um nur ja kein Geräusch zu verursachen.
Ich wartete, doch es geschah nichts; Ich habe die Geduld eines Kriegers, und so wartete ich sehr lange.
Wenn sich zwei bewaffnete Männer beschleichen, ist es gut, Geduld zu haben, große Geduld.
Natürlich redete ich mir hundertmal ein, daß ich mich wie ein Narr benahm, denn tatsächlich hatte ich nichts gehört. Und doch hatte ich das konkrete Gefühl, daß mich etwas durch den Korridor verfolgte – vielleicht ausgelöst durch ein winziges Geräusch, das ich bewußt gar nicht wahrgenommen hatte, das jedoch seine Spuren als vager Verdacht hinterlassen hatte.
Endlich kam ich zu dem Schluß, die Entscheidung zu erzwingen. Dies war zum Teil durch die Tatsache motiviert, daß es im Korridor nur wenige Verstecke gab und mein Verfolger mich wahrscheinlich erst dann sehen würde, wenn auch ich ihn entdeckte. Ich lächelte grimmig.
Wenn es sich bei dem Unbekannten um einen Priesterkönig handelte, dann hatte er sich sehr umsichtig verhalten. Was wusste ich schon von diesen Wesen? Vielleicht waren sie fähig, stundenlang wie ein Baum zu verharren? Wie ausgeprägt waren ihre Sinnesorgane? Hatte mein Verfolger gehört, daß meine Schritte verstummt waren, und wartete nun auf mich? Meine Muskeln schrien nach Betätigung. Ich lauerte jetzt schon fast eine Ahn lang und war in Schweiß gebadet.
Ich spannte die Muskeln an, wappnete mich für den Sprung ins Freie, horchte ein letztes Mal in die Stille des Korridors.
Dann stieß ich den Kriegsschrei von Ko-ro-ba aus und sprang los, mit erhobenem Schwert.
Ein Wutgebrüll löste sich von meinen Lippen, als ich den Korridor vor mir leer fand.
Außer mir vor Wut lief ich durch den schmalen Gang zurück, versuchte aufzuspüren, was mich bedrohte. Ich hatte vielleicht einen halben Pasang zurückgelegt, als ich schweratmend stehenblieb. Ich war wütend auf mich selbst.
»Kommt raus!« brüllte ich. »Laßt euch sehen!«
Die Stille im Korridor schien mich zu verhöhnen.
Ich erinnerte mich an Vikas Worte: »Wenn die Priesterkönige dich sprechen wollen, schicken sie nach dir.«
Wütend stand ich im Licht der verdunkelten Energielampen, das ungebrauchte Schwert nutzlos in der Faust.
Dann spürte ich etwas.
Meine Nasenflügel bebten, und langsam zog ich die Luft des Korridors ein.
Auf meinen Geruchssinn hatte ich mich bisher noch nie verlassen.
Gewiß – ich wusste einen guten Duft zu genießen, Blumen und Frauen, frisches Brot, Leder, das öl, das meine Schwertklinge schützte – doch nur selten hatte ich diesen Sinn so angewandt, wie man etwa die Augen oder die Fingerkuppen benutzt, und doch lagen hier Informationen, die man nur aufzunehmen und zu registrieren brauchte.
Und so versuchte ich die Düfte des Korridors zu erfassen, und meine Nase nahm ein Aroma wahr, wie ich es noch nie erlebt hatte. Soweit ich ausmachen konnte, handelte es sich um einen einfachen Duft, obwohl hier in Wirklichkeit eine Vielzahl von Düften zusammenwirkte, die jeder für sich viel komplizierter waren. Ich vermag den Duft nicht zu beschreiben – wie erklärt man jemandem, der eine Orange nicht kennt, den Geruch dieser Frucht? Der Duft hatte jedenfalls etwas Säuerliches, das meinen Geruchssinn kitzelte. Entfernt erinnerte er mich an den Pulvergeruch einer abgeschossenen Gewehrpatrone.
Ich wusste nun, daß ich nicht allein gewesen war. Ich hatte den Duft eines Priesterkönigs aufgefangen.
Ich steckte mein Schwert ein und kehrte in Vikas Raum zurück. Ich summte ein fröhliches Kriegerlied vor mich hin, denn aus irgendeinem Grunde war ich nun glücklich.
8
»Wach auf, Mädchen!« rief ich, als ich mein Ziel erreichte. Zweimal klatschte ich in die Hände.
Das verblüffte Mädchen schreckte auf. Sie hatte am Fußende der Steinempore auf ihrer Strohmatte gelegen.
»Ich habe nicht geschlafen!« sagte sie ärgerlich.
Ich trat vor sie hin, nahm ihren Kopf in meine Hände und starrte ihr in die Augen. Sie hatte die Wahrheit gesprochen. Ich lachte.
