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Ich verspürte kein Bedürfnis, ihre unangenehmen Launen in einer Nacht wie dieser zu wecken, wo alles unbemerkt und schnell vor sich gehen mußte. So hielt ich mich im Schatten der Gebäude, jederzeit daraufgefaßt, in das nächste Fenster oder in einen Eingang zu flüchten. Lautlos schlich ich zu den großen Toren an der Hinterseite des Hofes, die sich zur Straße hin öffnen ließen, und rief leise nach meinen zwei Tieren. Wie sehr dankte ich der freundlichen Vorsehung, die mich in weiser Voraussicht die Liebe und das Vertrauen dieser wilden, stummen Geschöpfe hatte gewinnen lassen, denn bald sah ich, wie sich von der anderen Seite des Hofes zwei massige Ungetüme einen Weg durch die Fleischberge zu mir bahnten.

Sie kamen direkt auf mich zu, rieben die Mäuler an mir und schnupperten nach den kleinen Leckerbissen, die ich zu ihrer Belohnung immer bei mir trug. Ich öffnete das Gatter, befahl den beiden Gesellen herauszukommen und lief ihnen leise hinterher, nachdem ich das Gatter wieder verschlossen hatte.

Ich ließ sie ungesattelt und saß auch nicht auf, sondern begab mich lautlos im Halbdunkel der Gebäude zu einer verlassenen Straße, die dorthin führte, wo ich mich mit Dejah Thoris und Sola verabredet hatte. Mucksmäuschenstill bewegten wir uns durch die menschenleeren Viertel, doch begann ich erst aufzuatmen, als das Flachland vor der Stadt zu erkennen war. Ich war überzeugt, daß Sola und Dejah Thoris unseren Treffpunkt mühelos und unbehelligt erreichen würden. Ich selbst befand mich wegen der großen Thoats eher in Gefahr, da es sehr ungewöhnlich war, daß ein Krieger nach Einbruch der Dunkelheit die Stadt verließ. Eigentlich gab es innerhalb der Stadt keinen Ort, wohin man sich hätte begeben können, es sei denn auf einen langen Marsch.

Ohne Zwischenfall erreichte ich die verabredete Stelle, und da Dejah Thoris und Sola noch nicht dort waren, führte ich meine Tiere in die Vorhalle eines großen Gebäudes. Wahrscheinlich hatte eine der anderen Frauen des Haushaltes Sola aufgesucht, um mit ihr zu reden, und die beiden aufgehalten. In der ersten Stunde hegte ich keine übermäßigen Befürchtungen, aber nachdem noch eine halbe Stunde verstrich, ohne daß weit und breit etwas von ihnen zu sehen war, ergriff mich ernste Besorgnis. Mit einemmal wurde die nächtliche Stille von einer nahenden Reitergruppe gestört, dem Lärm nach konnten es unmöglich Flüchtlinge sein, da diese sich heimlich und verstohlen ihren Weg in die Freiheit suchen würden. Als sie näherkamen, erkannte ich aus meinem schattigen Eingang zwanzig berittene Krieger; einige Gesprächsfetzen, die ich aufschnappte, ließen mein Herz erstarren.

»Er wird sich wahrscheinlich mit ihnen kurz vor der Stadt treffen, und so...« Mehr hörte ich nicht, denn sie waren schon wieder vorbei. Doch es genügte. Unser Plan war entdeckt worden, und die Chancen minimal, jetzt noch unserem schrecklichen Ende zu entkommen. Ich konnte nur hoffen, unbemerkt zu Dejah Thoris Unterkunft zurückzukehren und herauszufinden, welches Schicksal ihr widerfahren war. Aber wie ich das mit den großen Thoats anstellen sollte, wo die ganze Stadt wahrscheinlich auf den Beinen war, meine Fluchtabsichten nun bekannt waren, stellte ein schier unlösbares Problem dar.

Plötzlich kam mir eine Idee. Ich wußte, wie diese uralten Marsstädte angelegt waren: Jeweils vier Gebäude schlössen einen Innenhof ein. Ich tastete mich durch die dunklen Gemächer und rief meinen Thoats zu, mir zu folgen. Bei einigen Toren hatten sie Schwierigkeiten, doch da alle Gebäude dem allgemeinen Stadtbild entsprechend in weiträumiger Pracht angelegt waren, konnten sich die Tiere schließlich ohne weiteres durchschlängeln. So kamen wir schließlich zum Innenhof, der wie erwartet von dem Moosteppich bedeckt war, der ihnen als Nahrung dienen und Flüssigkeit spenden würde, bis ich sie in ihr eigentliches Gehege zurückbringen konnte. Ich vertraute darauf, daß sie hier genauso ruhig und zufrieden waren wie sonstwo. Auch bestand nur geringe Wahrscheinlichkeit, daß man sie entdeckte, da die grünen Menschen kaum das Bedürfnis verspürten, diese abgelegenen Gebäude zu erkunden, die von den einzigen Wesen heimgesucht wurden, welche ihnen meines Erachtens Angst einjagten – den großen, weißen Affen von Barsoom.

