Mein Name ist John Carter, aber man kennt mich eher als Hauptmann Jack Carter aus Virginia. Am Ende des Bürgerkrieges befand ich mich im Besitz von einigen hunderttausend Konföderiertendollar und einem Offizierspatent der Kavallerie einer Armee, die es nicht mehr gab, als Diener eines Staates, mit dem die Hoffnungen des Südens untergegangen waren. Ohne einen Vorgesetzten, ohne einen Pfennig in der Tasche, und. da der Kampf vorbei war. ohne eine Möglichkeit, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen, beschloß ich. mich nach Südwesten durchzuschlagen und zu versuchen, mein verlorengegangenes Glück durch Goldsuche wiederzuerlangen.
Gemeinsam mit einem anderen Offizier der Südstaaten. Hauptmann James K. Powell aus Richmond. war ich fast ein Jahr unterwegs. Wir hatten sehr großes Glück, denn nach vielen Schwierigkeiten und Entbehrungen machten wir Ende des Winters 1865 die größte Goldader ausfindig, wie wir sie uns in unseren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hatten. Powell, von seiner Ausbildung nach Bergbauingenieur, stellte fest, daß wir innerhalb von knapp drei Monaten Erz im Wert von über einer Million Dollar freigelegt hatten.
Da unsere Ausrüstung äußerst mangelhaft war, beschlossen wir, daß sich einer von uns in zivilisierte Gegenden aufmachen sollte, um die nötigen Maschinen zu erwerben und eine ausreichende Anzahl von Mannern anzuheuern, um den Abbau richtig zu betreiben.
Da sich Powell im Land auskannte und wußte, welche Maschinen für den Bergbau notwendig waren, hielten wir es fürs beste, wenn er sich auf den Weg begab. Ich sollte inzwischen am Ort bleiben, damit nicht zufällig ein umherziehender Goldsucher von dem Land Besitz ergriff.
Am 3. März 1866 beluden Powell und ich zwei unserer Esel mit Proviant. Wir verabschiedeten uns, er saß auf und begann mit dem Abstieg ins Tal, durch das ihn der erste Teil seiner Reise führte.
Wie fast alle Vormittagsstunden in Arizona war auch der Morgen seiner Abreise klar und schön, ich konnte Powell und die kleinen Lasttiere beobachten, wie sie sich ihren Weg den Bergabhang ins Tal hinabbahnten. Sie waren den ganzen Vormittag über gelegentlich zu sehen, wenn sie eine Bergkuppe erklommen oder ein flaches Plateau überquerten. Gegen drei Uhr nachmittags sah ich Powell zum letzten Mal, als er sich in den Schatten des Gebirgskammes auf der anderen Talseite begab.
Etwa eine halbe Stunde später blickte ich zufällig ins Tal und war sehr überrascht, die drei kleinen Punkte an genau jener Stelle zu finden, wo ich meinen Freund und die zwei Lasttiere zuletzt ausgemacht hatte. Ich neige nicht dazu, mir unnütze Gedanken zu machen, doch je mehr ich mich zu überzeugen versuchte, daß mit Powell alles in Ordnung sei und daß die drei Punkte, die ich auf dem Weg gesehen hatte, Antilopen oder Wildpferde waren, desto unruhiger wurde ich.
Seit wir uns in dem Land aufhielten, hatten wir nicht einen feindlichen Indianer gesehen und waren demzufolge äußerst sorglos geworden. So pflegten wir uns über die unzähligen Geschichten lustig zu machen, die wir über die niederträchtigen Plünderer vernommen hatten, welche überall ihr Unwesen treiben sollten. Angeblich sollte jeder Weiße, der in ihre Hände fiel, die Begegnung mit seinem Leben oder mit Folterung bezahlen.
Wie ich wußte, war Powell gut bewaffnet und außerdem erfahren im Kampf mit Indianern. Aber auch ich hatte jahrelang unter den Sioux im Norden gelebt, und mir war klar, daß er gegenüber einer Gruppe hinterlistiger Apachen kaum eine Chance hatte. Schließlich konnte ich die Ungewißheit nicht länger ertragen, bewaffnete mich mit meinen zwei Colts und einem Gewehr, streifte mir zwei Patronengurte über, fing mein Reitpferd ein und ritt den Pfad hinab, den Powell am Morgen genommen hatte.
Sobald ich verhältnismäßig ebenen Boden erreicht hatte, trieb ich mein Pferd an und fiel in kurzen Galopp, wo der Weg es zuließ, bis ich kurz vor Einbruch der Dämmerung an die Stelle kam, wo sich den Spuren Powells noch andere zugesellten. Es waren Abdrücke dreier unbeschlagener Mustangs.
