»Nein, nur die halbe Zeit. Die andere Hälfte arbeitet sie für uns«, versicherte er ihr.
Er ließ sein Glied herausgleiten und löste sich ziemlich elegant von ihrem Körper — vielleicht kam hier seine ganze Pilotenerfahrung durch — und gab ihr einen Kuß auf den Hals. »Hübsche Lady.«
Silver errötete ein bißchen und war für das trübe Licht dankbar. Ti richtete seine Aufmerksamkeit einen Moment lang einer notwendigen Verrichtung zu. Ein kurzes Zischen von Luft, und das mit einem Spermizid versehene Kondom war im Müllschlucker verschwunden. Silver unterdrückte einen schwachen Anflug von Bedauern. Es war einfach zu schade, daß Ti keiner von ihnen war. Zu schade, daß sie auf der Liste der für Mutterschaft Bestimmten so weit hinten stand. Zu schade…
»Hast du von eurem Doktor herausbringen können, ob wir das wirklich brauchen?«, fragte Ti sie. »Ich konnte Dr. Minchenko nicht direkt fragen«, erwiderte Silver. »Aber er scheint zu meinen, jede Empfängnis zwischen einem Planetarier und einer von uns würde zu einem spontanen Abort führen, und zwar ziemlich früh — aber niemand weiß es sicher. Es könnte sein, daß ein Baby geboren wird, dessen untere Gliedmaßen weder Arme noch Beine sind, sondern irgend etwas Verkorkstes dazwischen.« Und ich dürfte es wahrscheinlich nicht behalten… »Jedenfalls brauchen wir so nicht mit einem Handsauger im Raum nach Körperflüssigkeiten zu jagen.«
»Das stimmt auch wieder. Na ja, ich bin bestimmt noch nicht bereit, Vater zu werden.«
Wie unbegreiflich, dachte Silver, bei einem Mann in diesem Alter. Ti mußte mindestens fünfundzwanzig sein, viel älter als Tony, der nahezu der älteste von ihnen allen war. Sie achtete darauf, mit dem Gesicht zum Fenster zu schweben, so daß der Pilot ihm seinen Rücken zukehrte. Los, Tony, tu’s, wenn du es tun willst…
Ein kühler Luftzug von den Ventilatoren ließ auf allen ihren Armen Gänsehaut erscheinen, und Silver zitterte.
»Ist dir kalt?«, fragte Ti besorgt und rieb seine Hände schnell an ihren Armen auf und ab, um sie durch die Reibung zu wärmen, dann holte er ihr blaues Hemd und ihre blauen Shorts aus der Ecke des Raums, wohin sie geschwebt waren. Silver schlüpfte dankbar in die Kleider. Der Pilot zog sich ebenfalls an, und Silver beobachtete mit heimlicher Faszination, wie er seine Schuhe zuband. Solche unbiegsamen, schweren Umhüllungen, aber schließlich waren auch die Füße ihrerseits unbiegsame, schwere Dinger. Sie hoffte, er würde achtgeben, wenn er sie herumschwenkte. Mit den Schuhen daran erinnerten seine Füße sie an Hämmer.
Ti lächelte und nahm seine Pilotentasche von einem Halter an der Wand, wo er sie verstaut hatte, als sie sich vor einer halben Stunde in die Steuerkabine zurückgezogen hatten. »Hab dir was mitgebracht.«
Silver reckte sich und verschränkte erwartungsvoll ihre vier Hände. »Oh! Hast du noch mehr Buchdisketten von derselben Autorin finden können?«
»Ja, hier sind sie…« Ti holte einige dünne Plastikquadrate aus seiner Pilotentasche. »Drei Titel, alle neu.«
Silver griff danach und las eifrig ihre Aufschriften. Illustrierte Regenbogen-Romane: Sir Randans Torheit, Liebe im Aussichtsturm, Sir Randan und die vertauschte Braut, alle von Valeria Virga. »Oh, wunderbar!« Sie schlang ihren oberen rechten Arm um Tis Hals und gab ihm einen ganz spontanen und heftigen Kuß.