Ich nahm den Tieren das Geschirr ab, versteckte es im Hintereingang des Gebäudes, durch den wir den Hof gerade betreten hatten, band sie los und eilte durch das Haus auf der anderen Hofseite zur dahinterliegenden Straße. Ich hielt mich eine Weile im Eingang versteckt, bis ich mir sicher war, daß niemand kam. Dann lief ich hinüber zum nächsten Gebäude, weiter in den Hof und durchquerte so ein Viertel nach dem anderen, wobei ich lediglich Gefahr lief, beim Überqueren der Straßen entdeckt zu werden, bis ich schließlich unbehelligt auf dem Hof hinter Dejah Thoris Unterkunft anlangte.

Wie erwartet weideten hier die Tiere der in den angrenzenden Häusern wohnenden Krieger. Betrat ich den Hof, so stieß ich dort vielleicht auf die Kämpfer selbst. Zu meinem Glück fiel mir jedoch eine andere und ungefährlichere Methode ein, das Obergeschoß zu erreichen, in dem Dejah Thoris zu finden sein mußte. Nachdem ich mich erst einmal weitestgehend vergewissert hatte, wo sie überhaupt wohnte (hatte ich doch die Gebäude nie von hinten gesehen), nutzte ich meine außergewöhnliche Stärke und Wendigkeit, sprang hoch und hielt mich am Sims eines Fensters im ersten Obergeschoß fest, das sich meines Erachtens auf der Rückseite ihrer Wohnung befand. Ich zog mich nach innen und schlich vorsichtig auf das Vorderzimmer zu. Als ich die Tür erreichte, vernahm ich Stimmen. Also hielt sich jemand darin auf.

Ich blieb stehen, um sicherzugehen, daß es Dejah Thoris war und keine Gefahr drohte. Diese Vorsichtsmaßnahme gereichte mir zum Vorteil, denn die leisen, kehligen Stimmen waren die von Männern, und die Worte, die an meine Ohren drangen, warnten mich rechtzeitig. Der Sprecher war ein Anführer, der vier Kriegern Anweisungen erteilte.

»Wenn er hierher zurückkehrt, was er mit Sicherheit tun wird, sobald er feststellt, daß sie nicht am vereinbarten Treffpunkt erscheint, dann fallt ihr vier über ihn her und entwaffnet ihn. Dabei bedarf es all eurer Kraft, wenn wir den Berichten von Korad glauben können. Sobald ihr ihn gefesselt habt, bringt ihn zu den Gewölben unter den Wohnungen der Jeddaks und kettet ihn fest an, damit man ihn dort auch findet, wenn Tal Hajus ihn zu sehen wünscht. Er darf mit niemandem sprechen. Auch soll bis zu seinem Eintreffen keiner dieses Gebäude betreten. Es besteht kaum eine Gefahr, daß das Mädchen zurückkehrt, denn bis dahin wird sie sich unversehrt in Tal Hajus’ Händen befinden, und dann können all ihre Vorfahren sie nur bemitleiden, Tal Hajus kennt kein Erbarmen. Die große Sarkoja hat eine bedeutende Tat in dieser Nacht vollbracht. Ich gehe jetzt, und wenn ihr bei seinem Eintreffen versagt, übergebe ich eure Kadaver dem kalten Iss.«

17. Erneute Gefangennahme

Der Sprecher ging nach diesen Worten zur Tür, wo ich gerade stand, doch meine Anwesenheit war nicht länger erforderlich, denn ich hatte genug gehört, um es mit der Angst zu bekommen. Leise stahl ich mich auf demselben Weg, auf dem ich gekommen war, zum Hof zurück. Mein Entschluß war gefaßt: Ich ging die Straße entlang und über den Platz und befand mich bald im Innenhof von Tal Hajus’ Palast.

Die hell erleuchteten Räume im Erdgeschoß zeigten mir, wo ich zuerst zu suchen hatte. Ich näherte mich einem der Fenster und blickte ins Innere des Hauses. Schnell wurde mir klar, daß mein Vorgehen nicht so einfach war, wie ich zuerst gehofft hatte, denn in den Zimmern zum Hof wimmelte es von grünen Marsmenschen. Ich schaute nach oben. Das zweite Geschoß war dunkel, so daß ich beschloß, von dort aus ins Gebäude einzudringen. Es bedurfte nur geringer Anstrengungen, die Fenster zu erreichen, und kurz darauf umgab mich die schützende Dunkelheit eines Zimmers im zweiten Stockwerk.