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»Sie geben es also zu!«, triumphierte Van Atta. »Sie haben unter den Arbeiterinnen der Hydrokulturabteilung und unter Ihren eigenen Schülern, die Ihnen anvertraut sind, eine trotzige Haltung gegenüber der Autorität von Galac-Tech gefördert — die sorgfältig entwickelten Richtlinien der Psychologischen Abteilung für Sprache und Benehmen an Bord des Habitats ignoriert — die Arbeiter mit Ihrer eigenen schlechten Einstellung angesteckt …«

Leo erkannte plötzlich, daß Van Atta, wenn irgend möglich, ihn nicht mit seiner eigenen Verteidigung zu Wort kommen lassen würde. Van Atta hatte es auf etwas viel, viel Wertvolleres als nur auf Rache für einen Schlag gegen sein Kinn abgesehen — auf einen Sündenbock. Einen perfekten Sündenbock, auf den er alle Projektpannen der letzten zwei Monate — oder länger, abhängig von seiner eigenen Findigkeit — abladen und den er ohne Skrupel den Galac-Tech-Göttern opfern konnte, wobei er selbst dann sauber und sündenlos aus der ganzen Sache davonkommen würde. »Nein, bei Gott!«, brüllte Leo. »Wenn ich eine Revolution organisieren würde, dann würde ich es verdammt zehnmal besser machen als das da …« Er winkte in Richtung des Lagerhauses. Seine Muskeln spannten sich für einen erneuten Angriff auf Van Atta. Wenn er sowieso gefeuert werden sollte, dann wollte er wenigstens etwas Genugtuung bekommen …

»Meine Herren.« Apmads Worte klangen eisig. »Mr. Van Atta, ich darf Sie daran erinnern, daß Kündigungen auf abgelegenen Einrichtungen wie Rodeo nicht befürwortet werden. Galac-Tech ist nicht nur vertraglich verpflichtet, den Gekündigten die Heimreise zu ermöglichen, es geht auch um die Kosten und die beträchtliche Zeitverzögerung für die Herbeiholung ihrer Nachfolger. Nein, wir beenden die Sache auf folgende Weise: Captain Bannerji wird für zwei Wochen ohne Gehalt suspendiert, und in seine Personalakte wird ein offizieller Verweis für das Tragen einer nichtzugelassenen Waffe im offiziellen Dienst von Galac-Tech eingefügt. Die Waffe wird konfisziert. Mr. Graf wird auch einen offiziellen Verweis bekommen, aber sofort zu seinem Dienst zurückkehren, da es niemanden gibt, der ihn darin ersetzen kann.«

»Aber man hat mich reingelegt«, beschwerte sich Bannerji.

»Aber ich bin völlig unschuldig!«, schrie Leo. »Das ist eine Lüge — ein paranoides Hirngespinst …«

»Sie können Graf nicht jetzt zum Habitat zurückschicken«, kreischte Van Atta. »Als nächstes wird er versuchen, sie in einer Gewerkschaft zu organisieren …«

»In Anbetracht der Konsequenzen eines Mißerfolgs des Cay-Projekts«, sagte die Vizepräsidentin kühl, »glaube ich das nicht. Oder, Mr. Graf?«

Leo zitterte. »Wie?«

Sie seufzte unbefriedigt. »Danke. Diese Untersuchung ist damit abgeschlossen. Weitere Beschwerden oder Einsprüche können an die Zentrale von Galac-Tech auf der Erde gerichtet werden.« Falls Sie es wagen, fügten ihre hochgezogenen Augenbrauen hinzu. Selbst Van Atta war vernünftig genug, den Mund zu halten.

Auf dem Rückflug war die Stimmung im Shuttle gespannt, um es milde auszudrücken. Begleitet von einer Krankenschwester aus dem Habitat, die drei Tage früher aus ihrem Planetenurlaub zum Dienst zurückbeordert worden war, saß Ciaire zusammengekauert hinten und hielt Andy umklammert. Leo und Van Atta saßen so weit von einander entfernt, wie es der begrenzte Raum erlaubte.

Van Atta sprach einmal Leo an. »Ich habe es Ihnen gesagt.«

»Sie hatten recht«, erwiderte Leo hölzern. Van Atta fühlte sich wie gestreichelt und begann vor Selbstgefälligkeit fast zu schnurren. Leo hätte ihn lieber mit der Rohrzange gestreichelt.

Könnte Van Atta nicht auch Recht haben? War sein brisantes Drängen auf sofortige Ergebnisse ein Zeichen seiner Besorgnis für das Wohlergehen der Quaddies, oder gar für ihr Überleben? Nein, entschied Leo mit einem Seufzen. Das einzige Wohlergehen, das Bruce beschäftigte, war sein eigenes.

