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»Paß mal auf, Silver«, sagte Zara und ließ einen Lichtgriffel fallen. Er fiel langsam auf den gepolsterten Streifen an der Wand, die jetzt den Boden darstellte, und prallte in einem eleganten Bogen zurück. Zaras untere Hand fing ihn in der Luft auf.

Leo wartete geduldig, während Silver es auch einmal versuchte, dann sagte er: »Los. Wir müssen Ti erwischen.«

»Stimmt.« Silver zog sich mit den oberen Händen an ihrer Kopfstütze hoch, schwang ihre unteren Hände aus dem Sitz und zögerte. Leo schüttelte seine grauen Trainingshosen aus, die er zu diesem Zweck mitgebracht hatte, und half ihr behutsam, sie über ihre unteren Arme bis zu ihrer Taille hochzuziehen. Sie winkte mit ihren unteren Händen, und die Enden der Hosenbeine flatterten hin und her. Sie machte eine Grimasse, denn die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch die Stoffröhren war ungewohnt.

»In Ordnung, Silver«, sagte Leo, »jetzt die Schuhe, die du dir von dem Mädchen ausgeborgt hast, das die Hydrokultur leitet.«

»Ich habe sie Zara gegeben, damit sie sie verstaut.«

»O je«, sagte Zara. Eine ihrer oberen Hände fuhr zu den Lippen.

»Was?«

»Ich habe sie in der Andockbucht gelassen.«

»Zara!«

»Es tut mir leid …«

Silver stieß den Atem aus. »Vielleicht Ihre Schuhe, Leo«, schlug sie vor.

»Ich weiß nicht …« Leo zog seine Schuhe aus, und mit Zaras Hilfe schlüpften Silvers untere Hände in die Schuhe.

»Wie sehen sie aus?«, fragte Silver ängstlich.

Zara zog die Nase kraus. »Sie sehen ein bißchen groß aus.«

Leo drehte sich um und sah ihre Spiegelung in dem verdunkelten Fenster. Silvers Hände sahen in den Schuhen absurd aus. Leo schaute auf seine Füße, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Sahen sie an ihm auch so absurd aus? Seine Socken erschienen ihm plötzlich wie riesige weiße Würmer. Füße waren verrückte Anhängsel. »Vergiß die Schuhe. Gib sie mir wieder. Es genügt, wenn die Hosenbeine deine Hände verdecken.«

»Was ist, wenn jemand fragt, was mit meinen Füßen passiert ist?«, fragte Silver besorgt. »Sie sind amputiert worden«, schlug Leo vor, »nach schrecklichen Erfrierungen, die du dir bei deinem Urlaub in der Antarktis zugezogen hast.«

»Ist das nicht auf der Erde? Was ist, wenn man anfängt, mir über die Erde Fragen zu stellen?«

»Dann werde ich — werde ich den Betreffenden wegen seiner Unhöflichkeit zur Schnecke machen. Aber die meisten Leute sind ziemlich gehemmt, solche Fragen zu stellen. Wir können immer noch die ursprüngliche Geschichte erzählen, daß dein Rollstuhl auf der Reise verlorengegangen sei und daß wir unterwegs sind, um ihn wiederzuholen. Das wird man glauben. Los!« Leo wandte ihr den Rücken zu. »Alles aufsteigen!« Sie schlang ihre oberen Arme um seinen Hals, klammerte sich mit den unteren um seine Taille und vertraute ihm vorsichtig ihr neu gefundenes Gewicht an. Ihr Atem war warm und kitzelte sein Ohr.

Sie schlüpften durch das Verbindungsrohr und betraten die Transferstation. Leo ging auf das Aufzugsrohr zu, das entlang der Speiche bis zu dem Rand verlief, wo sich die Ruheräume für Durchreisende befanden.

Leo wartete auf einen leeren Aufzug. Aber er hielt wieder an, und andere Leute kamen herein. Leo wurde kurz von der Befürchtung gepackt, daß Silver vielleicht ein freundliches Gespräch mit jemandem anfing — er hätte ihr ausdrücklich sagen sollen, sie solle nicht mit Fremden sprechen —, aber sie blieb scheu und reserviert. Einige Leute von der Transferstation starrten sie unbehaglicherweise verstohlen an, aber Leo blickte kühl an die Wand, und niemand versuchte, das Schweigen zu brechen.

Leo schwankte, als er den Aufzug am Außenrand verließ, wo die Gravitation maximiert war. Obwohl er es kaum zugeben wollte, hatte die Dekonditionierung von drei Monaten in der Schwerelosigkeit doch ihre unvermeidlichen Effekte gehabt. Aber bei 0,5 Ge brachte nicht einmal Silvers Gewicht ihrer beider Gesamtgewicht auf seine Erdennorm, sagte sich Leo eisern. Er schlurfte so schnell wie möglich aus dem belebten Vorraum weg.

