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Inzwischen war die Pausenzeit schon halb vorbei. Vielleicht konnte er Dr. Minchenko überreden, etwas für seinen Kopf, in dem es hämmerte, herauszurücken, um die acht Stunden Schlaf zu ersetzen, die er nicht bekommen würde. Leo wählte auf dem Kommunikator seines Anzugs die Frequenz seiner Vorarbeiterin.

»Bobbi, übernimm die Leitung. Ich gehe nach drinnen. Pramod, bring dein Team rein, sobald die letzte Strebe verbolzt ist. Bobbi, stell’ sicher, daß das zweite Modulbündel solide verbunden ist, bevor du alle äußeren Luftschleusen anlegst und anschließt, kapiert?« »Ja, Leo. Bin schon dran.« Vom anderen Ende des Modulbündels winkte Bobbi bestätigend mit einem unteren Arm. Als sich Leo abwandte, löste sich einer der Einmann-Minischieber, der geholfen hatte, das Modulbündel an seinen Platz zu ziehen, und bereitete sich mit einer Drehung darauf vor, sich abzusetzen und bei dem nächsten Bündel zu helfen, das schon auf der anderen Seite des Superjumpers in Stellung gebracht wurde. Eine seiner Steuerdüsen pustete und spie dann, während Leo noch zuschaute, plötzlich einen tiefblauen Strahl aus. Seine Rotation beschleunigte sich.

Das ist unkontrolliert! dachte Leo. Seine Augen weiteten sich. In dem bloßen Augenblick, den er brauchte, um den richtigen Kanal auf dem Kommunikator seines Anzugs aufzurufen, wurde aus der Rotation ein Drall.

Das Minischubschiff düste wild davon und verfehlte um einen knappen Meter eine Kollision mit einem Quaddie in Arbeitsanzug. Während Leo entsetzt zuschaute, prallte es von der Verkleidung einer der Necklinstabarme des Superjumpers ab und taumelte in den Raum hinaus.

Der Kommunikationskanal des Minischiebers gab nur ein wortloses Kreischen wieder. Leo wechselte die Kanäle. »Vatel!«, rief er den Quaddie, der in dem nächsten anderen kleinen Schubschiff saß. »Hinterher!«

Das zweite Schubschiff rotierte und flitzte an ihm vorüber; Leo sah, wie eine von Vatels behandschuhten Händen durch das Weitwinkelfrontfenster des Schubschiffes den Befehl visuell bestätigte. Leo zügelte einen herzzerreißenden Impuls, selbst hinter ihnen herzudüsen. In einem Arbeitsanzug, dessen Energievorrat erschöpft war, konnte er verdammt wenig tun. Jetzt hing es von Vatel ab.

War ein menschlicher Fehler — oder der eines Quaddie — oder ein mechanischer Defekt die Ursache des Unfalls gewesen? Nun, das würde er schnell genug feststellen können, sobald das Schubschiff wieder hergeschafft war. Falls es hergeschafft wurde … Er unterdrückte diesen Gedanken. Stattdessen düste er zu der Verkleidung des Necklinstabes hinüber. Dort, wo das Schubschiff mit ihr kollidiert war, war die Verkleidung tief eingedellt. Leo versuchte sich selbst zu beruhigen. Das ist nur ein Gehäuse. Es ist genau dazu da, daß es das Innere vor Unfällen wie diesem schützt, nicht wahr? Er zischte bestürzt und zog sich auf die andere Seite, um mit der Lampe seines Arbeitsanzuges in die mannshohe, dunkle Öffnung am einen Ende des Gehäuses zu leuchten.

O Gott!

Der Vortex-Spiegel war angeknackst. Über drei Meter breit an seinem elliptischen Rand, der mathematisch geformt und bis zur Präzision von Ängström-Einheiten poliert war, stellte der Spiegel eine integrale Steuerfläche des Sprungsystems dar, denn er reflektierte, dämpfte oder verstärkte nach dem Belieben des Piloten das Necklinfeld, das von den Hauptstäben erzeugt wurde. Und jetzt war er nicht bloß angeknackst — zersprungen in einem sternförmigen Bruch, kaltes Titan, das über seine Grenzwerte hinaus deformiert war. Leo stöhnte.

