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»Wie geht es voran, Agba?«, fragte Leo ihn.

»Ziemlich gut.« Agba sah müde aus. Rote Linien zogen sich über sein gelbbraunes Gesicht und seine gelbbraune Haut und verrieten, daß er bis vor kurzem längere Zeit seinen Arbeitsanzug getragen hatte. »Diese blöden gefrorenen Klampen haben uns wirklich aufgehalten, aber jetzt sind wir mit ihnen so gut wie fertig. Wie geht Ihre Sache voran?«

»Ganz gut soweit. Ich bin hergekommen, um den Sprengstoff vorzubereiten; so weit sind wir schon. Weißt du noch, wo wir, verdammt noch mal, in diesem ganzen Verhau …« — die gekrümmten Wände des Moduls waren mit Vorräten vollgepackt — »den Flüssigsprengstoff aufbewahren?«

»Der war da drüben«, erwiderte Agba und deutete mit dem Kopf.

»Gut …« Plötzlich hatte Leo ein flaues Gefühl im Magen. »Was meinst du damit, war?« Er meint nur, daß das Zeug umgeräumt wurde, versuchte Leo sich hoffnungsvoll einzureden.

»Na ja, wir haben ihn ganz schön schnell verbraucht, beim Aufsprengen der Klampen.«

»Aufsprengen? Ich dachte, ihr würdet sie abschneiden.«

»Haben wir zuerst gemacht, aber dann hat Tabbi herausgefunden, wie man eine kleine Ladung hinpackt, die sie an der Linie der Vakuumverschmelzung aufknackt. Etwa die Hälfte davon sind wiederbenutzbar. Die andere Hälfte ist nicht stärker beschädigt, als wenn wir sie durchgeschnitten hätten.« Agba schien sehr stolz auf sich zu sein.

»Ihr habt doch sicher nicht alles dafür verwendet, oder?«

»Na ja, ein bißchen wurde verschüttet. Draußen natürlich«, fügte Agba hinzu, der Leos entsetzten Blick mißverstand. Er hielt Leo eine verschlossene Halbliterflasche vor die Nase. »Das ist der letzte Rest. Ich nehme an, damit wird die Sache zum Ende kommen.«

»Grr!« Leo grapschte nach der Flasche und drückte sie an seinen Bauch wie ein Mann, der eine Granate unschädlich machen möchte. »Die brauche ich! Die muß ich haben!« Ich muß zehnmal soviel haben! heulte er innerlich stumm auf. »Oh«, sagte Agba, »tut mir leid.« Er blickte Leo völlig unschuldig an. »Bedeutet das, daß wir die Klampen wieder durchschneiden müssen?«

»Ja«, quiekte Leo. »Geh!« fügte er hinzu. Ja, bevor er selbst explodierte.

Mit einem unsicheren Lächeln verdrückte sich Agba wieder durch die Luftschleuse. Sie schloß sich und ließ Leo einen Moment allein, damit er in Ruhe Luft holen konnte.

Denk nach, Mann, denk nach! sagte Leo zu sich selbst. Keine Panik! Etwas rumorte in seinem Hinterkopf, ein schwer faßbares Faktum, das ihm zu sagen versuchte, daß dies nicht das Ende war, aber er konnte sich im Augenblick nicht daran erinnern. Er ging seine Berechnungen noch einmal in Gedanken sorgfältig durch und benutzte zum Rechnen die Finger (ach, wenn er jetzt doch ein Quaddie wäre!), aber unglücklicherweise wurde seine anfängliche Befürchtung bestätigt.

Die Umformung des Titanrohlings mittels einer Sprengung in die komplexe Form des Vortex-Spiegels erforderte, außer allerhand Distanzstücken, Ringen und Klampen, drei hauptsächliche Teile: die Gußform aus Eis, den Metallrohling und den Sprengstoff zur Vermählung der beiden. Eine Mußheirat, in der Tat. Und welches ist der wichtigste Fuß eines dreibeinigen Schemels? Natürlich der, der fehlt. Und er hatte gedacht, der Plastiksprengstoff wäre der leichteste Teil …

Verzweifelt begann Leo das Giftstofflagermodul systematisch durchzugehen und seine Vorräte zu überprüfen. Eine Extraflasche des Sprengstoffs war vielleicht irgendwo falsch abgestellt worden. Leider waren die Quaddies nur allzu gewissenhaft bei ihrer Lagerkontrolle. Jeder Behälter enthielt nur, was sein Etikett verkündete, nicht mehr, nicht weniger. Agba hatte sogar das Etikett auf diesem Behälter auf den neuesten Stand gebracht: Inhalt: Flüssigsprengstoff Typ B-2, Halbliterflaschen. Menge: 0.

