Anstelle mich vernünftig und würdevoll vorwärtszubewegen, resultierten meine Gehversuche in einer Reihe von Sprüngen, die mich bei jedem Schritt einige Fuß vom Boden abheben und nach jedem zweiten oder dritten Hüpfer ausgestreckt auf dem Gesicht oder Rücken landen ließen. Meine Muskeln, völlig auf die Erdanziehungskraft eingestellt, spielten mir übel mit, als ich zum ersten Mal versuchte, mit der geringeren Anziehungskraft und dem veränderten Luftdruck auf dem Mars zurechtzukommen.
Dennoch war ich entschlossen, das flache Bauwerk zu erkunden, weit und breit der einzige Hinweis auf Leben. Mir kam die einzigartige Idee, auf die Grundprinzipien der Fortbewegung zurückzugreifen und zu kriechen. Damit hatte ich mehr Erfolg, so daß ich nach einigen Augenblicken die flache Einfriedung erreicht hatte.
Auf der mir zugewandten Seite gab es weder Türen noch Fenster, aber da die Wand nur vier Fuß hoch war, richtete ich mich vorsichtig auf, warf einen Blick darüber und sah etwas derart Merkwürdiges, wie ich es noch nie zu Gesicht bekommen hatte.
Das Dach des Bauwerkes bestand aus festem, etwa vier bis fünf Zoll dickem Glas, darunter lagen einige Hundert gleichgroße, kugelrunde und schneeweiße Eier mit einem Durchmesser von etwa zwei und einem halben Fuß.
Fünf oder sechs waren bereits ausgebrütet, und die grotesk aussehenden Gestalten, die dort saßen und ins Sonnenlicht blinzelten, genügten, um mich an meinem Verstand zweifeln zu lassen. Sie schienen nur aus Köpfen zu bestehen, mit kleinen, mageren Körpern, langen Hälsen und sechs Beinen, oder, wie ich später sah, zwei Beinen, zwei Armen und einem dazwischen liegenden Paar von Gliedmaßen, das nach Wunsch entweder als Arme oder Beine verwandt werden konnte. Die Augen befanden sich oben an der Außenseite der Köpfe und standen derart hervor, daß sie nach vorn oder hinten und auch unabhängig voneinander bewegt werden konnten, so daß es diesem ungewöhnlichen Wesen ohne Drehung des Kopfes möglich war, in jede beliebige oder gar gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen zu blicken.
Die Ohren, etwas über den Augen stehend, aber etwas näher beieinander, glichen schalenartigen Antennen, die bei diesen soeben geschlüpften Exemplaren nicht mehr als einen Zoll hervortraten. Als Nasen dienten zwei senkrechte Schlitze mitten im Gesicht zwischen dem Mund und den Ohren.
Ihre Körper war unbehaart und von einer sehr hellen, gelbgrünen Färbung. Wie ich bald erfahren sollte, wurden die Erwachsenen später dunkelgrün. Die Weibchen blieben etwas heller als die Männchen. Außerdem war das Größenverhältnis zwischen Kopf und Körper bei den Erwachsenen anders als bei den Kindern. Die Augen waren wie bei den Albinos blutrot, die Pupille dunkel. Der Augapfel selbst war sehr weiß, wie auch das Gebiß. Letzteres verlieh dem bereits furchteinflößenden Gesicht ein schreckliches Aussehen, da von unten zwei scharfe Zähne hauerartig nach oben ragten und etwa dort endeten, wo sich beim Erdenmenschen die Augen befinden.
Die Zähne hatten nicht die Farbe von Elfenbein, sondern waren schneeweiß und glänzten wie Porzellan. Vor dem dunklen Hintergrund ihrer olivfarbenen Haut fielen die Stoßzähne sehr auf und wirkten ausgesprochen bedrohlich.
Die meisten Dinge bemerkte ich erst später, da ich nur wenig Zeit hatte, über die unerklärlichen neuen Entdeckungen nachzudenken. Ich hatte festgestellt, daß die Winzlinge gerade schlüpften, und während ich die entsetzlichen kleinen Monster dabei beobachtete, wie sie sich aus den Schalen befreiten, entging mir, daß sich mir von hinten zwanzig ausgewachsene Marsbewohner näherten.
Da sie über das weiche und dämpfende Moos kamen, das mit Ausnahme der vereisten Pole und der wenigen kultivierten Gebiete praktisch die ganze Marsoberfläche bedeckte, hätten sie mich leicht gefangen nehmen können, doch trugen sie sich mit weitaus finstereren Absichten. Es war das Rasseln der Ausrüstung des vordersten Kriegers, wodurch ich gewarnt wurde.
