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Mein Bravourstück sorgte demzufolge auf dem Mars ebenso für Bewunderung, wie es auf der Erde der Fall gewesen wäre, und anstelle mich umzubringen, sahen sie in mir nun eine wundersame Entdeckung, die sie fangen und ihren Artgenossen zeigen wollten.

Den Aufschub, den mir meine unerwartete Beweglichkeit verschafft hatte, erlaubte mir, Pläne für die unmittelbare Zukunft zu schmieden und das Äußere der Krieger genauer zu betrachten, denn ich kam nicht umhin, diese mit jenen zu assoziieren, die mich erst gestern verfolgt hatten.

Ich bemerkte, daß jeder außer mit dem bereits beschriebenen riesigen Speer noch mit einigen anderen Waffen ausgerüstet war. Die Waffe, die mich gegen einen Fluchtversuch stimmte, war einem Gewehr nicht unähnlich, und meinem Gefühl nach konnten sie besonders gut damit umgehen.

Diese Gewehre bestanden aus weißen Metall und einem Kolben aus sehr leichtem und ausgesprochen hartem Holz, das, wie ich später erfuhr, auf dem Mars sehr geschätzt wird und uns Erdbewohnern gänzlich unbekannt ist. Den Lauf bildete eine Legierung aus Aluminium und Stahl, die sie so zu härten vermochten, daß sie die Festigkeit des Stahles, wie wir sie kennen, weit übertrifft. Die Gewehre besaßen ein vergleichsweise geringes Gewicht, die kleinen, explosiven Radiumgeschosse waren auch in Entfernungen, wie sie auf der Erde undenkbar sind, äußerst gefährlich. Die theoretische Reichweite dieser Waffe betrug dreihundert Meilen. In der Praxis, wenn sie mit ihren drahtlosen Suchern ausgerüstet waren, brachten sie es auf« reichlich zweihundert Meilen.

Das war völlig ausreichend, mir großen Respekt für dieses Schießgerät der Marsbewohner einzuflößen, und irgendeine überirdische Macht muß mich davor gewarnt haben, am hellichten Tage vor den Mündungen zwanzig dieser todbringenden Waffen die Flucht anzutreten.

Die Marsbewohner machten nach einer kurzen Beratung kehrt und ritten außer einem in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nach etwa zweihundert Yards blieben sie stehen, wendeten die Tiere und beobachteten den bei der Brutstation Zurückgebliebenen. Es war derjenige, dessen Speer mir so nahe gekommen war, anscheinend der Anführer der Gruppe, denn ich hatte beobachtet, wie sie sich auf seinen Befehl hin zu ihrer derzeitigen Position begeben hatten. Als seine Streitmacht zum Stillstand gekommen war, saß er ab, warf den Speer und die kleinen Waffen von sich und kam vollkommen unbewaffnet um den Inkubator auf mich zu, vom Schmuck auf dem Kopf, der Brust und an den Gliedmaßen abgesehen ebenso nackt wie ich.

Als er sich mir bis auf fünfzig Fuß genähert hatte, löste er ein riesiges Metallarmband, hielt es mir auf der offenen Handfläche hin und sprach mich mit klarer, volltönender Stimme in einer Sprache an, die ich, das brauche ich nicht zu sagen, nicht verstehen konnte. Dann hielt er inne, als warte er auf meine Antwort, richtete dabei die Ohren antennenartig auf, während er seine merkwürdig wirkenden Augen noch eindringlicher auf mich richtete.

Als die Stille langsam schmerzhaft wurde, beschloß ich, ebenfalls eine kleine Rede zu riskieren, denn ich vermutete, daß er seine friedlichen Absichten bekunden wollte. Überall auf der Erde hätte das Ablegen der Waffen und der Truppenrückzug vor der Ansprache an mich eine friedliche Botschaft signalisiert, warum dann nicht auf dem Mars?

Ich legte die Hand ans Herz, verbeugte mich tief in seine Richtung und erklärte, zwar sei seine Sprache mir unbekannt, doch seine Handlungsweise zeuge von Frieden und Freundschaft. Dies bedeute mir gegenwärtig sehr viel. Das Plätschern eines Baches hätte ihm dieselben Informationen vermittelt wie meine Worte, aber er verstand die Handlung, die ich meinen Worten folgen ließ.

Ich trat mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, ergriff das Armband, machte es mir oberhalb des Ellenbogens an den Arm, blieb lächelnd stehen und wartete. Sein großer Mund zog sich zu einem Antwortlächeln auseinander. Er schob einen Arm des mittleren Paares unter den meinen, wir wandten uns um und begaben uns zu seinem Reittier. Gleichzeitig hieß er sein Gefolge näherkommen. In wildem Galopp stürmten sie auf uns zu, wurden aber durch ein Zeichen von ihm gebremst. Offenbar fürchtete er, mich damit so sehr zu erschrecken, daß ich endgültig aus seiner Reichweite sprang.

