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»Ja, Dr. Minchenko, danke«, sagte Leo prompt, der — soweit Ciaire wußte — in all diesen Tagen überhaupt keine Zeit im Turnraum verbracht hatte. »Wo ist Tony? Können wir Ihnen helfen, ihn zur Krankenstation zu bringen?«

»Ah«, er schaute Ciaire eingehender an. »Ich verstehe. Tony ist nicht dabei, meine Liebe, er ist noch im Krankenhaus auf dem Planeten.«

Ciaire unterdrückte einen Laut des Erschreckens. »O nein — geht es ihm schlechter?« »Überhaupt nicht. Ich hatte durchaus die Absicht, ihn mitzubringen. Meiner Meinung nach braucht er die Schwerelosigkeit, um seine Genesung zu vollenden. Das Problem ist administrativer, nicht medizinischer Art. Und ich bin jetzt direkt unterwegs, um es zu lösen.«

»Hat Bruce angeordnet, daß Tony unten bleibt?«, fragte Leo.

»Ja, so ist es.« Dr. Minchenko blickte Leo finster an. »Und es gefällt mir auch in diesem Fall ganz und gar nicht, daß man sich in meine medizinische Verantwortung einmischt. Er sollte lieber eine außerordentlich überzeugende Erklärung parat haben. Daryl Cay hätte ein solches Durcheinander nicht zugelassen.«

»Sie … hm … haben also von den neuen Anordnungen noch nichts gehört?«, sagte Leo vorsichtig und warf Ciaire einen warnenden Blick zu — pst …

»Welche neuen Anordnungen? Ich bin unterwegs, um mit dem kleinen Fiesling — das heißt, mit dem Mann zu reden. Um dieser Sache auf den Grund zu gehen …« Er wandte sich Ciaire zu und wechselte in einen freundlicheren Ton über. »Das wird schon gut, wir renken alles ein. Tonys innere Blutungen haben aufgehört, und es gibt keine weiteren Anzeichen für eine Infektion. Ihr Quaddies seid zäh. Ihr bewahrt eure Gesundheit viel besser unter Schwerkraft als wir Planetarier in der Schwerelosigkeit. Nun ja, wir haben euch explizit so entworfen, daß ihr keiner Dekonditionierung unterliegt. Ich könnte mir nur wünschen, daß das Experiment, wodurch das bestätigt wurde, nicht unter so bedrückenden Umständen stattgefunden hätte. Natürlich«, er seufzte, »die Jugend hat auch etwas damit zu tun … Da ich von der Jugend spreche, wie geht es dem kleinen Andy? Läßt er dich jetzt besser schlafen?«

Ciaire brach fast in Tränen aus. »Ich weiß es nicht«, piepste sie und schluckte heftig.

»Was?«

»Ich darf ihn nicht sehen.«

»Was?«

Leo, der distanziert seine Fingernägel studierte, warf ein: »Andy wurde Ciaire weggenommen. Wegen Gefährdung des Kindes oder sowas. Hat Bruce Ihnen das auch nicht gesagt?«

Dr. Minchenkos Gesicht lief dunkelrot an. »Weggenommen? Von einer stillenden Mutter — das ist widerlich!« Sein Blick suchte Ciaire.

»Man hat mir ein Medikament gegeben, um meine Laktation zu beenden«, erklärte Ciaire. »Also, das ist ja …« Diese Erklärung hatte ihn nur wenig besänftigt. »Wer hat das getan?«

»Dr. Curry.«

»Er hat es mir nicht gemeldet.«

»Sie waren im Urlaub.« »›Im Urlaub‹ heißt doch nicht ›von der Außenwelt abgeschnitten‹. Sie, Graf! Spucken Sie es aus. Was, zum Teufel, ist hier los? Hat diese Taschenausgabe von einem Leuteschinder völlig den Verstand verloren?«

»Sie haben es also wirklich noch nicht gehört. Nun, dann sollten Sie lieber Bruce fragen. Ich habe die direkte Weisung bekommen, nicht darüber zu reden.«

Minchenko durchbohrte Leo mit einem Blick. »Das werde ich tun.« Er stieß sich ab und schwebte in den Korridor, wobei er leise vor sich hinmurmelte.

Ciaire und Leo blieben zurück und blickten sich erschrocken an.

