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Alle drei erhoben sich, aber Malfurion zögerte. Er blickte seine Gefährten an und sagte: »Geht ihr voraus. Ich treffe euch am Ende des Pfades. Ich muss mit Cenarius sprechen.«

»Wir können warten«, meinte Tyrande.

»Das ist nicht nötig. Es wird nicht lange dauern.«

»Dann sollten wir ihn in Ruhe lassen«, warf Illidan schnell ein und fasste den Arm des Mädchens. »Komm, Tyrande.«

Sie warf Malfurion einen letzten, langen Blick zu, aber der Nachtelf drehte sich schnell um. Er wollte seine Gefühle verbergen. Er wartete, bis beide verschwunden waren, dann wandte er sich wieder dem Halbgott zu.

Die sinkende Sonne schuf Schatten im Wald, die zu Cenarius’ Unterhaltung zu tanzen schienen. Der Halbgott lächelte ihnen zu, den Bäumen und anderen Pflanzen, die sich im Gleichklang bewegten.

Malfurion sank auf ein Knie und wandte seinen Blick zur Erde. »Mein Shan’do«, begann er und sprach Cenarius mit dem Titel an, der in der alten Sprache »Geehrter Lehrer« bedeutete. »Vergebt mir meine Frage …«

»Du solltest dich vor mir nicht so unterwürfig benehmen, junger Elf. Steh auf …«

Der Nachtelf gehorchte zögernd, aber er hielt seinen Blick gesenkt.

Das brachte den Halbgott zum Kichern, ein Laut, der durch das plötzliche lebhafte Zwitschern von Singvögeln verstärkt wurde. Wann immer Cenarius sich regte, regte sich der Wald im Einklang mit ihm.

»Du erweist mir sogar noch mehr Ehre als jene, die behaupten, in meinem Namen zu beten. Dein Bruder verbeugt sich nicht vor mir, und trotz all ihres Respekts vor meiner Macht, unterwirft sich Tyrande Whisperwind nur Elune.«

»Ihr habt angeboten, mich zu lehren – uns zu lehren –, was kein Nachtelf jemals erlernt hat …« Er erinnerte sich noch immer an den Tag, als er sich dem heiligen Wald genähert hatte. Dutzende von Legenden berichteten von Cenarius, aber Malfurion hatte die Wahrheit erfahren wollen. Als er jedoch den Namen des Halbgottes rief, hatte er nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet.

Er hatte außerdem nicht erwartet, dass Cenarius sich anbieten würde, sein Lehrer zu werden.

Warum der Halbgott eine so banale Aufgabe annehmen sollte, ging über Malfurions Fassungsvermögen hinaus. Doch hier standen sie einander gegenüber. Sie waren mehr als Gottheit und Nachtelf, mehr als Lehrer und Schüler … sie waren auch Freunde.

»Kein anderer Nachtelf möchte wirklich meine Wege lernen«, antwortete Cenarius. »Selbst jene, die den Mantel des Waldes angelegt haben … Keiner von ihnen ist wahrlich dem Pfad gefolgt, den ich dir nun weise. Du bist der Erste mit der möglichen Begabung, dem möglichen Willen, um wahrhaft zu verstehen, wie man die Kräfte führt, die aller Natur innewohnen. Niemand hat je zuvor ein solches Potenzial bewiesen, junger Elf.«

Dies war es nicht gewesen, worüber Malfurion hatte sprechen wollen, und so trafen ihn die Wort vollkommen unvorbereitet. »Aber … aber Tyrande und Illidan …«

Der Halbgott schüttelte den Kopf. »Von Tyrande haben wir bereits geredet. Sie hat sich Elune versprochen, und ich werde nicht im Reich der Mondgöttin wildern! Was deinen Bruder betrifft, so kann ich nur sagen, dass Illidan ein vielversprechender junger Mann ist … aber ich glaube, seine Bestimmung liegt anderswo.«

»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll …« Und Malfurion wusste es wirklich nicht. So plötzlich zu erfahren, dass Illidan und er nicht dem selben Weg folgen würden, dass Illidan seine Anstrengungen hier sogar vergeudete … es war das erste Mal, dass die Zwillinge ihren Erfolg nicht teilen würden. »Nein! Illidan wird lernen! Er ist einfach nur eigensinniger! Er steht unter einem solchen Druck. Seine Augen –«

»Sind ein Zeichen zukünftiger großer Taten für die Welt, die er jedoch nicht vollbringen wird, indem er meinen Lehren folgt.« Cenarius schenkte Malfurion ein sanftes Lächeln. »Aber du wirst versuchen, ihn selbst zu lehren, nicht wahr? Vielleicht hast du da Erfolg, wo ich versagt habe.«

Die Wangen des Nachtelfs wurden dunkel. Natürlich konnte sein Shan’do seine Gedanken lesen. Ja, Malfurion hatte vor, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Illidan voran zu bringen … und er wusste, dass dies eine schwierige Aufgabe werden würde. Von dem Halbgott zu lernen, war eine Sache, von Malfurion zu lernen, würde etwas ganz anderes sein. Es würde darauf hinauslaufen, dass Illidan nicht der Erste war, wohl aber der Zweite werden könnte.

