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Der Anblick, der sich mir nach ihrem überstürzten Davonstürmen bot, erfüllte mich mit Entsetzen und Wut. Im hellen Schein des Mondes von Arizona lag Powells Körper schier gespickt von feindlichen Pfeilen. Ich mußte davon ausgehen, daß er bereits tot war, und wenn ich ihn schon nicht vor dem Tode retten konnte, wollte ich seinen Körper vor der Verstümmelung durch die Apachen retten. Ich ritt dicht an ihn heran, griff nach seinem Patronengurt und zog ihn vor mich aufs Pferd. Ein Blick nach hinten überzeugte mich, daß es gefährlicher war, auf dem Weg zurückzukehren, den ich gekommen war. als weiter über das Flachland zu reiten. Also gab ich meinem armen Pferd die Sporen und stürmte auf den Paß zu, dessen Beginn ich auf der gegenüberliegenden Seite des Flachlandes erkennen konnte.

Inzwischen hatten die Indianer entdeckt, daß ich allein war, und nahmen fluchend, mit Pfeil, Bogen und Gewehrkugeln die Verfolgung auf. Da es schwierig ist, im Mondlicht wirkungsvoll zu zielen, die Indianer meines unvermuteten Auftauchens wegen empört waren und ich mich sehr schnell bewegte, verfehlten mich die zahlreichen feindlichen Geschosse, und ich hatte die Schatten der Berge erreicht, bevor eine geordnete Verfolgung organisiert werden konnte.

Mein Pferd bewegte sich praktisch führerlos, da ich wußte, daß es den Pfad zum Paß wahrscheinlich ohne mich eher finden würde, und so geschah es, daß wir in einen Hohlweg einbogen, der zum Gipfel der Gebirgskette führte und nicht zu dem Paß, der mich, wie ich gehofft hatte, ins Tal und in Sicherheit bringen würde. Wahrscheinlich habe ich aber gerade dieser Tatsache mein Leben und die bemerkenswerten Erfahrungen und Abenteuer zu verdanken, die mir in den folgenden zehn Jahren zuteil wurden.

Daß ich auf dem falschen Weg war, kam mir erst zu Bewußtsein, als die Schreie der Verfolger weit hinten zu meiner Linken mit einemmal immer schwächer wurden.

Mir wurde klar, daß sie an der zerklüfteten Gesteinsformation am Rand des Plateaus nach links geritten waren, während mein Pferd mich und Powell nach rechts getragen hatte.

An einem kleinen, flachen Vorgebirge, von dem man den Pfad unten und zu meiner Linken überblicken konnte, zog ich die Zügel an und beobachtete die wilden Verfolger, wie sie hinter der Spitze des benachbarten Berges verschwanden.

Ich wußte, die Indianer würden bald bemerken, daß sie auf der falschen Fährte waren, und die Suche in der richtigen Richtung aufnehmen, sobald sie meine Spuren gefunden hatten.

Nur ein kurzes Stück später begann bei einer hohen Felswand ein offensichtlich gut begehbarer Pfad. Er war eben, ziemlich breit und führte, leicht ansteigend, in die Richtung, in die ich wollte. Zu meiner Rechten ragte der Felsen einige hundert Fuß in die Höhe, auf der anderen Seite befand sich eine kleine Felsschlucht.

Ich folgte diesem Weg einige hundert Yards, bis er plötzlich scharf nach rechts bog und vor einer großen Höhle endete. Der Höhleneingang war etwa vier Fuß hoch und drei bis vier Fuß breit.

Fs war nun Tag. Wie für Arizona so typisch ist, war es mit einemmal hell geworden, ohne daß die Dämmerung den Morgen angekündigt hätte.

Ich saß ab und bettete Powell auf den Boden, doch ergab auch die sorgfältigste Untersuchung nicht das geringste Lebenszeichen. Fast eine Stunde lang mühte ich mich mit ihm ab, goß aus meiner Feldnasche Wasser behutsam zwischen seine leblosen Lippen, wusch ihm das Gesicht und rieb ihm die Hände, obwohl ich wußte, daß er tot war.

Ich hatte Powell sehr gemocht, er war in jeder Hinsicht vollkommen, ein eleganter Gentleman des Südens und ein zuverlässiger und treuer Freund; so daß ich in tiefstem Schmerz, meine unbeholfenen Wiederbelebungsversuche schließlich einstellte.

Ich ließ seinen Leichnam am Höhleneingang liegen und kroch zur Erkundung in die Höhle. Vor mir lag ein riesiges Gewölbe, vielleicht einhundert Fuß breit und etwa dreißig oder vierzig Fuß hoch. Der Boden war glatt und abgewetzt, und vieles wies darauf hin, daß die Höhle vor langer Zeit bewohnt gewesen war. Der hintere Teil lag so im Dunkeln, daß ich nicht erkennen konnte, ob es noch andere Kammern gab.

