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Jetzt bat auch die junge Priesterin den Orc, Vertrauen in jemanden zu haben, den er nicht gut kannte. Brox sah Malfurion an. Dann blickte er wieder auf Illidan. »Kommt der auch?« Illidan zog die Brauen zusammen. »Ich habe dir gerade die Haut gerettet, Bestie …«

»Genug, Illidan! Er ist dankbar!« An Brox gewandt, sagte Tyrande: »Nur Malfurion. Er wird dich an einen Ort bringen, wo dich niemand aufspüren kann. Bitte. Du kannst mir vertrauen.«

Die monströse Kreatur nahm Tyrandes Hand in ihre riesigen Pranken und sank vor ihr auf ein Knie. »Ich vertraue Euch, Schamanin.«

In diesem Moment bemerkte Malfurion, dass einer der Soldaten unruhig zu werden begann.

»Der Zauber lässt nach!«, zischte er. »Illidan! Nimm Tyrande und verschwinde! Brox! Komm mit mir!«

Mit erstaunlicher Flinkheit richtete sich der riesige Orc auf und folgte dem Nachtelf. Malfurion blickte nicht hinter sich und betete, dass sein druidischer Zauber noch ein wenig länger Wirkung zeigen würde. Um Tyrande und seinen Bruder machte er sich wenig Sorgen. Ihr Ziel war Illidans Quartier, das nur eine kurze Strecke entfernt lag. Niemand würde die Beiden verdächtigen.

Für Malfurion und Brox war die Lage jedoch schwieriger. Niemand konnte den Orc für etwas anderes halten als das, was er war. Sie mussten so rasch wie möglich aus der Stadt verschwinden.

Doch als sie den Marktplatz hinter sich ließen und in die gewundenen Gassen von Suramar eintauchten, erhob sich das Geräusch, vor dem Malfurion sich am meisten gefürchtet hatte.

Einer der Soldaten war schließlich erwacht. Seine Schreie verbanden sich schnell mit denen seiner Kameraden, und nur wenige Sekunden später erklang das Schmettern eines Horns.

»Schnell! Dort entlang!«, drängte er den Orc. »Ich habe Reittiere, die auf uns warten!«

Eigentlich hätte Malfurion gar nichts sagen müssen, denn der Orc bewegte sich trotz seiner massigen Statur mindestens ebenso schnell wie sein Befreier. Wären sie draußen in der Wildnis gewesen, hätte ihn Brox wahrscheinlich sogar überholt.

Überall erklang Hörnerschall. Stimmen schrien. Suramar war zum Leben erwacht … viel zu früh für Malfurions Geschmack.

Endlich erblickte der Nachtelf die Straßenecke, die ihr Ziel war. »Hier! Sie warten da um die Ecke!«

Doch als er in die Seitenstraße einbog, kam Brox abrupt zum Stehen. Der furchterregende Orc stierte auf die Reittiere, die Malfurion besorgt hatte.

Die großen Panther waren schwarze, kraftvolle Schatten, die knurrten und fauchten, als sie die Ankömmlinge erblickten. Dann, als Malfurion sich ihnen vorsichtig näherte, beruhigten sie sich. Er strich den beiden Katzen sanft über die Flanken.

Brox schüttelte den Kopf. »Wir sollen darauf reiten?«

»Natürlich! Und jetzt beeil dich!«

Der Orc zögerte, doch die Schreie kamen immer näher. Also nahm Brox die Zügel, die Malfurion ihm gab, und sah genau zu, als der Nachtelf ihm vormachte, wie man die Tiere bestieg.

Der ehemalige Gefangene brauchte drei Anläufe, um endlich den Rücken der riesigen Katze zu erklimmen, dann eine weitere Minute, um herauszufinden, wie man richtig darauf saß. Malfurion blickte immer wieder die Gasse hinab und fürchtete, dass jeden Moment Soldaten auftauchen könnten – oder schlimmer noch, die Mondgarde! Er hatte nicht bedacht, dass Brox möglicherweise nicht wusste, wie man einen Nachtsäbel ritt. Was für ein anderes Reittier hatte der Orc erwartet?

Brox rückte ein letztes Mal seine Position zurecht und nickte dann zögerlich. Malfurion atmete tief ein und trieb sein Reittier vorwärts. Brox folgte ihm, so gut er dies vermochte.

Innerhalb von wenigen Minuten hatte der Nachtelf seine Zukunft für immer verändert. Dieser tollkühne Akt mochte ihm den Kerker von Black Rook Hold einbringen, aber Malfurion wusste, dass er diese Chance nicht hatte verstreichen lassen dürfen. Irgendwie gab es eine Verbindung zwischen Brox und dem bösen Treiben der Hochgeborenen … und ganz gleich, was auch geschehen mochte, Malfurion musste in Erfahrung bringen, worin diese Verbindung bestand.

