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Tyrandes Blick glitt zu der kleinen Menge, die sich in der Mitte des Marktplatzes versammelt hatte. »Und was hast du gesehen?«

Er fasste Tyrande an den Schultern und wandte ihr Gesicht dem seinen zu. Sie musste genau verstehen, was er entdeckt hatte. »Ich sah Zin-Azshari … und die Quelle.«

Ohne ein einziges Detail auszulassen, beschrieb Malfurion die Szene und die verstörenden Empfindungen, die ihn bewegt hatten. Er erzählte, wie er versucht hatte herauszufinden, was dort vor sich ging – und wie sein Traum-Ich abgewehrt worden war, als es versuchte hatte, den Turm zu betreten.

Tyrande blickte ihn wortlos an und war offensichtlich wie betäubt angesichts dieser beunruhigenden Entdeckungen. Als sie ihre Stimme wiederfand, fragte sie: »Die Königin? Azshara? Bist du dir da ganz sicher?«

»Nicht vollkommen. Ich habe nicht viel von dem wahrnehmen können, was im Innern des Turmes geschah. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Wahnsinn ohne ihr Wissen geschieht. Es stimmt, Lord Xavius hat großen Einfluss auf sie, aber selbst Azshara würde bei einem solch gewaltigen Zauber nicht tatenlos zusehen, wenn sie ihn nicht unterstützte. Ich muss annehmen, dass sie die Risiken kennt, die die Magier eingehen … Allerdings glaube ich nicht, dass irgendeiner von ihnen sich wirklich bewusst ist, wie groß diese Risiken sind! Die Quelle … wenn du gefühlt hättest, was ich gefühlt habe, als ich den Grünen Traum beschritt, Tyrande, du hättest ebenso starke Besorgnis empfunden wie ich.«

Sie legte eine Hand auf seinen Arm und versuchte, ihn zu beruhigen. »Ich zweifle nicht an dir, Malfurion, aber wir müssen mehr erfahren. Wenn du behauptest, Azshara bringe ihre Untertanen in Gefahr … musst du mit größter Vorsicht handeln.«

»Ich hatte mir überlegt, Lord Ravencrest in dieser Angelegenheit anzusprechen. Er hat Einfluss bei ihr.«

»Das könnte klug sein …« Wieder wanderte ihr Blick zur Mitte des Marktplatzes.

Fast hätte Malfurion etwas gesagt, doch stattdessen folgte er ihren Augen und fragte sich, was ihre Aufmerksamkeit ständig von seinen Enthüllungen ablenken mochte. Die meisten der dort versammelten Nachtelfen waren inzwischen weitergegangen, und endlich sah er das, was er zuvor nicht beachtet hatte.

Ein bewachter Käfig … und darin eine Kreatur, die nicht im Entferntesten aussah wie ein Nachtelf.

»Was ist das?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.

»Darüber wollte ich mit dir sprechen, Malfurion. Sein Name ist Broxigar … und er ist anders als jedes Geschöpf, das ich jemals sah oder von dem ich auch nur hörte. Ich weiß, deine Geschichte ist wichtig, aber ich möchte, dass du ihn jetzt kennen lernst. Tu mir den Gefallen.«

Als Tyrande ihn zu dem Wesen führte, bemerkte Malfurion, dass die Soldaten aufmerksam wurden. Sie starrten seine Freundin einen Augenblick lang an, dann beugten alle zu seiner Überraschung die Knie, um ihr zu huldigen.

»Wir heißen Euch wieder willkommen, Schwester«, erklärte einer von ihnen. »Ihr ehrt uns mit Eurer Gegenwart.«

Tyrande war dieser Respekt offensichtlich peinlich. »Bitte! Bitte erhebt euch!«, drängte sie die Männer mit einem nervösen Lächeln. Nachdem die Soldaten gehorcht hatten, fragte sie: »Was für Neuigkeiten habt ihr über ihn?«

»Lord Ravencrest hat sich der Sache angenommen«, antwortete ein anderer Wachmann. »Er ist gerade ausgeritten und inspiziert den Ort, an dem die Kreatur gefangen wurde. Er sucht nach weiteren Spuren. Er befürchtet eine Invasion dieser … Dinger. Und wenn er zurückkehrt, so heißt es, will er den Gefangenen persönlich verhören. Also kommt die Kreatur wahrscheinlich bis morgen in die Zellen von Black Rook Hold.«

Black Rook Hold war der ummauerte Landsitz von Lord Ravencrest, eine regelrechte Festung.

Dass der Soldat all diese Information so freimütig preisgab, überraschte Malfurion, bis er erkannte, welche Ehrfurcht der Mann Tyrande entgegenbrachte. Sicher, sie war eine Dienerin der Elune, aber irgendetwas musste geschehen sein, dass sie einen solchen Eindruck bei den Wachen hinterließ.