Er schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Ich weiß nicht, wie du diesen Kitsch lesen kannst. Ich glaube sowieso, daß die Autorin ein ganzes Komitee ist.« »Die sind großartig«, verteidigte Silver ungehalten ihre Lieblingsliteratur. »Sie sind so… so voller Farbe und seltsamer Orte und Zeiten — viele von ihnen spielen auf der guten, alten Erde, damals, als alle noch auf den Planeten lebten — sie sind so erstaunlich. Die Leute hielten sich damals Tiere — diese riesigen Kreaturen, die man Pferde nennt, trugen sie tatsächlich auf ihren Rücken herum. Vermutlich machte die Schwerkraft die Menschen müde. Und diese reichen Leute, wie — wie leitende Angestellte vermutlich —, die ›Lords‹ und ›Adelige‹ genannt wurden, lebten in den phantastischsten Habitats, die an der Oberfläche des Planeten befestigt waren — und von alldem haben wir im Geschichtsunterricht nichts gehört!« Ihre Empörung erreichte einen Gipfel. »Dieses Zeug hat doch nichts mit Geschichte zu tun«, widersprach er, »das ist Literatur.«
»Es ist aber auch anders als die Literatur, die man uns gibt. Oh, die ist schon in Ordnung für kleine Kinder — Der kleine Kompressor hat mir immer gut gefallen —, wir haben es uns von unserer Krippenmutter immer wieder und wieder vorlesen lassen. Und die Bobby-BX-99-Serie war in Ordnung… Bobby BX-99 löst das Rätsel der übermäßigen Feuchtigkeit… Bobby BX-99 und das Pflanzenvirus… Daraufhin habe ich gebeten, mich auf Hydrokultur spezialisieren zu dürfen. Aber es ist viel interessanter, über Planetarier zu lesen. Es ist so… so… wenn ich das lese«, sie hielt die kleinen Plastikquadrate krampfhaft fest, »es ist, als wären sie real und ich nicht.« Silver seufzte schwer.
Obwohl Mr. Van Atta vielleicht ein bißchen wie Sir Randan war… von hohem Status, herrisch, leicht aufbrausend… Silver überlegte kurz, warum das aufbrausende Temperament bei Sir Randan immer so erregend und anziehend erschien, voller faszinierender Folgen. Wenn Mr. Van Atta ärgerlich wurde, dann bekam sie bloß ein flaues Gefühl im Magen. Vielleicht hatten planetarische Frauen mehr Mut.
Ti zuckte überrascht und amüsiert die Achseln. »Dich regt es vermutlich an. Für mich ist das harmlos. Aber ich habe etwas Besseres für dich mitgebracht, von dieser Reise…« Er kramte in seiner Pilotentasche herum und holte ein Gespinst aus elfenbeinfarbenem Stoff, Spitzen und Seidenbändern heraus. »Ich habe mir vorgestellt, du könntest durchaus mal eine normale Damenbluse tragen. In dem Muster sind Blumen drin. Ich dachte, du magst das, weil du in der Hydrokultur arbeitest und so.« »Oh…« Eine von Valeria Virgas Heldinnen mochte sich in einem solchen Gewand wohlgefühlt haben. Silver griff danach, dann zog sie ihre Hand zurück. »Aber… aber ich kann es nicht annehmen.«
»Warum nicht? Du nimmst die Buchdisketten ja auch. Das war nicht so teuer.«
Silver, die meinte, daß sie aufgrund ihrer Lektüre nun beginne, eine ziemlich klare Vorstellung davon zu haben, wie Geld funktionierte, schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht. Es ist, na ja — weißt du, ich glaube, Dr. Yei würde unsere Treffen nicht billigen. Und — eine Menge anderer Leute auch nicht.« Tatsächlich war sich Silver ziemlich sicher, daß ›mißbilligen‹ kaum die Konsequenzen bezeichnen würde, die entstünden, wenn ihre geheimen Transaktionen mit Ti herauskämen.
»Prüde Typen«, sagte Ti verächtlich. »Du wirst dir doch nicht von ihnen sagen lassen, was du jetzt zu tun hast, oder?« Aber in seiner Geringschätzung klang Besorgnis an.
»Ich werde auch nicht anfangen, ihnen zu sagen, was ich tue«, sagte Silver nachdrücklich. »Würdest du das?«
»Lieber Gott, nein«, er winkte erschreckt ab.
»Also, da stimmen wir überein. Unglücklicherweise ist das«, sie zeigte mit Bedauern auf die Bluse, »etwas, das ich nicht verstecken kann. Ich könnte sie nicht tragen, ohne daß jemand fragt, woher ich sie bekommen habe.«
»Oh«, sagte er in dem dumpfen Ton eines Menschen, der von einer unbestreitbaren Tatsache beeindruckt ist. »Tja, ich — vermutlich hätte ich daran denken sollen. Meinst du, daß du sie vielleicht einige Zeit verstecken kannst? Ich habe meinen Schwerkrafturlaub auf Rodeo genommen, weil einem alle Plätze mit Shuttlebonus auf Orient IV von den dienstälteren Burschen weggeschnappt werden. Na ja, und man kann hier schneller eine Menge Arbeitsstunden zusammenbekommen, mit dem ganzen Frachtverkehr. Aber nach ein paar weiteren Zyklen werde ich den Dienstgrad eines Shuttlekommandanten und wieder den permanenten Sprungpilotenstatus haben.«