Er wechselte mit seinen Männern einige Worte, gab mir durch Gesten zu verstehen, daß ich hinter einem von ihnen reiten würde, und saß auf. Der Angewiesene reichte mir zwei oder drei Hände und hob mich hinter sich auf den glatten Rücken seines Tieres, wo ich mich, so gut ich konnte, an den Gurten und Riemen festhielt, mit denen die Waffen und der Schmuck des Marsbewohners befestigt waren.

Inzwischen hatte die ganze Reihe kehrtgemacht, und wir galoppierten auf die Hügelkette in der Ferne zu.

4. Ein Gefangener

Nach etwa zehn Meilen stieg der Boden steil an. Wie ich später erfahren sollte, näherten wir uns dem Rand eines der längst ausgetrockneten Meere, in dessen Mitte mein Abenteuer mit den Marsbewohnern stattgefunden hatte.

Binnen kurzer Zeit befanden wir uns am Fuß des Gebirges. Hinter einer engen Schlucht erreichten wir ein offenes Tal, das in eine nied-* rige Hochebene überging. Weit vor uns lag eine riesige Stadt. Wir ritten darauf zu und auf einer verfallenen Straße ein, die kurz davor mitten im Flachland bei einigen breiten Stufen begann.

Bei näherer Betrachtung sah ich, daß die Gebäude, obwohl noch gut erhalten, leer waren. Sie sahen so aus, als wären sie seit Jahren, vielleicht sogar Jahrhunderten, unbewohnt. In Stadtmitte befand sich ein riesiges Forum, das ebenso wie die angrenzenden Häuser von etwa neunhundert oder tausend Kreaturen jener Gattung, der auch meine Wächter angehörten, belagert wurde, denn trotz der zuvorkommenden Art, mit der sie mich mitgenommen hatten, sah ich mich nun doch als ihren Gefangenen.

Außer Schmuck trugen alle keine Kleidung. Die Frauen unterschieden sich nur unwesentlich von den Männern. Lediglich die Stoßzähne der letzteren waren im Verhältnis zur Größe viel länger und krümmten sich in einigen Fällen fast bis zu den hoch angesetzten Ohren. Die Frauen waren von kleinerer Gestalt und besaßen eine hellere Hautfarbe, und an Fingern und Zehen waren noch Rudimente von Nägeln festzustellen, die bei den Männern völlig fehlten. Die erwachsenen Frauen waren zwischen zehn bis zwölf Fuß groß.

Die Kinder waren noch viel heller als die Frauen und sahen für mich alle gleich aus, abgesehen von einigen, die größer, und wie ich annehme, auch älter waren.

Ich sah keinen Greis unter den Leuten, auch gab es dem Äußeren nach keine nennenswerten äußerlichen Unterschiede zwischen Vierzigjährigen und Eintausendjährigen. In diesem Alter treten sie freiwillig ihre letzte ungewöhnliche Pilgerfahrt zum Fluß Iss an, von dem kein lebender Marsbewohner weiß, wohin er führt, und von dem niemand je zurückgekommen ist. Auch hätte man denjenigen nicht mehr unter sich geduldet, der sich einmal zu dem kalten und dunklen Wasser begeben hatte. Nur einer von tausend Marsbewohnern stirbt an einer Krankheit oder einem Gebrechen, ungefähr zwanzig treten die freiwillige Wallfahrt an. Die anderen neunhundertundneunundsiebzig sterben eines gewaltsamen Todes beim Zweikampf, bei der Jagd, beim Fliegen und im Krieg. Die bei weitem meisten Todesfälle gibt es in der Kindheit, wo unzählige den großen, weißen Affen des Mars zum Opfer fallen.

Die durchschnittliche Lebenserwartung des erwachsenen Marsmenschen liegt bei etwa dreihundert Jahren, sie läge aber weitaus höher, gäbe es nicht die zahlreichen gewaltsamen Todesarten. Auf Grund der schwindenden Bodenschätze des Planeten war es offensichtlich notwendig geworden, der ansteigenden Lebenserwartung entgegenzuwirken, die den bemerkenswerten Fertigkeiten in der Heilkunst und Chirurgie zu verdanken ist. So gilt ein Menschenleben auf dem Mars wenig, wie man aus den gefährlichen Spielarten und dem fast immer anhaltenden Kriegszustand zwischen den verschiedenen Gemeinschaften ersehen kann.