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Tony befeuchtete schnell einen Finger und hielt ihn hoch. »Kein nennenswerter Luftzug.« Er schluckte, um seine Ohrtrompeten zu testen. »Wir verlieren keinen Druck.« Das Pfeifen nahm jedoch zu. Es gab ein mechanisches Geklirr wie ka-tschank, zweimal hintereinander. Ein Schrecken durchzuckte Ciaire, denn es klang ganz und gar nicht wie das vertraute bums und klick, wenn ein Lukenverschluß einrastete. Die Abbremsung hielt weiter an, viel zu lange, dazu kam ein seltsamer neuer Schubvektor, der von der Bauchseite des Shuttles auszugehen schien. Die Seitenwand des Frachtraums, an der die Kisten verankert waren, schien gegen Ciaire zu drücken. Sie wandte ihr nervös den Rücken zu und bettete Andy auf ihrem Bauch.

Das Baby machte runde Augen und formte mit dem Mund ein O der Verwirrung. Nein, bitte, fang nicht an zu heulen. Sie wagte es nicht, den Schrei loszulassen, der in ihrer eigenen Kehle steckte, denn dann würde Andy losheulen wie eine Sirene. »Backe backe Kuchen«, würgte Ciaire hervor, »die Mikrowelle hat gerufen…« Sie kitzelte Andys Wange und warf Tony einen Blick zu, der einen stummen Hilferuf enthielt. Tonys Gesicht war käseweiß. »Ciaire — ich glaube, dieses Shuttle ist zum Planeten unterwegs! Dieser Krach — da haben sie bestimmt die Tragflächen ausgefahren.« »O nein! Das kann nicht sein. Silver hat den Flugplan überprüft…«

»Es sieht aus, als wäre Silver ein großer Fehler unterlaufen.«

»Ich habe es auch überprüft. Dieses Shuttle sollte auf der Transferstation eine Ladung aufnehmen und dann erst zum Planeten fliegen.«

»Dann ist euch beiden ein großer Fehler unterlaufen.« Tonys Stimme klang scharf und bebte zugleich, Ärger überdeckte die Furcht.

Oh, bitte, schrei mich nicht an — wenn ich nicht ruhig bleibe, dann bleibt Andy es auch nicht — das Ganze war ja nicht meine Idee…

Tony rollte sich auf den Bauch und stemmte seinen Körper weg von der stoßenden Oberfläche des… des Bodens, wie die Planetarier die Richtung nannten, aus der der Vektor der Gravitationskraft kam, kroch zum nächsten Fenster und zog sich daran hoch. Das Licht, das durch das Fenster drang, wurde seltsam diffus und nahm ab. »Alles ist weiß — Ciaire, ich glaube, wir tauchen in eine Wolke ein!« Ciaire hatte aus dem Orbit stundenlang Wolken von oben beobachtet, wie sie langsam in den Luftmassen von Rodeos Atmosphäre wogten. Immer waren sie ihr so massiv wie Monde erschienen. Sie hätte sie jetzt gern gesehen.

Andy klammerte sich an ihr blaues T-Shirt. Sie rollte sich auf die andere Seite, wie Tony es getan hatte, mit den Handflächen zum Boden, und stieß sich hoch. Andy drehte den Kopf seinem Vater zu, griff nach ihm mit den oberen Händen und versuchte sich mit den unteren von Ciaire abzustoßen. Der Boden sprang hoch und gab ihm einen Klaps.

Einen Augenblick lang war er zu verdutzt, um zu schreien. Dann öffnete er seinen kleinen Mund und stieß ein vibrierendes Kreischen hervor, das nach echtem Schmerz klang. Der Laut drang wie ein Messer in Claires Leib.

Auch Tony zuckte bei dem Geräusch zusammen und kletterte vom Fenster herab, zu ihnen zurück. »Warum hast du ihn fallenlassen? Was hast du dir dabei gedacht? Oh, mach bloß, daß er still ist, schnell!« Ciaire rollte wieder auf den Rücken, zog Andy auf ihren elastischen und weichen Unterleib und tätschelte und küßte ihn verzweifelt. Der Klang seines Geschreis wandelte sich vom erschreckend schrillen Schmerzensschrei zu einem weniger durchdringenden unwilligen Gebrüll, aber die Lautstärke blieb die gleiche.

