Выбрать главу

»Wir bitten nicht um Hilfe. Die Quaddies retten sich selbst.«

»Wie?« Minchenkos Ton war spöttisch, seine Augen jedoch begannen zu leuchten.

»Mit dem Habitat durchs Wurmloch. Und dann weiter.«

Sogar Minchenko war einen Augenblick sprachlos. »Oh …«

Leo zog sich den roten Overall vollends an und griff nach dem Werkzeug, das er haben wollte. Mit der Laserlötpistole deutete er entschlossen auf Minchenkos Zwerchfell. Hierbei schien es sich nicht um eine Aufgabe zu handeln, die er ohne Gefahr an die Quaddies delegieren konnte. »Und Sie«, sagte er, »können sich in dem Rettungspod mit den übrigen Planetariern zur Transferstation begeben. Los, gehen wir.«

Minchenko würdigte die Lötpistole kaum eines Blickes. Er schürzte die Lippen voller Verachtung für die Waffe und, so empfand es Leo, für den, der sie hielt. »Benehmen Sie sich nicht idiotischer als unvermeidlich, Graf. Ich weiß, daß die Quaddies diesen Schwachkopf Curry reingelegt haben, und daß somit mindestens noch fünfzehn schwangere Quaddiemädchen dort draußen sind. Dabei sind die Ergebnisse nicht autorisierter Experimente noch nicht mitgezählt, die signifikant werden dürften, wenn ich danach gehe, wie schnell sich diese Schachtel mit Kondomen in der unverschlossenen Schublade in meinem Büro leert.« Kara zuckte bestürzt und schuldbewußt zusammen, und Minchenko fügte leise zu ihr gesprochen hinzu: »Was meinst du, warum habe ich dich wohl auf diese Schachtel aufmerksam gemacht, meine Liebe? Sei dem, wie ihm wolle, Graf«, er fixierte Leo mit einem strengen Blick, »wenn Sie mich rausschmeißen, was planen Sie dann zu tun, falls eine bei den Wehen eine Placenta praevia bekommt? Oder einen Gebärmuttervorfall post partum? Oder wenn ein anderer medizinischer Notfall auftritt, der mehr erfordert als nur ein Heftpflaster?« »Nun … aber …« Leo war verblüfft. Er war sich nicht ganz sicher, was eine Placenta praevia war, aber irgendwie glaubte er nicht, daß es nur um medizinisches Kauderwelsch für einen Niednagel handelte. Nicht, daß eine präzise Erklärung des Begriffes etwas dazu beigetragen hätte, die unheilvolle Beklemmung aufzulösen, die er in ihm hervorrief. War es etwas, das wahrscheinlich auftreten konnte, wenn man die Veränderungen in der Anatomie der Quaddies in Betracht zog? »Es gibt keine Wahl. Hierzubleiben bedeutet den Tod für jeden Quaddie. Wegzugehen bedeutet eine Chance — nicht eine Garantie — auf Leben.«

»Aber Sie brauchen mich«, argumentierte Minchenko.

»Sie müssen … was?« Leos Zunge verhaspelte sich.

»Sie brauchen mich. Sie können mich nicht rausschmeißen.« Minchenkos Blick streifte einen Sekundenbruchteil lang die Lötpistole. »Nun na ja«, würgte Leo hervor, »ich kann Sie auch nicht kidnappen.«

»Wer verlangt das von Ihnen?«

»Sie, offensichtlich …« Er räusperte sich. »Sehen Sie, ich glaube, Sie verstehen mich nicht. Ich nehme dieses Habitat über das Wurmloch hinaus, und wir kommen nicht zurück, nie mehr. Wir gehen so weit weg, wie wir können, jenseits aller bewohnten Welten. Das ist eine Reise ohne Wiederkehr.«

»Ich bin erleichtert. Am Anfang hatte ich gedacht, Sie würden etwas Törichtes versuchen.«

Leo fühlte einen Widerstreit der Emotionen, eine Mischung aus Mißtrauen, Eifersucht? — und einer schnell wachsenden Hoffnung. Was für eine Erleichterung würde es bedeuten, wenn er nicht alles allein machen mußte … »Sind Sie sich sicher?«

»Sie sind meine Quaddies …« Minchenko ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. »Daryls und meine. Ich glaube, Sie verstehen nicht einmal zur Hälfte, welche Arbeit wir da geleistet haben. Was für eine gute Arbeit, indem wir diese Leute entwickelt haben. Sie sind bestens an ihre Umgebung angepaßt. In jeder Weise überlegen. Die Arbeit von fünfunddreißig Jahren — soll ich zulassen, daß ein völlig Fremder sie durch die ganze Galaxis fortschleppt, einem unbekannten Schicksal entgegen? Außerdem hatte Galac-Tech vor, mich nächstes Jahr in Ruhestand zu schikken.«