Während ich meine Erkundung fortsetzte, fühlte ich eine angenehme Schläfrigkeit über mich kommen, die ich der Ermüdung durch den langen und anstrengenden Ritt sowie der Aufregung des Kampfes und der Verfolgung zuschrieb. Ich fühlte mich an meinem gegenwärtigen Standort verhältnismäßig sicher, da ich wußte, daß selbst ein einzelner den Höhleneingang gegen eine ganze Armee zu verteidigen vermochte.

Bald wurde ich so müde, daß ich dem starken Wunsch kaum widerstehen konnte, mich für einige Augenblicke hinzulegen und auszuruhen, aber ich wußte, daß ich dem nicht nachgeben konnte, da das den sicheren Tod von den Händen meiner rothäutigen Freunde bedeutet hätte, die jeden Moment bei mir sein konnten. Mit letzter Kraft strebte ich dem Höhlenausgang zu, um benommen gegen eine Wand zu taumeln und zu Boden zu sinken.

2. Die Flucht des Toten

Ich befand mich in einem köstlichen Traumzustand, meine Muskeln entspannten sich, und ich war drauf und dran, dem Verlangen zu schlafen nachzugeben, als Hufgetrappel an meine Ohren drang. Ich wollte aufstehen, doch zu meinem Entsetzen versagten die Muskeln meinem Willen den Dienst. Augenblicklich war ich hellwach, aber ich konnte mich nicht bewegen, als sei ich versteinert. Nun bemerkte ich auch zum ersten Mal, daß ein leichter Nebelschleier in der Höhle hing. Er war äußerst fein und nur gegen das Tageslicht zu erkennen, das durch den Höhlenausgang hereinfiel. Dann stieg mir ein leicht beißender Geruch in die Nase, und ich konnte nur annehmen, daß ich von einem giftigen Gas überwältigt worden war. Warum ich aber meine geistigen Fähigkeiten beibehielt und mich nur nicht bewegen konnte, war mir schleierhaft.

Ich lag dem Höhlenausgang gegenüber, von wo aus ich bis zu dem Felsen sehen konnte, an dem der Weg abbog. Das Hufgetrappel war verklungen, ich schätzte, die Indianer pirschten sich unauffällig den Felsvorsprung entlang, der zu meinem Grab führte. Ich entsinne mich, daß ich hoffte, sie würden kurzen Prozeß mit mir machen, da mir der Gedanke an die unzähligen Dinge nicht sonderlich behagte, die sie mir antun würden, wenn ihnen danach war.

So brauchte ich auch nicht lange zu warten, bis mich ein leises Geräusch von ihrer Anwesenheit in Kenntnis setzte. Dann lugte ein Gesicht mit Kriegsbemalung und einer Art Federstutz über den Felsrand, und wilde Augen hefteten sich auf mich. Ich konnte sicher sein, daß er mich im trüben Licht der Höhle sehen konnte, denn die Morgensonne fiel durch den Höhleneingang voll auf mich.

Anstelle sich mir zu nähern, blieb der Kerl stehen und glotzte mich offenen Mundes an. Dann tauchte ein weiteres wildes Gesicht, ein drittes, viertes und fünftes auf, und alle reckten die Hälse über die Schultern ihrer Vordermänner, an denen sie auf dem schmalen Felssims nicht vorbeikamen. Jedes Gesicht spiegelte Ehrfurcht und Angst, warum, erfuhr ich erst zehn Jahre später. Daß sich hinter ihnen noch andere Krieger befanden, wurde daran deutlich, daß die Anführer den hinten Stehenden etwas zuraunten. Plötzlich drang ein leises, aber deutliches Stöhnen aus dem hinteren Teil der Höhle, und als die Indianer es vernahmen, fuhren sie angstvoll herum und stürzten von panischem Entsetzen gepackt davon. Ihre Flucht vor dem unbekannten Wesen hinter mir verlief derart überstürzt, daß einer der Krieger kopfüber von der Klippe in die felsige Tiefe geschleudert wurde. Kurze Zeit war im Canon noch das Echo ihrer wilden Schreie zu vernehmen, dann war wieder alles ruhig.

Das Stöhnen, das sie erschreckt hatte, wiederholte sich nicht, aber es genügte, mich Vermutungen über die mögliche Gefahr anstellen zu lassen, die in der Finsternis hinter mir lauerte. Angst ist ein relativer Begriff. Dabei kann ich meine Empfindungen zu jenem Zeitpunkt nur daran messen, was ich in vorhergehenden gefährlichen Situationen erlebt hatte, und was ich seitdem durchgemacht habe. Dennoch kann ich ohne Scham sagen, daß, wenn das Angst war, was ich in den folgenden Minuten empfand, nur Gott dem Feigling helfen kann, denn Feigheit ist ganz gewiß eine Strafe.