»Sie werden ihn bis in die Pilotenkabine hören!«, zischte Tony gequält. »Mach etwas!«

»Ich versuche es ja«, zischte Ciaire zurück. Ihre Hände zitterten. Sie versuchte, Andys Kopf zu ihrer Brust zu schieben, zur üblichen Quelle des Trostes, aber er drehte seinen Kopf weg und schrie noch lauter. Glücklicherweise war das Geräusch der Atmosphäre, die an der Außenhaut des Shuttles vorbeistrich, zu einem betäubenden Donnern angeschwollen. Als dann der Lärm seinen Höhepunkt erreicht hatte und wieder nachließ, war aus Andys Schreien ein wimmernder Schluckauf geworden. Er rieb sein Gesicht, das von Tränen und Schleim verschmiert war, traurig an Claires T-Shirt. Sein Gewicht auf ihrem Bauch und Zwerchfell preßte Ciaire halb den Atem ab, aber sie wagte es nicht, Andy niederzulegen.

Eine weitere Folge von Schlägen dröhnte durch das Shuttle. Die Vibrationen der Triebwerke veränderten ihre Tonhöhe, und Ciaire wurde von wechselnden Beschleunigungsvektoren hin- und hergezerrt, doch keiner von ihnen war so stark wie derjenige, der aus dem Boden kam. Sie löste zwei Hände von Andy und klammerte sich an die Plastikkisten.

Tony lag daneben und biß sich in hilfloser Angst auf die Lippen. »Wir kommen offensichtlich herunter und landen auf der Oberfläche des Planeten.«

Ciaire nickte. »Auf einem der Shuttlehäfen. Da werden Leute sein — Planetarier —, vielleicht können wir ihnen sagen, daß wir aus Versehen an Bord dieses Shuttles eingeschlossen wurden. Vielleicht«, fügte sie hoffnungsvoll hinzu, »schicken sie uns direkt zurück nach Hause.«

Tonys rechte obere Hand ballte sich zur Faust. »Nein! Wir können jetzt nicht aufgeben! Wir würden nie eine neue Chance bekommen!«

»Aber was können wir sonst tun?«

»Wir schleichen uns vom Schiff und verstecken uns, bis wir auf ein anderes Shuttle kommen können, das zur Transferstation fliegt.« Seine Stimme wurde ernst und drängend, während Ciaire verzweifelt seufzte. »Wir haben es einmal geschafft, wir können es wieder schaffen.«

Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. Ein weiterer Streit wurde durch eine verwirrende Folge von dumpfen Stößen verhindert, die das ganze Schiff schüttelten und dann in ein leises ständiges Rumpeln übergingen. Der Lichtstrahl, der durch das Fenster fiel, wanderte im Frachtraum umher, während das Shuttle landete, ausrollte und wendete. Dann erlosch er, der Frachtraum wurde dunkel, das Jaulen der Triebwerke erstarb zu einem ebenso verwirrenden Schweigen. Ciaire löste sich vorsichtig von den Kisten. Von allen Beschleunigungsvektoren blieb nur einer übrig. Für sich allein wurde er überwältigend.

Schwerkraft. Stumm, unnachgiebig drückte sie gegen Claires Rücken — Ciaire kämpfte mit der unangenehmen Illusion, die Gravitation könnte plötzlich aufhören und der dadurch ausgelöste Schub würde sie gegen die Decke schleudern, so daß Andy dazwischen zerquetscht würde. In einer gleichzeitigen optischen Illusion schien sich der ganze Frachtraum langsam im Kreis um sie zu drehen. Zu ihrer eigenen Verteidigung schloß sie die Augen. Tonys Hand faßte sie warnend an ihrem linken unteren Handgelenk. Sie blickte auf und erstarrte: die äußere Tür des Frachtraums am anderen Ende des Abteils glitt zur Seite.

Zwei Planetarier in Overalls des Galac-Tech-Wartungsdienstes kamen herein. Die Zugangstür in der Mitte des Shuttlerumpfes öffnete sich, und Ti, der Shuttlepilot, steckte seinen Kopf durch.

»Hallo, Jungs. Warum so schrecklich eilig?«

»Wir sollen diesen Vogel in einer Stunde umdrehen und wieder beladen, darum geht’s«, erwiderte der Wartungstechniker. »Du hast gerade Zeit zum Pinkeln und zum Essen.«

»Was wird geladen? Seit dem letzten medizinischen Notfall habe nicht mehr soviel Herumgehüpfe gesehen.«

»Geräte und Versorgungsmaterial für eine Art Show, die auf eurem Habitat für die Vizepräsidentin des operativen Bereichs stattfinden soll.«

»Das ist doch erst nächste Woche.«

Der Wartungstechniker kicherte. »Das dachten alle. Aber die Vizepräsidentin ist gerade eine Woche früher angekommen, in ihrem persönlichen Kurierschiff, mit einem ganzen Kommando von Buchhaltern und Wirtschaftsprüfern. Anscheinend liebt sie überraschende Inspektionen. Das Management ist natürlich vor Freude ganz aus dem Häuschen.« »Lacht nicht zu früh«, warnte Ti. »Das Management hat Methoden, seine Freuden mit uns übrigen zu teilen.«