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»Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich das Mr. Van Atta antun könnte«, sagte Silver langsam. »Haben Sie je eine schlimme Verbrennung gesehen, Leo?«

»Ja.«

»Ich auch.«

Eine kleine Weile herrschte Schweigen. »Wir können unsere Lehrer nicht bluffen«, sagte Silver schließlich. »Alles, was Mama Nilla tun müßte, wäre nur mit ihrer Stimme zu sagen: ›Gib mir jetzt das Ding rüber, Siggi!‹ — und er würde es tun. Das ist — das ist kein cleveres Szenario, Leo.«

Leo ballte wütend die Fäuste. »Aber wir müssen die Planetarier aus dem Habitat entfernen, sonst kann nichts anderes vorangehen! Wenn wir das nicht schaffen, dann werden sie es einfach wieder übernehmen, und ihr wäret dann schlimmer dran als zuvor.«

»Schon gut, schon gut! Wir müssen sie loswerden. Aber das ist nicht die richtige Methode.« Sie zögerte und schaute ihn mißtrauischer an. »Könnten Sie Mama Nilla erschießen? Glauben Sie wirklich, Pramod — zum Beispiel — könnte auf Sie schießen?«

Leo seufzte. »Wahrscheinlich nicht. Nicht kaltblütig. Selbst Soldaten in einer Schlacht müssen in einen besonderen Zustand geistiger Erregung versetzt werden, um auf völlig fremde Menschen zu schießen.«

Silver sah erleichtert aus. »In Ordnung, was wäre also sonst noch zu tun? Wenn wir mal davon ausgehen, daß wir das Habitat übernehmen könnten.«

»Die Rekonfigurierung des Habitats kann mit Werkzeugen und Ersatzteilen ausgeführt werden, die schon an Bord sind, obwohl alles sorgfältig rationiert werden muß. Das Habitat muß während dieses Prozesses gegen alle Versuche von Galac-Tech, es wiederzuerobern, verteidigt werden. Die Hochenergiedichte-Elektronenstrahlschweißbrenner könnten ziemlich wirksam Shuttles entmutigen, die versuchen, bei uns anzukoppeln — falls jemand dazu gebracht werden könnte, sie abzufeuern«, fügte er trocken hinzu. »Glücklicherweise verfügt die Firma über keine gepanzerten Angriffsschiffe. Eine echte Militärstreitkraft würde mit dieser kleinen Revolution nämlich kurzen Prozeß machen, weißt du.« Seine Phantasie malte ihm die Details aus, und sein Magen krampfte sich unbehaglich zusammen. »Unsere einzige echte Verteidigung besteht darin, daß wir weg sind, bevor Galac-Tech ein Kampfschiff herbringen kann. Dazu brauchen wir einen Sprungpiloten.«

Er musterte sie erneut. »Hier kommst du ins Spiel, Silver. Ich kenne einen Piloten, der sehr bald durch die Transferstation hinausreisen wird und der leichter zu entführen sein dürfte als die meisten anderen. Besonders wenn du bereit wärest, deine persönliche Überredungsgabe einzusetzen.«

»Ti.«

»Ja, Ti«, bestätigte er.

Sie blickte unsicher drein. »Vielleicht.«

Leo kämpfte eine weitere, stärkere Welle von Unbehagen nieder. Ti und Silver hatten eine Beziehung, die aus der Zeit vor seiner Ankunft stammte. Er betätigte sich also nicht gerade als Kuppler. Die Logik diktierte sein Vorgehen. Plötzlich wurde ihm bewußt: was er wirklich wollte, war, sie so weit wie möglich von dem Sprungpiloten fernzuhalten. Und was tun? Sie für dich selbst behalten? Mach dich nicht lächerlich. Du bist zu alt fiir sie. Ti war wie alt — fünfundzwanzig, vielleicht? Vielleicht heftig eifersüchtig, nach allem, was Leo wußte. Sie mußte Ti den Vorzug geben. Leo versuchte tugendsam, sich alt zu fühlen. Es war nicht schwer; die meisten Quaddies ließen ihn sich sowieso etwa achtzig Jahre alt fühlen. Er zwang seine Gedanken zurück zur eigentlichen Aufgabe.

