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Silver drosselte das Backbordtriebwerk, löste die Bremsen und ließ das Shuttle vorwärts über den festgebackenen Lehm rollen. Glücklicherweise war der alte Seegrund eben, so daß sie sich nicht um die Feinheiten der Shuttlebedienung wie das Steuern kümmern mußte. Einer der Sicherheitsleute lief eine Minute oder zwei hinter ihnen her und winkte mit den Armen, aber er blieb schnell zurück. Silver ließ das Shuttle ein paar Kilometer rollen, bremste wieder und schaltete die Triebwerke aus.

»Tja«, seufzte sie, »damit sind die versorgt.«

»Ganz gewiß«, sagte Madame Minchenko matt und regulierte die Monitorvergrößerung für einen letzten Blick nach hinten. Eine schwarze Rauchsäule und ein ersterbendes orangefarbenes Glühen markierten ihren früheren Parkplatz. »Ich hoffe, daß ihre Atemmasken gut gefüllt waren«, fügte Silver hinzu.

»Ach, meine Liebe«, sagte Madame Minchenko. »Vielleicht sollten wir umkehren und … etwas unternehmen. Allerdings werden sie sicher so vernünftig sein und in der Nähe ihres Wagens bleiben und auf Hilfe warten, und nicht versuchen, in die Wüste hinauszugehen. Die Sicherheitsvids der Firma betonen das immer. ›Bleiben Sie bei Ihrem Fahrzeug und warten Sie auf den Such- und Rettungstrupp.‹«

»Sollen nicht die ein Such- und Rettungstrupp sein?« Silver studierte die winzigen Bilder auf dem Monitor. »Von dem Fahrzeug ist nicht viel übrig. Aber sie scheinen alle drei dort zu bleiben. Na ja …« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich für uns, wenn wir versuchen, sie aufzuklauben. Aber wenn Ti und der Doktor mit Tony zurückkommen, dann könnten vielleicht die Sicherheitsleute Ihren Landrover haben, um damit nach Hause zu fahren — falls niemand anderer zuerst hierherkommt.«

»Oh«, sagte Madame Minchenko, »das stimmt. Gute Idee. Jetzt ist mir viel besser zumute.« Sie guckte nachdenklich auf den Monitor. »Arme Kerle.«

Eis. Aus der abgeschlossenen Steuerkabine über der Frachtbucht des Habitats beobachtete Leo, wie vier Quaddies in Arbeitsanzügen den intakten Vortex-Spiegel, den sie vom zweiten Necklinstab der D-620 abgenommen hatten, vorsichtig durch die Luke von draußen hineinmanövrierten. Der Spiegel war heikel zu handhaben, praktisch ein enormer, flacher Titantrichter, drei Meter im Durchmesser und einen Zentimeter dick an seinem breiten Rand, nach mathematischen Berechnungen gekrümmt und an der zentralen, geschlossenen Vertiefung zu einer Dicke von etwa zwei Zentimeter anwachsend. Eine hübsche Kurve, aber ganz und gar kein Standardwert, und mit dieser Tatsache mußte Leos Wiederherstellungsvorhaben fertigwerden.

Der unbeschädigte Spiegel wurde an den vorgesehenen Platz bugsiert und inmitten eines Geschnörkels von Kühlerspiralen abgesetzt. Die Quaddies in den Raumanzügen verließen die Frachtbucht. Von der Kontrollkabine aus ließ Leo die Luke nach draußen schließen und wieder Luft in die Ladebucht pumpen. In seiner Unruhe flitzte Leo buchstäblich aus der Steuerkabine, mit einem Zischen der Luft aufgrund des restlichen Druckunterschieds, und mußte den Unterkiefer bewegen, um seine Ohren zu öffnen.

Die einzigen Kühlerspiralen, die für die Aufgabe entsprechend groß genug waren, hatte Bobbi in einem Augenblick der Eingebung gefunden, und zwar wieder in der Abteilung Ernährung. Das Quaddiemädchen, das die Abteilung leitete, hatte gestöhnt, als sie Leo und seine Mannschaft wieder nahen sah. Sie hatten rücksichtlos die Eingeweide aus ihrer größten Kühlkammer herausgerissen und sie zu ihrem Arbeitsbereich bugsiert, in dem größten verfügbaren Andockmodul, das jetzt als Teil der D-620 installiert war. Leo schätzte, daß weniger als ein Viertel der endgültigen Umstrukturierung des Habitats noch zu machen war, trotz der Tatsache, daß er ein Dutzend der besten Arbeiter für sein Projekt abgezogen hatte.