Leo ließ den Kopf auf der gepolsterten Kopfstütze ruhen und starrte zum Fenster hinaus, während die Beschleunigung des Starts ihn in seinen Sitz drückte. Für irgendetwas tief in seinem Innern war ein Flug mit dem Shuttle immer noch ein bißchen Nervenkitzel, selbst nach den zahllosen Reisen, die er schon hinter sich gebracht hatte. Es gab Leute — Milliarden, die große Mehrheit —, die nie in ihrem Leben ihren Heimatplaneten verlassen hatten. Er war einer der wenigen Glücklichen.

Ein Glück, daß er diesen Job hatte. Glück in den Ergebnissen, die er im Laufe der Jahre erreicht hatte. Die ausgedehnte Morita-Deep-Space-Transferstation war vermutlich die Krönung seiner Karriere gewesen, wahrscheinlich das größte Projekt, an dem er je gearbeitet hatte. Er hatte ihren Standort zuerst gesehen, als da noch ein leeres, eisiges Vakuum gewesen war, so leer, wie nur das Nichts sein konnte. Erst im letzten Jahr war er wieder dort durchgekommen, als er von einem Schiff von Ylla auf ein Schiff zur Erde umstieg. Morita hatte gut ausgesehen, wirklich gut, voller Leben, und seine Einrichtungen wurden sogar schon erweitert, einige Jahre früher als alle erwartet hatten. Eine reibungslose Erweiterung; die Pläne dafür waren schon im Originalentwurf vorgesehen gewesen. Übertrieben ehrgeizig hatte man es damals genannt. Jetzt nannte man es weitsichtig.

Und es hatte auch andere Projekte gegeben. Vom einen Ende des Wurmlochsystems bis zum anderen fanden tagtäglich zahllose Unfälle wegen Versagens der Konstruktion nicht statt, weil er und die Leute, die er ausgebildet hatte, ihre Arbeit gut gemacht hatten. Die Arbeit einer sorgenvollen Woche, die frühe Entdeckung der sich ausbreitenden Haarrisse in der Reaktorkühlanlage der großen orbitalen Fabrik von Beni Ra hatte vielleicht dreitausend Menschenleben gerettet. Wie viele Chirurgen konnten für sich in Anspruch nehmen, dreitausend Menschenleben in zehn Jahren ihrer Berufsausübung gerettet zu haben? Während jener denkwürdigen Inspektionsreise hatte er das ein Jahr lang jeden Monat getan. Unsichtbar, unbesungen; Katastrophen, die nie geschehen, erzeugen normalerweise keine Schlagzeilen. Aber er wußte es, und die Männer und Frauen, die Seite an Seite mit ihm arbeiteten, wußten es, und das war genug.

Er bedauerte, daß er Bruce geschlagen hatte. Der Augenblick heißer Freude war es sicher nicht wert gewesen, seinen Job dafür zu riskieren. Die in achtzehn Jahren angesammelten Pensionszuwendungen, die Aktienoptionen, ja vielleicht das Dienstalter — da er keine Familie zu unterhalten harte, gehörten sie ihm ganz allein und er konnte sie in den Wind schießen, wenn er wollte. Aber wer würde sich um das nächste Beni Ra kümmern? Wenn sie zum Habitat zurückgekehrt waren, würde er kooperieren. Sich artig bei Bruce entschuldigen. Seine Schulungsbemühungen verdoppeln, seine Sorgfalt erhöhen. Sich auf die Zunge beißen, nur dann reden, wenn er angesprochen wurde. Höflich zu Dr. Yei sein. Zum Teufel, sogar tun, was sie ihm sagte. Alles andere war inakzeptabel riskant. Da oben im Habitat befanden sich tausend Kinder. So viele, so verschiedene — so junge. Allein hundert Fünfjährige und hundertundzwanzig Sechsjährige, die in den Krippenmodulen wimmelten und in ihrem gravitationslosen Turnraum spielten. Ein einzelner Mensch konnte auf keinen Fall die Verantwortung übernehmen, das Leben all dieser Kinder wegen einer unsicheren Sache aufs Spiel zu setzen. Das würde alles zerstören. Es wäre unmöglich. Kriminell. Wahnsinnig. Eine Revolte — wohin konnte sie führen? Niemand war imstande, alle Konsequenzen vorherzusehen. Leo konnte nicht einmal um die nächste Ecke herumsehen. Niemand konnte es. Niemand.

Sie dockten am Habitat an. Van Atta scheuchte Ciaire und Andy und die Krankenschwester vor sich durch die Luke, während Leo langsam seine Sitzgurte löste.

»O nein«, hörte Leo Van Atta sagen. »Die Schwester wird Andy zur Krippe nehmen. Du wirst wieder in deinen alten Schlafsaal zurückkehren. Das Baby mit nach unten zu nehmen war kriminell unverantwortlich. Es ist klar, daß du völlig ungeeignet bist, für es zu sorgen. Du siehst es nie wieder. Und ich kann dir garantieren, du wirst auch von der Fortpflanzungsliste gestrichen.«