Diesen folgte ich unverzüglich, bis es dunkel wurde und ich gezwungen war, auf das Aufgehen des Mondes zu warten. So fand ich Zeit, zu überlegen, ob es ratsam war, die Verfolgung fortzusetzen. Vielleicht hatte ich mir unmögliche Gefahren eingeredet wie ein nervenschwaches altes Weib, holte ich dann Powell ein, würde er über meine Befürchtungen gewiß herzhaft lachen. Dennoch bin ich nicht sonderlich empfindsam, und es war schon immer meine Lebensmaxime gewesen, meinem Pflichtgefühl Folge zu leisten, wo auch immer es mich hinführen möge. Das mag die Auszeichnungen von drei Republiken erklären, die Orden und die Freundschaft eines alten und mächtigen Kaisers und einiger kleinerer Könige, in deren Dienst sich mein Schwert so manche Male rot gefärbt hatte.
Gegen neun schien der Mond genügend hell, um den Weg fortzusetzen. Ich konnte unschwer schnellen Schrittes und stellenweise im flotten Trab der Spur folgen, bis ich gegen Mitternacht unerwartet zu jener Wasserstelle kam, an der Powell sein Lager aufschlagen wollte. Ich fand sie menschenleer und keinerlei Hinweis, daß hier kürzlich jemand gelagert hatte. Mir fiel auf, daß die Verfolger – deren konnte ich mir nun sicher sein – den Spuren nach zu urteilen Powell nach nur kurzem Halt an der Wasserstelle im gleichen Tempo nachgeritten waren.
Da für mich feststand, daß es Apachen waren, die Powell lebend gelangen nehmen wollten, um ihr grausames Spiel mit ihm zu treiben und ihn zu quälen, trieb ich mein Pferd zu einem höchst gefährlichen Galopp an und hoffte trotz aller Aussichtslosigkeit, die roten Banditen einzuholen, bevor sie ihn angriffen.
Meine Mutmaßungen wurde plötzlich durch den schwachen Widerhall zweier Schüsse weit vor mir unterbrochen. Ich wußte, daß Powell wenn überhaupt, mich jetzt brauchte, und hetzte mein Pferd in schnellstem Tempo den schmalen und unwegsamen Gebirgspaß hinauf.
Ich hatte vielleicht eine Meile mühsam hinter mich gebracht, ohne weitere Laute zu vernehmen, als der Pfad plötzlich zu einer kleinen Ebene kurz unterhalb des Gipfels führte. Ich war gerade durch eine schmale, überhängende Schlucht geritten, und der Anblick, der sich meinen Augen nun bot, bestürzte und entsetzte mich zutiefst.
Das kleine Landstück war weiß von Indianertipis, und etwa fünfhundert Krieger hatten sich in der Mitte des Lagers um etwas versammelt, das ihre Aufmerksamkeit derart in Anspruch nahm, daß sie mich nicht bemerkten. Ich hätte mich problemlos in die Dunkelheit der Schlucht zurückziehen und unbehelligt entkommen können. Die Tatsache, daß mir dieser Gedanke erst am Folgetag kam, macht jeglichen Anspruch zunichte, als Held zu gelten, wozu mich die Schilderung dieses Zwischenfalls andernfalls berechtigte.
Ich glaube nicht, daß ich aus dem Holz gemacht bin, aus dem Helden geformt werden, da ich mich in den Hunderten von Fällen, bei denen mein spontanes Handeln mich mit dem Tod konfrontierte, nicht an ein einziges Mal erinnern könnte, wo mir eine andere Möglichkeit nicht erst einige Stunden später einfiel. Wahrscheinlich ist mein Verstand so angelegt, daß ich mich ganz instinktiv moralisch richtig verhalte, ohne ermüdende Denkprozesse zu durchlaufen. Wie auch immer, ich habe nie bedauert, kein Feigling sein zu können.
In diesem Fall war ich mir sicher, daß sich Powell im Mittelpunkt des Geschehens befand, aber ob ich zuerst überlegte oder handelte, weiß ich nicht, in dem Moment, als sich meinen Augen die Szene darbot, hatte ich jedenfalls bereits die Revolver gezogen und stürmte schnell schießend und aus voller Lunge schreiend auf die Kriegerschar zu. So ganz allein hätte ich keine bessere Taktik verfolgen können, denn die Rothäute, überzeugt, von einem regulären Regiment angegriffen zu werden, wandten sich um und stürzten in alle Richtungen zu ihren Pfeilen, Bögen und Gewehren.