Tyrande wirkte beunruhigt über die neuen Nachrichten. »Dieses Verhör … was werden sie tun?«

Der Wächter konnte ihr nicht länger in die Augen blicken. »Was immer Lord Ravencrest für nötig hält, Schwester.«

Die Priesterin bohrte nicht weiter. Ihre Hand, die leicht auf Malfurions Arm gelegen hatte, drückte diesen einen Moment lang sehr fest.

»Dürfen wir mit ihm sprechen?«

»Nur für einen Augenblick, Schwester. Und ich muss Euch bitten, so zu sprechen, dass wir Euch hören können. Ihr versteht.«

»Ich verstehe.« Tyrande führte Malfurion zum Käfig, vor dem sie beide niederknieten.

Malfurion unterdrückte ein Aufkeuchen. Aus nächster Nähe versetzte die grobschlächtige Gestalt ihn in noch größeres Erstaunen. Cenarius hatte ihm von vielen seltsamen und ungewöhnlichen Wesen erzählt, doch niemals hatte er ein solches erwähnt.

»Schamanin …«, murmelte es – er – mit einer tiefen, rumpelnden und schmerzerfüllten Stimme.

Tyrande beugte sich näher zu ihm hin und machte sich offensichtliche Sorgen. »Broxigar … bist du krank?«

»Nein, Schamanin … es sind nur … Erinnerungen.« Er gab keine weitere Erklärung ab.

»Broxigar, ich habe einen Freund mitgebracht, den ich dir gerne vorstellen möchte. Sein Name ist Malfurion.«

»Wenn er Euer Freund ist, Schamanin, fühle ich mich geehrt.«

Malfurion rutschte etwas näher heran und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. »Hallo, Broxigar.«

»Broxigar ist ein Orc, Malfurion.«

Der junge Nachtelf nickte. »Ich habe noch nie zuvor von einem Orc gehört.«

Die in Ketten geschlagene Gestalt grunzte. »Aber ich kenne die Nachtelfen. Ihr habt an unserer Seite gegen die Legion gekämpft … doch wie es scheint, erlöschen die Bündnisse mit dem Krieg.«

Seine Worte ergaben keinen Sinn, doch sie erweckten in Malfurion eine neue Furcht. »Wie … wie bist du hierher gekommen, Broxigar?«

»Die Schamanin darf mich Broxigar nennen. Für dich … bin ich Brox.« Er atmete tief aus, dann blickte er Tyrande in die Augen. »Schamanin … letztes Mal habt Ihr mir Fragen gestellt, und ich wollte nicht antworten. Doch ich schulde Euch etwas. Nun erzähle ich Euch, was ich denen da …« Brox blickte verächtlich in Richtung der Soldaten. »… und ihren Herren bereits erzählt habe. Aber auch Ihr werdet mir nicht mehr Glauben schenken, als sie es getan haben …«

Die Geschichte des Orcs begann phantastisch, und sie wurde mit jedem Atemzug phantastischer. Offensichtlich achtete er darauf, nichts über sein Volk und dessen Heimat zu verraten. Er sprach nur davon, dass er auf Befehl seines Kriegshäuptlings zusammen mit einem anderen Orc in die Berge aufgebrochen war, um ein beunruhigendes Gerücht zu untersuchen. Dort hatten sie etwas gefunden, das der Orc als ein Loch in der Welt beschrieb … ein Loch, das alle Dinge verschlang, während es sich unerbittlich ausweitete.

Es hatte Brox verschlungen – und seinen Gefährten in Stücke gerissen.

Und je länger Malfurion zuhörte, desto stärker wurde sein eigenes Gefühl der Angst. Jede Enthüllung des Orcs fütterte diese Angst mit neuer Nahrung, und mehr als einmal musste der Nachtelf an die Quelle der Ewigkeit denken und an die Macht, die ihr von den Hochgeborenen entzogen wurde. Mit Sicherheit konnte die Magie der Quelle einen solch schrecklichen Strudel erschaffen …

Aber es kann nicht sein!, versuchte Malfurion seinen eigenen Geist zu überzeugen. Das kann doch nichts mit Zin-Azshari zu tun haben. Die Hochgeborenen sind nicht so wahnsinnig.

Oder etwa doch?

Je länger Brox fortfuhr, je mehr er von dem Strudel erzählte und von den Dingen, die er gesehen und gehört hatte, als er durch das Phänomen stürzte, desto schwerer fiel es Malfurion, die Möglichkeit zu leugnen, dass es hier irgendeine Verbindung gab. Schlimmer noch, ohne zu wissen, wie sehr er den Nachtelf damit traf, spiegelte der Gesichtsausdruck des Orcs genau jene Empfindungen wider, die Malfurion gespürt hatte, als sein astrales Ich über dem Palast und der Quelle geschwebt hatte.