Er hatte das entsetzliche Gefühl, dass das Schicksal von ganz Kalimdor davon abhing.

Varo’then hegte nicht den Wunsch, sich Lord Xavius zu stellen, aber diese Entscheidung lag nicht in seiner Hand. Sofort, nachdem seine Truppe im Palast eingetroffen war, hatte er den Befehl erhalten, vor dem Berater zu erscheinen, und Befehle von Lord Xavius mussten mit der gleichen Dringlichkeit befolgt werden, als stammten sie von Königin Azshara selbst … vielleicht sogar mit noch größerer.

Der Bericht des Hauptmanns würde dem Berater nicht gefallen. Wie sollte der Soldat erklären, dass man sie irgendwie in die Irre geführt hatte und dass sie dann von einem Wald angegriffen worden waren? Varo’then hoffte, den verstorbenen und wenig betrauerten Koltharius als Sündenbock verwenden zu können, doch er bezweifelte, dass sein Herr eine so jämmerliche Entschuldigung akzeptieren würde. Varo’then hatte den Einsatz geleitet, und sonst würde für Lord Xavius nichts zählen.

Er brauchte nicht zu fragen, wo der Berater zu finden war, denn wo sonst hatte sich der Meister in letzter Zeit aufgehalten als in der Kammer, in der das Zauberwerk stattfand? Ein Mann wie Hauptmann Varo’then zog Schwerter der Magie vor, und die Kammer war durchaus nicht sein Lieblingsort. Zwar stand auch ihm ein wenig Zauberei zur Verfügung, doch was Lord Xavius und die Königin vorhatten, war zu viel für einen einfachen Soldaten wie ihn.

Die Wachen vor der Kammer nahmen Haltung an, als er sich näherte, doch obwohl sie ihm den Respekt bezeigten, der ihm gebührte, war etwas an ihrer Art anders, irgendwie … beunruhigend.

Fast so, als wüssten sie genau, was ihn erwartete, und zwar besser als er selbst.

Die Tür schwang vor ihm auf. Den Kopf ehrerbietig gesenkt, betrat Hauptmann Varo’then das Allerheiligste der Hochgeborenen – und eine alptraumhafte Bestie baute sich vor ihm auf.

»Bei Elune!« Instinktiv zog er seine geschwungene Klinge. Die höllische Kreatur heulte auf, und zwei bedrohliche Tentakel, die aus ihren muskulösen Schultern wuchsen, tasteten eifrig auf ihn zu. Der Hauptmann bezweifelte, dass er irgendeine Chance gegen solch ein Ungetüm hatte, aber er würde bis zum letzten Atemzug kämpfen und … Eine zischende Stimme, die Varo’then bis ins Mark seiner Knochen schaudern ließ, rief etwas in einer unbekannten Sprache, und eine furchterregende Peitsche fuhr auf den buckligen Rücken der Bestie hinab.

Als die dämonische Kreatur mit einem elenden Winseln kuschte und sich zurückzog, blickte Varo’then mit offen stehendem Mund auf ihren Herrn.

»Sein Name ist Hakkar«, erklärte Lord Xavius mit freundlicher, ruhiger Stimme, als er neben den Hauptmann trat. »Die Feibestien befinden sich vollkommen unter seiner Kontrolle. Der Gott hat ihn geschickt, damit er uns hilft, den Weg zu öffnen …«

»Der ›G-Gott‹, Milord?«

Zu Varo’thens Bestürzung legte der Berater einen Arm auf fast väterliche Art um die Schulter seines Hauptmanns und führte ihn zu der feurigen Kugel über dem Muster. Etwas an der Sphäre sah anders aus, als er es in Erinnerung hatte, und erweckte in dem Nachtelf das schreckliche Gefühl, dass sie ihn, wenn er nur nahe genug bei ihr stand, mit Körper und Seele verschlingen würde.

»Alles ist in Ordnung, mein guter Hauptmann. Ihr habt nichts zu befürchten …«

Man wollte ihn für das Fiasko mit den Fremden bestrafen. Und wenn dem schon so war, wollte Varo’then wenigstens vorher eine Erklärung für sein Versagen abgeben, damit er nicht noch mehr an Gesicht verlor. »Milord Xavius, wir haben die Gefangenen verloren! Der Wald selbst hat sich gegen uns gewandt …«

Aber der Berater lächelte nur. »Ihr werdet bald Gelegenheit erhalten, Euren Fehler wieder gutzumachen, Hauptmann. Doch zunächst müsst Ihr die großartige Wahrheit erkennen …«