Sie senkte den Kopf und sah mich dann schüchtern an. »Ich bin froh, daß du zurückgekommen bist.«
Ich musterte sie und spürte, daß sie sich wirklich freute.
»Während meiner Abwesenheit bist du sicher in der Küche gewesen«, sagte ich lächelnd.
»Nein«, erwiderte sie und fügte hinzu: ». . . Herr.«
Ich hatte sie beleidigt.
»Vika«, sagte ich. »Ich glaube es ist Zeit, daß sich hier einiges ändert.«
»Hier ändert sich nie etwas«, sagte sie.
Ich sah mich um. Die Sensoren des Raumes interessierten mich. Ich untersuchte sie erneut. Aus irgendeinem Grund befand ich mich in Hochstimmung. Methodisch suchte ich das Zimmer ab. Obwohl die Sensoren und ihre Arbeitsweise meine technischen Kenntnisse überstiegen, bildeten sie doch kein absolutes Mysterium. Sie trugen nicht dazu bei, daß ich an die Göttlichkeit oder Unerreichbarkeit der Priesterkönige glaubte. Außerdem hatte ich im Korridor die Fährte eines Priesterkönigs gewittert. Ich lachte. Ja, ich hatte einen Priesterkönig gerochen, was immer sich dahinter verbergen mochte. Der Gedanke amüsierte mich.
Mehr als je zuvor begriff ich in diesem Augenblick die Macht des Aberglaubens. Kein Wunder, daß sich die Priesterkönige hinter ihrem Palisadenzaun im Sardargebirge versteckten, damit die Mythen der Wissenden eine Mauer des Schreckens um sie errichten konnten, kein Wunder, daß sie ihre wahren Pläne und Ziele, ihre Instrumente und Maschinen verbargen, daß sie die Grenzen ihrer Möglichkeiten verschleiern wollten! Ich lachte laut auf.
Vika beobachtete mich beunruhigt. Sie war bestimmt überzeugt, daß ich den Verstand verloren hatte.
Ich schlug mir mit der Faust in die offene Handfläche. »Wo ist es?« fragte ich laut.
»Was?« flüsterte Vika.
»Die Priesterkönige sehen und hören!« rief ich. »Aber wie?«
»Durch ihre Macht«, sagte Vika und wich zur Wand zurück.
Inzwischen hatte ich den ganzen Raum abgesucht, ohne etwas zu finden. Dann fiel mein Blick auf eine Energielampe in der Mitte der Zimmerdecke. Sie ähnelte allen anderen Lampen – nur brannte sie nicht!
Das war ein Fehler der Priesterkönige! Natürlich konnte jede Lampe eine solche Vorrichtung enthalten – aber dies war die erste ausgebrannte Energielampe, die ich auf Gor erlebte.
Ich sprang auf mein Steinbett und rief dem Mädchen zu: »Bring mir den Kupferkrug!«
Sie war überzeugt, daß ich wahnsinnig war.
»Schnell!« brüllte ich, und sie sprang herzu.
Ich riß ihr die Schale aus der Hand und warf sie mit Schwung gegen die Lampe, die anscheinend ausgebrannt war, die aber trotzdem unter Blitzen und Zischen und Rauchentwicklung zersprang. Vika schrie auf und duckte sich hinter die Steinplattform. Aus der Höhle der Energielampe ringelten sich verkohlte Drähte, eine zerrissene Metallscheibe und ein konisches Gebilde fielen herab, das einmal eine Linse enthalten haben mochte.
»Komm her«, sagte ich zu Vika, doch das arme Mädchen rührte sich nicht von der Stelle. Ungeduldig zerrte ich sie auf die Plattform, zwang ihren Kopf in die Höhe, so daß sie direkt auf das zerstörte Gebilde starrte.
»Was ist das?« wimmerte sie.
»Das war ein Auge«, sagte ich.
»Wessen Auge?« fragte sie.
»Das Auge der Priesterkönige.« Ich lachte. »Aber es ist jetzt geschlossen.«
Vika lehnte sich zitternd an mich, und in meiner Freude beugte ich mich vor und küsste ihre herrlichen Lippen, und sie weinte hilflos in meinen Armen.
Es war der erste KUSS, den ich meinem Sklavenmädchen raubte, und er überraschte sie.
Ich sprang von meinem Lager und trat an das Portal.
»Vika!« rief ich. »Möchtest du gern diesen Raum verlassen?«
»Natürlich«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Also gut«, sagte ich, »das wirst du jetzt tun.«
Sie wich vor mir zurück.
Ich lachte und trat an das Portal. Wieder untersuchte ich die sechs roten Ausbuchtungen, drei auf jeder Seite. Es war schade, daß sie vernichtet werden mussten, denn sie waren nett anzuschauen.