Eine zweite Lampe leuchtete an ihm vorbei hinein. Leo schaute sich um und erblickte Pramod neben sich.

»Ist das so schlimm, wie es ausschaut?«, würgte Pramods Stimme über den Kommunikator hervor.

»Ja«, seufzte Leo.

»Können Sie das nicht — mit Schweißen reparieren?« Pramod hob die Stimme. »Was machen wir?«

Müdigkeit und Panik — die schlimmstmögliche Kombination. Leo zwang sich zu einem gleichmütigen Tonfall. »Die Versorgungsanzeige meines Anzugs sagt, daß wir jetzt sofort nach drinnen gehen und eine Pause einlegen werden. Danach werden wir sehen.«

Als Leo seinen Anzug abgelegt hatte, hatte zu seiner ungeheuren Erleichterung Vatel das durchgegangene Schubschiff aufgelesen und ins Dock an seinem Habitatmodul zurückgebracht. Sie holten eine erschrockene Quaddiepilotin heraus, die blaue Flecken davongetragen hatte.

»Es hat blockiert. Ich konnte es nicht losbekommen«, weinte sie. »Wogegen bin ich gestoßen? Habe ich jemanden getroffen? Ich wollte den Treibstoff nicht ablassen, es war die einzige Art und Weise, die mir einfiel, um die Düse abzuwürgen. Es tut mir leid, daß ich den Treibstoff vergeudet habe. Ich konnte sie nicht abstellen …«

Sie war ganze vierzehn Jahre alt, vermutete Leo. »Wie lange warst du auf Schicht?«, wollte er wissen.

»Seit wir angefangen haben«, schniefte sie. Sie zitterte und alle ihre vier Hände bebten, während sie neben ihm in der Luft hing. Er unterdrückte den Impuls, sie ›aufzurichten‹.

»Du lieber Himmel, Kind, das ist ja über 26 Stunden. Mach jetzt mal Pause. Iß was und geh schlafen.«

Sie schaute ihn verwirrt an. »Aber die Schlafraumeinheiten sind alle abgetrennt und mit den Krippen zusammengebündelt. Von hier aus komme ich nicht dahin.«

»Ist das der Grund …? Schau mal, drei Viertel des Habitats sind im Augenblick unzugänglich. Such dir einen Winkel im Rüstraum oder sonstwo.« Er betrachtete einen Moment lang verblüfft ihre Tränen, dann fügte er hinzu: »Es ist erlaubt.« Sie hatte sichtlich Verlangen nach ihrem eigenen vertrauten Schlafsack, den ihr Leo jetzt aber nicht verschaffen konnte.

»Ganz allein?«, sagte sie sehr leise. Sie hatte wahrscheinlich in ihrem bisherigen Leben nie mit weniger als sieben anderen Kindern im gleichen Raum geschlafen, überlegte Leo. Er holte tief Luft, um seine Beherrschung nicht zu verlieren — er würde jetzt nicht anfangen, sie anzuschreien, ganz egal, wie wunderbar das seine eigenen Gefühle entlasten würde —, wie war er überhaupt in diesen Kinderkreuzzug geraten? Im Augenblick konnte er sich nicht daran erinnern.

»Komm mit!« Er nahm sie bei der Hand zum Rüstraum, fand einen Wäschesack, den er an der Wand aufhängte, und half ihr, zusammen mit einem eingewickelten Sandwich in den Sack zu schlüpfen. Ihr Gesicht lugte aus der Öffnung heraus, und einen seltsamen Moment lang kam er sich wie ein Mann vor, der gerade damit beschäftigt war, einen Sack mit kleinen Katzen zu ersäufen.

»Na dann.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Jetzt ist alles besser, was?«

»Danke, Leo«, schniefte sie. »Es tut mir leid wegen dem Schubschiff. Und dem Treibstoff.«

»Wir werden uns darum kümmern.« Er zwinkerte heldenhaft. »Schlaf jetzt ein bißchen, ja? Es wird noch genug Arbeit da sein, wenn du aufwachst, du versäumst gar nichts. Also … gute Nacht.«

»Nacht …«