Ein paar Minuten später kamen drei seiner Quaddies zu Leo in die Frachtbucht. Leo überprüfte sie. Sie hatten zusätzliche T-Shirts und Shorts übergezogen, dazu Overalls mit langen Ärmeln, die von den vertriebenen Planetariern zurückgelassen worden waren; dabei waren die Hosenbeine eng um ihre unteren Arme gewickelt und mit elastischen Bändern festgebunden. Sie hatten genügend Handschuhe organisiert; das war gut, denn Leo hatte sich schon Sorgen gemacht, daß es bei all den ungeschützten Fingern Erfrierungen geben könnte. »In Ordnung, Pramod, bereit zum Rollen. Her mit den Wasserschläuchen!«

Pramod entrollte etliche Schläuche und gab sie den wartenden Quaddies; ein anderer überprüfte ihre Anschlüsse an den Wasserhähnen. Leo schaltete die Kühlerspiralen ein und nahm einen Schlauch.

»In Ordnung, Jungs, beobachtet mich, und ich zeige euch, wie man’s macht. Ihr müßt das Wasser langsam auf die kalte Oberfläche fließen lassen und Spritzer in die Luft vermeiden; gleichzeitig müßt ihr dafür sorgen, daß es dauernd fließt, damit eure Schläuche nicht einfrieren. Wenn ihr merkt, daß eure Finger taub werden, dann macht eine kurze Pause in der Nachbarkammer. Wir können uns keine Verletzungen leisten.«

Leo drehte sich zur Rückseite des Vortex-Spiegels, der inmitten der Kühlerspiralen saß, sie aber nicht berührte. In den letzten paar Stunden draußen hatte sich der Spiegel im Schatten befunden und war hinlänglich abgekühlt. Er drehte mit dem Daumen sein Ventil auf und ließ einen silbrigen Schuß Wasser auf die Spiegelfläche fließen. Es verteilte sich rasch in Federn aus Eis. Er versuchte es mit einigen Tropfen auf den Spiralen; sie froren sogar noch schneller.

»In Ordnung, genau so. Fangt an, die Eisgußform um den Spiegel herum aufzubauen. Macht sie so solide, wie ihr könnt, ohne Luftlöcher. Vergeßt später nicht, das kleine Rohr einzusetzen, damit die Luft aus der Formkammer entweichen kann.«

»Wie dick soll es werden?«, fragte Pramod, der mit seinem Schlauch Leos Beispiel folgte und fasziniert beobachtete, wie sich das Eis bildete.

»Mindestens einen Meter. Die Masse des Eises muß mindestens gleich der Masse des Metalls sein. Da wir es hier nur einmal versuchen können, nehmen wir wenigstens das Doppelte der Masse des Metalls. Leider werden wir von diesem Wasser nichts zurückgewinnen können. Ich möchte noch einmal unsere Wasserreserven überprüfen, weil eine Dicke von zwei Metern sicher besser wäre, wenn wir es entbehren können.« »Wie sind Sie darauf gekommen?«, fragte Pramod in respektvollem Ton.

Leo prustete, als er erkannte, daß Pramod den Eindruck hatte, er würde sich diese ganze Prozedur in der Hitze des Gefechts ausdenken. »Das habe nicht ich erfunden. Ich habe darüber gelesen. Es ist eine alte Methode, die man bei vorbereitenden Versuchsanordnungen verwendete, bevor die Fraktaltheorie vervollkommnet und die Computersimulationen bis zum heutigen Standard verbessert worden waren.«

»Oh«, sagte Pramod ziemlich enttäuscht.

Leo grinste. »Wenn du je zwischen Wissen und Inspiration wählen mußt, mein Junge, dann wähle das Wissen. Es funktioniert häufiger.«

Hoffe ich zumindest. Leo wich zurück und beobachtete prüfend, wie seine Quaddies arbeiteten. Pramod hatte zwei Schläuche, in jedem Händepaar einen, und wechselte rasch zwischen beiden ab. Schuß um Schuß Wasser floß auf die Spiralen und den Spiegel, und das Eis begann schon sichtbar dicker zu werden. Bis jetzt hatte er keinen Tropfen verloren. Leo stieß einen müden Seufzer der Erleichterung aus; es schien, als könnte er ihnen diesen Teil der Aufgabe unbesorgt überlassen. Er gab Pramod ein Zeichen und verließ den Raum, um einen Teil der Aufgabe in Angriff zu nehmen, den er niemand anderem zu überlassen wagte.

Leo verirrte sich zweimal, als er sich seinen Weg durch das Habitat zum Giftstofflager suchte, und dabei hatte er doch selbst die Rekonfiguration entworfen. Es war kein Wunder, daß er unterwegs an so vielen verwirrt dreinblickenden Quaddies vorbeikam. Alle schienen hektisch beschäftigt zu sein; nach dem Grundsatz, daß geteiltes Leid halbes Leid ist, konnte Leo dem nur zustimmen. Das Giftstofflager war ein kühles Modul, das keinerlei Verbindungen mit dem Rest des Habitats hatte außer einer Luftschleuse aus dickem Stahl, die aus drei Kammern bestand und immer geschlossen war. Leo ging hinein und traf dort einen der Quaddies seiner Schweißer- und Lötertruppe, der noch mit der Rekonfiguration des Habitats beschäftigt war und gerade herauskam.