Leo klopfte an die numerierte Schlafraumtür. Sie öffnete sich. Eine männliche Stimme fragte: »Ja, was ist?« Sie hatten den Sprungpiloten gefunden. Leo setzte ein einladendes Lächeln auf und sie traten ein.

Ti lag aufgestützt auf dem Bett, in dunklen Hosen, T-Shirt und Socken, und hatte einen Handprojektor in der Hand. Er blickte leicht irritiert auf Leo, den er nicht kannte, dann machte er große Augen, als er Silver sah. Leo setzte Silver so unzeremoniös wie eine Katze am Fußende des Bettes ab, ließ sich auf den einzigen Stuhl fallen, den es in dem Raum gab, und hielt den Atem an. »Ti Gulik. Ich muß mit Ihnen reden.«

Ti war zum Kopfende des Bettes zurückgewichen und hatte die Knie hochgezogen. Der Handprojektor lag an der Seite und war vergessen. »Silver! Was, um alles in der Welt, tust du hier? Wer ist dieser Kerl?« Er wies mit dem Daumen auf Leo. »Das ist Leo Graf, Tonys Lehrer in der Schweißtechnik«, antwortete Silver. Versuchsweise rollte sie sich auf den Bauch und stützte sich mit ihren oberen Händen auf. »Ein seltsames Gefühl.« Sie hob die oberen Hände und balancierte. Leo kam sie vor wie ein Seehund auf einem Dreifuß, der von ihren unteren Armen gebildet wurde. »Huch.« Sie stützte sich wieder mit den oberen Händen auf dem Bett auf und nahm eine hundeähnliche Stellung ein. Ihr feines Haar lag ganz flach; die Schwerkraft hatte ihr all ihre Grazie genommen. Es gab keinen Zweifeclass="underline" Quaddies gehörten in die Schwerelosigkeit.

»Wir brauchen Ihre Hilfe, Leutnant Gulik«, begann Leo, sobald er konnte. »Verzweifelt.«

»Wer ist wir?«, fragte Ti mißtrauisch.

»Die Quaddies.« »Ha«, sagte Ti düster. »Also, erstens möchte ich darauf hinweisen, daß ich nicht mehr Leutnant Gulik bin. Ich bin bloß Ti Gulik, arbeitslos und wahrscheinlich ohne Aussicht auf Arbeit. Dank der Quaddies. Oder zumindest dank einer Quaddie.« Er blickte finster auf Silver.

»Ich habe ihnen gesagt, daß es nicht deine Schuld war«, sagte Silver. »Sie wollten nicht auf mich hören.«

»Du hättest wenigstens für mich einspringen können«, sagte Ti verdrießlich. »Du schuldest mir soviel.«

Nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war es genauso, als hätte er sie geschlagen. »Halten Sie sich mal zurück, Gulik«, knurrte Leo. »Silver wurde unter Drogen gesetzt und gefoltert, damit man ihr das Geständnis entlocken konnte. Mir scheint, wenn hier jemand einem etwas schuldet, dann ist es andersherum.«

Ti wurde rot im Gesicht. Leo verkniff sich weitere ungehaltene Bemerkungen. Sie konnten es sich nicht leisten, den Sprungpiloten zu vergraulen; sie brauchten ihn viel zu sehr. Außerdem war dies nicht das Gespräch, auf das Leo sich vorbereitet hatte. Ti sollte Silvers Blumenaugen zuliebe durch den Reifen springen — sicherlich mußte er auf einen Appell zu ihren Gunsten reagieren. Wenn der junge Flegel sie nicht zu schätzen wußte, dann verdiente er es nicht, sie zu haben — Leo zwang seine Gedanken wieder zu der Sache zurück, um die es ging.

»Haben Sie schon von dieser neuen Schwerkraftfeldtechnologie gehört?«, begann Leo erneut.

»Ein bißchen«, gab Ti vorsichtig zu.

»Nun, sie hat das Cay-Projekt gekillt. Galac-Tech steigt aus der Quaddie-Sache aus.«

»Was? Na ja, das macht Sinn.«

Leo wartete einen Herzschlag lang auf die logisch nächste Frage, aber sie kam nicht. Ti war kein Idiot, folglich hielt er sich absichtlich zurück. Leo machte unnachgiebig weiter: »Man plant, die Quaddies auf Rodeo hinunter zu verfrachten, in eine verlassene Arbeiterkaserne …« Er wiederholte das Szenario, das er vor einer Woche Pramod beschrieben hatte, und versuchte, von Tis Miene seine Wirkung abzulesen.