»Aber jetzt zu dir«, fügte der Waldherr leise hinzu, während ein kleiner, roter Vogel auf seinem Geweih landete und sein bleicherer Gefährte sich auf einem Arm niederließ. Solche Dinge geschahen häufig in Cenarius’ Gegenwart, aber sie erfüllten den Elf immer wieder mit Erstaunen. »Du bist gekommen, um mich etwas zu fragen …«

»Ja. Großer Cenarius … ich werde von einem Traum geplagt, einem Traum, der immer wiederkehrt.«

Die goldenen Augen wurden schmaler. »Nur ein Traum? Das ist alles, was dir Sorgen macht?«

Malfurion schnitt eine Grimasse. Er hatte sich selbst bereits mehrmals gescholten, weil er auch nur daran gedacht hatte, den Halbgott mit seinem Problem zu belästigen. Wie viel Schaden konnte ein Traum schon anrichten, selbst einer, der sich ständig wiederholte? Jeder träumte. »Ja … er kommt jedes Mal zu mir, sobald ich schlafe, und seit ich bei Euch lerne … ist er stärker geworden, fordernder.«

Er erwartete, dass Cenarius ihn auslachen würde, doch stattdessen musterte der Herr des Waldes ihn genauer. Malfurion spürte, wie die goldenen Augen – die noch faszinierender waren als die seines Bruders – sich tief in ihn bohrten und den Nachtelf von innen und außen lasen.

Schließlich lehnte Cenarius sich zurück. Er nickte kurz, wie zu sich selbst, und sagte dann mit ernsterer Stimme: »Ja, ich glaube, du bist bereit.«

»Bereit? Wofür?«

Als Antwort hob Cenarius eine Hand. Der rote Vogel sprang herunter auf die ihm dargebotene Hand, und sein Gefährte schloss sich ihm dort an. Der Halbgott streichelte beiden einmal über den Rücken, flüsterte ihnen etwas zu und ließ das Paar dann davonflattern.

Cenarius blickte zu dem Nachtelf hinab. »Illidan und Tyrande werden informiert werden, dass du eine Zeit lang bei mir bleiben wirst. Man wird ihnen sagen, dass sie ohne dich gehen sollen.«

»Aber warum?«

In den goldenen Augen flackerte ein warmes Feuer auf. »Erzähl mir von deinem Traum.«

Malfurion schöpfte einen tiefen Atemzug und tat, wie ihm geheißen. Der Traum begann immer mit dem Quell der Ewigkeit. Zuerst waren seine Wasser ruhig, aber dann bildete sich in seinem Zentrum rasch ein Strudel … und aus seinen Tiefen brachen Kreaturen hervor, manche von ihnen harmlos, andere bösartig. Viele von ihnen erkannte Malfurion nicht einmal. Sie kamen von anderen Welten, aus anderen Zeiten. Sie breiteten sich nach allen Richtungen aus, enteilten seinem Blickfeld.

Plötzlich verschwand der Strudel, und Malfurion stand inmitten von Kalimdor … doch es war ein Kalimdor bar jeden Lebens. Etwas schrecklich Böses hatte das ganze Land verwüstet und nicht einmal einen einzigen Grashalm, nicht das winzigste Insekt zurückgelassen. Die einst stolzen Städte, die weiten, grünen Wälder … nichts war unversehrt geblieben.

Und was noch schrecklicher war: So weit das Auge reichte, lagen überall die verkohlten, zermalmten Knochen von Nachtelfen verstreut. Ihre Schädel waren eingeschlagen. Der Gestank des Todes lag bleiern in der Luft. Niemand, nicht einmal die Alten und Gebrechlichen, nicht einmal die Kinder waren verschont worden.

Dann griff eine Hitze Malfurion an, eine ganz fürchterliche Hitze. Er wandte sich um und erkannte in der Ferne ein gigantisches Feuer, ein Inferno, das sich bis in den Himmel erstreckte. Es verbrannte alles, was es berührte, sogar den Wind selbst. Wohin es sich auch wandte, es blieb nichts – absolut nichts! – zurück. Doch so Furcht erregend diese Szene auch war, es war nicht sie, die den Nachtelf schließlich in kalten Schweiß gebadet erwachen ließ, sondern vielmehr etwas, das er an diesem Feuer spürte.