»Das dritte, was anfangs getan werden muß«, Leo überdachte seine Formulierung noch einmal und kam unglücklich zu dem Schluß, daß sie allzu akkurat war, »ist, ein Frachtsprungschiff festzuhalten. Wenn wir warten, bis wir das Habitat beschleunigen für den ganzen Weg hinaus zum Wurmloch, dann hat Galac-Tech Zeit, sich etwas auszudenken, wie sie die Sprungschiffe verteidigen können. Wie zum Beispiel sie alle auf die Seite von Orient IV springen zu lassen und uns dann eine lange Nase zu machen, bis wir gezwungen sind, uns zu ergeben. Das bedeutet« — er erwog den nächsten logischen Schritt mit etwas Bestürzung — »wir müssen ein Kommando zum Wurmloch schicken, um ein Sprungschiff zu entführen. Und ich kann nicht mitgehen und gleichzeitig hier bleiben, um das Habitat zu verteidigen und zu rekonfigurieren … es muß eine Truppe von Quaddies sein. Ich weiß nicht …« — Leo wurde unsicher — »vielleicht ist das alles in allem doch keine so großartige Idee.« »Schicken Sie Ti mit ihnen mit«, schlug Silver vernünftigerweise vor. »Er weiß mehr über die Frachtsprungschiffe als alle von uns.«

»Mm«, sagte Leo und geriet wieder in eine optimistische Stimmung. Wenn er den geringen Aussichten für den Erfolg seiner Eskapade zuviel Aufmerksamkeit schenkte, dann konnte er die Sache genauso gut gleich aufgeben und den Kampf vermeiden. Zum Teufel mit den geringen Aussichten. Er würde an Ti glauben. Falls notwendig, würde er an Elfen glauben, an Engel und an die Zahnpastafee.

»Das macht die … hm … Bestechung von Ti zu Schritt eins im Flußdiagramm«, überlegte Leo laut. »Von dem Augenblick an, wo man sein Fehlen bemerkt, sind wir aus der Deckung draußen und rennen gegen die Uhr. Das bedeutet, daß die ganze Vorausplanung für die Verlegung des Habitats besser — im Voraus erfolgt. Und — oh. Du meine Güte!« Leos Augen leuchteten auf.

»Was?« »Ich hatte gerade eine brillante Idee, wie wir uns einen Vorsprung verschaffen können …«

Leo stimmte den Zeitpunkt seines Eintritts sorgfältig ab, indem er wartete, bis sich Van Atta nahezu die ersten zwei Stunden der Schicht in seinem Büro im Habitat verkrochen hatte. Jetzt würde der Projektleiter allmählich an seine Kaffeepause denken und jenen Grad von Frustration erreichen, der immer die Folge der ersten Beschäftigung mit einem neuen Problem war, in diesem Fall mit der Zerlegung des Habitats. Leo konnte sich den verworrenen Zustand von Van Attas Planung lebhaft vorstellen; er selbst hatte ihn etwa acht Stunden zuvor durchgemacht, als er, eingeschlossen in seinem Quartier, an seiner Computerkonsole ein Brainstorming veranstaltete, nachdem er seine Programme für Schnüffler unzugänglich gemacht hatte. Der militärische Sicherheitscode, der ihm von dem Projekt Argus-Kreuzer geblieben war, wirkte Wunder. Leo war sich ganz sicher, daß niemand im Habitat, nicht einmal Van Atta und gewiß nicht Yei, über einen höheren Zugriffsschlüssel verfügte. Van Atta blickte mit gerunzelter Stirn von seinem Durcheinander aus Datenausdrucken auf, während sein Computer-Vid auf mehreren Schirmen bunt szintillierend verschiedene Baupläne des Habitats wiedergab. »Was ist jetzt schon wieder, Leo? Ich bin beschäftigt. Wer kann, der tut; wer nicht kann, der lehrt.«

Und wer nicht lehren kann, vollendete Leo insgeheim den Satz, der geht in die Verwaltung. Er behielt sein übliches höfliches Lächeln bei; kein unvorsichtiges Funkeln in den Augen verriet seinen bissigen Gedanken. »Ich habe nachgedacht«, säuselte er. »Ich würde mich gern freiwillig melden für die Zerlegung des Habitats.«

»Würden Sie?« Van Atta hob erstaunt seine Augenbrauen und senkte sie dann wieder mißtrauisch. »Warum?«

Van Atta würde wohl kaum glauben, daß dieses Angebot reiner Herzensgüte entstammte. Leo war darauf vorbereitet. »Weil Sie wieder recht hatten, so ungern ich das zugebe. Ich habe darüber nachgedacht, was ich wohl von diesem Auftrag mitnehme. Wenn ich die Reisezeit einrechne, dann habe ich vier Monate meines Lebens drangegeben — mehr noch, bis das hier vorbei ist —, und ich habe nichts dafür vorzuweisen außer ein paar Minuspunkten in meiner Personalakte.« »Da sind Sie selbst dran schuld.« Van Atta, an den Vorfall erinnert, rieb sich das Kinn, wo der blaue Fleck in einen grünen Schatten überging, und blickte Leo finster an.