Da stolperte Leo buchstäblich über ein Faß mit Benzin. Nein, sechs Fässer von dem verdammten Zeug, das irgendwie hier gelandet und jetzt fest an die Wände gezurrt war. Gott allein wußte, wohin der Rest der hundert Tonnen geraten war. Leo wünschte ihn in die Hölle, wo er zumindest von einem gewissen vorstellbaren Nutzen sein mochte. Er hätte gern die ganzen hundert Tonnen gegen vier Tabletten Aspirin getauscht. Hundert Tonnen Benzin, von dem …

Leo blinzelte und stieß ein frohlockendes »Aaah« aus.

Von dem ein Liter oder so, vermischt mit Tetranitromethan, einen noch stärkeren Sprengstoff ergeben würde.

Er würde in einem Handbuch nachschauen müssen — er würde auf jeden Fall das genaue Mischungsverhältnis nachschlagen müssen —, aber er war sich sicher, daß er sich richtig erinnert hatte. Wissen und Inspiration, das war die allerbeste Kombination. Tetranitromethan wurde in verschiedenen Habitat- und Schubschiffsystemen als Notfall-Sauerstoffquelle benutzt. Es ergab mehr O2 pro ccm als flüssiger Sauerstoff, ohne die Temperaturund Druckprobleme der Lagerung, in einer höchst verfeinerten Version der frühen Tetranitromethan-Kerzen, die Sauerstoff abgaben, wenn sie angezündet wurden. Wenn jetzt — o Gott! — nur das TNM nicht von jemandem völlig aufgebraucht worden war, um — um Ballons für Quaddiekinder aufzublasen oder irgend so einen Unsinn — sie hatten während der Rekonfiguration des Habitats Luft verloren … Leo stellte die Flasche wieder in ihren Lagerbehälter und befestigte auf den Fässern eine Notiz, die in großen roten Buchstaben verkündete: DIESES BENZIN GEHÖRT LEO GRAF. WENN JEMAND ANDERER ES ANRÜHRT, WIRD ER IHM ALLE SEINE ARME BRECHEN. Dann eilte er aus dem Giftstofflager davon, zum nächsten Terminal des Bibliothekscomputers.

KAPITEL 15

Zwielicht lag über dem ausgetrockneten See. Die leuchtende Kuppel des Himmels dunkelte allmählich über ein tiefes Türkis zu einem mit Sternen übersäten Indigo. Silvers Aufmerksamkeit wurde immer wieder durch die überwältigenden Farbveränderungen der Planetenatmosphäre, die sie durch die Fenster sah, von der Beobachtung des Horizontes abgelenkt. Welcher subtilen Vielfalt sich die Planetarier erfreuten: Streifen von Purpur, Orange, Zitronengelb, Grün, Blau, dazu die kobaltfarbenen Federn des Wasserdampfes, der am westlichen Himmel dahinschmolz. Mit einem gewissen Bedauern schaltete Silver den Scanner auf Infrarot. Die vom Computer verstärkten Farben gewährten ihr eine deutliche Sicht, aber nach den natürlichen Farben erschienen sie ihr grob und grell.

Endlich kam in Sicht, wonach sie sich von Herzen sehnte: ein Landrover, der über den fernen Paß zwischen den Hügeln rumpelte, die letzten felsigen Abhänge herabrutschte und dann mit maximaler Beschleunigung über den Seegrund dahinfegte. Madame Minchenko lief hastig aus dem Pilotenabteil, um die Lukentreppe herabzulassen, während der Landrover dröhnend neben dem Shuttle zum Stehen kam.

Silver klatschte vor Freude mit allen Händen, als sie sah, wie Ti die Rampe heraufstapfte, mit Tony huckepack auf dem Rücken, genau wie Leo sie auf der Transferstation getragen hatte. Sie haben ihn! Sie haben ihn! Dr. Minchenko folgte dicht hinterdrein.

An der Luftschleuse gab es einen kurzen Disput zwischen den gedämpften Stimmen von Doktor und Madame Minchenko, dann galoppierte Dr. Minchenko wieder die Treppe hinab, entzündete ein kaltes Signallicht und stellte es auf das Dach des Landrovers. Es leuchtete in hellem Grün. Gut, die gestrandeten Sicherheitsleute dürften keine Schwierigkeiten haben, dieses Leuchtfeuer zu sehen, dachte Silver mit einer gewissen Erleichterung.