Mein Leben hing an einem seidenen Faden, so daß ich mich oft darüber wundere, überhaupt entkommen zu sein. Wäre nicht das Gewehr des Anführers der Truppe am Sattelhalfter herumgeschwungen und gegen den metallbeschlagenen Schaft des großen Speers gestoßen, so hätte ich mein Leben ausgehaucht, ohne je erfahren zu haben, wie nahe mir der Tod war. Aber das leise Geräusch ließ mich herumfahren, und dicht vor mir, keine zehn Fuß vor meiner Brust erblickte ich die glänzende Metallspitze eines riesigen Speeres von etwa vierzig Fuß Länge, die ein berittenes Ebenbild der kleinen Teufel, die ich soeben beobachtet hatte, gesenkt neben sich hielt.
Aber wie winzig und harmlos sahen diese nun neben dem riesigen und furchteinflößenden Inbegriff von Haß, Rache und Tod aus. Der Mann selber, als solchen will ich ihn bezeichnen, maß reichlich fünfzehn Fuß und hätte auf der Erde etwa vierhundert Pfund gewogen. Er saß auf seinem Reittier wie wir auf einem Pferd, klammerte sich mit den unteren Gliedmaßen an dessen Rumpf fest, hielt mit den zwei rechten Händen den gigantischen Speer flach neben dem Tier und streckte die zwei linken Arme seitwärts aus, um die Balance zu halten. Das Wesen, das er ritt, trug weder Zaum noch Zügel irgendwelcher Art.
Und dieses Reittier erst! Wie soll man es mit den uns gegebenen Worten beschreiben! Bis zur Schulter maß es zehn Fuß, hatte auf jeder Seite vier Beine, einen flachen, breiten Schwanz, der an der Spitze dicker war als am Ansatz, und ein klaffendes Maul, das erst an dem langen, feisten Hals endete und den Kopf in zwei Hälften teilte.
Wie sein Reiter war es gänzlich unbehaart, von der Farbe dunklen* Schiefers, außerordentlich glatt und glänzend. Der Bauch war weiß, bei den Beinen verblaßte das Grau der Schultern und Hüften und ging an den Füßen in ein lebendiges Gelb über. Diese waren dick gepolstert und ohne Nägel, was sicherlich zu dem lautlosen Auftauchen beigetragen hatte und ebenso wie die zahlreichen Gliedmaßen eine charakteristische Eigenschaft der Marsbewohner ist. Allein das höchstentwickelte Lebewesen und ein anderes Tier, das einzige Säugetier auf dem Mars, haben wohlgeformte Nägel. Huftiere gibt es überhaupt nicht.
Hinter diesem ersten Angreifer standen neunzehn weitere, die sich in jeder Hinsicht glichen, aber wie ich später feststellte, ebenfalls individuelle Eigenschaften hatten wie wir, obwohl wir doch in derselben Weise geschaffen wurden. Dieses Bild, besser gesagt, dieser Wirklichkeit gewordene Alptraum, den ich lang und breit geschildert habe, beeindruckte mich aufs schrecklichste.
Unbewaffnet und nackt wie ich war, konnte die einzig mögliche Lösung, der Spitze des angreifenden Speeres zu entkommen, nur im ersten Gesetz der Natur liegen. Und zwar machte ich einen sehr irdischen und gleichzeitig übermenschlichen Satz auf das Dach des Inkubators, denn ein solcher Brutapparat mußte es meiner Meinung nach sein.
Meine Bemühungen wurden von einem Erfolg gekrönt, der mich nicht weniger als die kriegerischen Marsbewohner überraschte, denn er beförderte mich volle dreißig Fuß in die Luft und ließ mich einhundert Fuß von meinen Angreifern auf der gegenüberliegenden Seite des Bauwerkes wieder aufkommen.
Sanft und unverletzt landete ich auf dem weichen Moos, wandte mich um und sah meine Feinde auf der anderen Seite aufgereiht stehen. Einige begutachteten mich mit einem Ausdruck, den ich später als äußerstes Erstaunen kennenlernen sollte, andere waren augenscheinlich bereits damit zufriedengestellt, daß ich die Jungen in Frieden gelassen hatte.
Leise berieten sie sich und zeigten gestikulierend auf mich. Die Entdeckung, daß ich die kleinen Marsmenschen nicht belästigt hatte und unbewaffnet war, ließ sie weniger wild dreinblicken. Wie ich später erfahren sollte, gewann ich in ihrer Gunst vor allem durch meine sportliche Darbietung.
Obwohl die Marsbewohner sehr groß sind und ihre Knochen sehr lang, sind ihre Muskeln nur dafür entwickelt, die Anziehungskraft ihres Planeten zu überwinden. Folglich sind sie im Verhältnis zu ihrem Gewicht weniger beweglich und schwächer als ein Erdenmensch, und ich zweifle, daß einer von ihnen, würde er plötzlich zur Erde gebracht, imstande wäre, sich vom Boden zu erheben – eigentlich bin ich von seinem Unvermögen überzeugt.