»Wie bekommen wir jetzt Tony wieder her?« schrie Ciaire. »Es sind weniger als vierundzwanzig Stunden bis zu Silvers Signal!«

»Ich weiß es nicht — aber gib jetzt nicht auf! Denk an Andy. Er braucht dich.«

»Ich gebe nicht auf«, sagte Ciaire. Sie holte tief Luft. »Nie wieder. Was können wir tun?«

»Nun, ich werde sehen, welche Drähte ich ziehen kann, um Tony herauszuholen — Bruce etwas vorquatschen, ihm sagen, daß ich Tony brauche, damit er seine Schweißergruppe leitet oder sowas — ich bin mir noch nicht sicher. Vielleicht können Minchenko und ich zusammen etwas bewirken, obwohl ich nicht das Risiko eingehen möchte, Minchenkos Verdacht zu wecken. Wenn ich das nicht kann«, Leo holte bedachtsam Atem, »müssen wir etwas anderes ausarbeiten.«

»Lügen Sie mich nicht an, Leo«, sagte Ciaire drohend.

»Zieh keine voreiligen Schlüsse. Ja, ich weiß — und du weißt es auch —, es besteht die Möglichkeit, daß wir ihn nicht zurückholen können, na schön, ich hab’s gesagt, ganz offen und laut. Aber nimm bitte zur Kenntnis, daß alle anderen Szenarios davon abhängen, daß Ti für uns ein Shuttle steuert, und damit müssen wir warten, bis wir wieder Kontakt mit der Entführermannschaft haben. Zu dem Zeitpunkt werden wir ein Sprungschiff gekapert haben, und dann werde ich anfangen zu glauben, daß alles möglich ist.« Seine Augenbrauen zuckten vor Anspannung. »Und wenn es möglich ist, dann werden wir es versuchen. Das verspreche ich.« Sie wurde zunehmend kühler und preßte ihre Lippen aufeinander, damit sie nicht zitterten. »Sie können nicht nur um eines Einzigen willen alle aufs Spiel setzen. Das ist nicht recht.«

»Nun … es gibt tausend Dinge, die zwischen jetzt und dem — Punkt ohne Umkehr für Tony schiefgehen können. Das Problem kann sich als völlig theoretisch erweisen. Ich weiß, wenn wir jetzt unsere Energie auf tausend Was-ist-wenn aufspalten, anstatt sie auf den einen sicheren nächsten Schritt zu konzentrieren, dann ist das eine Art Selbstsabotage. Nicht das, was wir nächste Woche tun, zählt jetzt am meisten, sondern, was wir als nächstes tun. Was müssen wir als nächstes tun?«

Ciaire schluckte und versuchte, sich zusammenzureißen. »Wieder an die Arbeit gehen … so tun, als passierte nichts. Die geheime Inventur aller möglichen Samenvorräte fortführen. Ach, den Plan fertigstellen, wie wir die Wachstumslichter aufhängen, um die Pflanzen am Wachsen zu halten, während das Habitat von der Sonne entfernt wird. Und sobald das Habitat uns gehört, mit den neuen Setzlingen beginnen und die Reserve-Pflanzrohre aktivieren, damit wir anfangen, zusätzliche Nahrungsvorräte für Notfälle anzulegen. Und die Kryo-Lagerung von Exemplaren jeder genetischen Varietät einrichten, die wir an Bord haben, damit wir im Falle einer Katastrophe neu pflanzen können …«

»Das ist genug!« Leo lächelte ermutigend. »Nur den nächsten Schritt! Und du weißt, daß du das tun kannst.«

Sie nickte.

»Wir brauchen dich, Ciaire«, fügte er hinzu. »Wir alle, nicht nur Andy. Lebensmittelproduktion ist eine der Grundlagen unseres Überlebens. Wir brauchen die Hände aller Experten. Und du wirst anfangen müssen, Jüngere auszubilden und diese Fertigkeiten weiterzugeben, die die Bibliothek nicht erfassen kann, egal wie fachlich vollständig sie ist.«

»Ich werde nicht aufgeben«, wiederholte Ciaire und antwortete damit auf den Unterton seiner Rede, nicht auf die einzelnen Worte. »Du hast mir kürzlich einen Schreck eingejagt, da in der Luftschleuse«, entschuldigte er sich verlegen.

»Ich habe mir selbst einen Schreck eingejagt«, gestand sie.

»Du hattest ein Recht, wütend zu sein. Aber denk daran, das wahre Ziel deiner Wut ist nicht da drin …«, er berührte flüchtig ihr Schlüsselbein, oberhalb des Herzens. »Es ist dort draußen.«

Also hatte er erkannt, daß es Wut gewesen war, blockierte und nach innen gerichtete Wut, und nicht Verzweiflung, was sie an jenem Tag in die Luftschleuse gebracht hatte. In gewisser Hinsicht war es eine Erleichterung, ihrer Emotion die richtige Bezeichnung zu geben. In anderer Hinsicht war es keine Erleichterung.

»Leo … auch das macht mir Angst.«

Er lächelte spöttisch. »Willkommen im Club der Menschen.«

»Der nächste Schritt«, murmelte sie. »Richtig. Der nächste Griff.« Sie winkte Leo zu und schwang sich in den Korridor.