»Sie werden Ihre Pension verlieren«, betonte Leo. »Vielleicht Ihre Freiheit — möglicherweise Ihr Leben.«

Minchenko schnaubte. »Davon ist nicht mehr viel übrig.«

Das stimmt nicht, dachte Leo. Der Biowissenschaftler besaß ein enormes Leben, angesammelt in einem dreiviertel Jahrhundert. Wenn dieser Mann starb, dann würde ein Universum an Spezialwissen ausgelöscht werden. Engel würden weinen über diesen Verlust. Es sei denn … »Könnten Sie Quaddies zu Ärzten ausbilden?«

»Überflüssig zu sagen, daß Sie es nicht können.« Minchenko fuhr sich mit den Händen durch sein kurzgeschorenes weißes Haar, in einer Geste, die teils Wut war, teils Bitte.

Leo blickte sich unter den unruhig wartenden Quaddies um, die mithörten — mithörten, während wieder Menschen mit Beinen über ihr Schicksal entschieden. Das war nicht recht … die Worte schlüpften ihm aus dem Mund, bevor vernünftige Vorsicht sie zurückhalten konnte. »Was meint ihr darüber?«

Sofort erhob sich ein Chor der Zustimmung für Minchenko — und in ihren Augen war auch Erleichterung zu lesen. Minchenkos vertraute Autorität würde für sie offensichtlich eine enorme Beruhigung darstellen, während sie weiter hinaus ins Unbekannte reisten. Leo erinnerte sich plötzlich daran, wie sich das Universum an jenem Tag in einen fremdartigeren Ort verwandelt hatte, als sein Vater gestorben war. Daß wir Erwachsene sind, bedeutet noch nicht automatisch, daß wir euch retten können … Aber das war eine Entdeckung, die jeder Quaddie zu seiner eigenen Zeit würde machen müssen. Er holte tief Luft. »In Ordnung …« Wie konnte man sich plötzlich um hundert Kilos leichter fühlen, wenn man schon schwerelos war? Placenta praevia, du lieber Himmel!

Minchenko reagierte darauf nicht mit sofortigem Wohlgefallen. »Da ist bloß noch eine Sache«, begann er und setzte ein unterwürfiges Lächeln auf, das überhaupt nicht in sein Gesicht paßte.

Worauf ist er jetzt aus? fragte sich Leo, und sein Mißtrauen erwachte wieder. »Was?«

»Madame Minchenko.«

»Wer?«

»Meine Frau. Ich muß sie holen.«

»Ich wußte nicht, daß Sie verheiratet sind. Wo ist sie?«

»Unten. Auf Rodeo.« »Zum Teufel …« Leo unterdrückte den Impuls, sich seine restlichen Haare herauszureißen.

»Tony ist auch dort unten«, erinnerte ihn Pramod, der zugehört hatte.

»Ich weiß, ich weiß — und ich habe es Ciaire versprochen — ich weiß nicht, wie wir das schaffen …«

Minchenko wartete mit gespanntem Gesichtsausdruck — ein Mann, der nicht daran gewöhnt war zu betteln. Nur seine Augen baten stumm. Leo wurde davon angerührt. »Wir werden es versuchen. Wir versuchen es. Mehr kann ich nicht versprechen.«

Minchenko nickte würdevoll.

»Welche Meinung wird Madame Minchenko überhaupt über all das haben?«

»Sie verabscheut Rodeo seit fünfundzwanzig Jahren«, versprach Minchenko — etwas unbekümmert, für Leos Empfinden. »Sie wird froh sein, wegzukommen.« Minchenko sagte nicht: hoffe ich, aber Leo hörte es trotzdem. »In Ordnung. Na ja, wir müssen noch diese Nachzügler zusammentreiben und sie loswerden …« Leo überlegte sehnsüchtig, ob es möglich war, nach einem Beklemmungsanfall schmerzlos tot umzufallen. Er führte seine kleine Truppe aus dem Umkleideraum hinaus.

Von Handgriff zu Handgriff flog Ciaire die sich verzweigenden Korridore entlang. Jetzt hatte sie keine Geduld mehr. Ihr Herz jubilierte vor Erwartung. Die Türen zu dem lärmerfüllten Turnraum waren von Quaddies umlagert, und sie mußte sich zurückhalten, um sich nicht gewaltsam mit den Ellbogen einen Weg durch sie zu bahnen. Eine ihrer alten Kameradinnen vom Schlafsaal, in das rosafarbene T-Shirt und die rosa Shorts des Krippendienstes gekleidet, erkannte sie mit einem Grinsen und streckte eine untere Hand aus, um sie durch die Menge zu ziehen.