Die Hinterbeine des Tieres brachen ein. Sein Schwanz zuckte panisch, während die fürchterlichen Pranken nach dem Fremdkörper in seiner Kehle schlugen. Es gelang dem Monster schließlich, Brox’ Waffe entzwei zu brechen, aber das Vorderteil blieb fest in seinem Maul stecken.
Der Orc, der wusste, dass die Feibestie sich immer noch erholen mochte, suchte verzweifelt nach etwas, um seine verlorene Lanze zu ersetzen.
Stattdessen sah er sich wieder seinem ersten Feind gegenüber.
Die andere Feibestie hatte tiefe Wunden, die über ihren gesamten Körper verliefen, und zusätzlich zu der zerschmetterten Nase, die Brox ihr beigefügt hatte, war ein großes Stück Fleisch aus ihrer Schulter gerissen worden. Doch trotz ihres verschlechterten Zustands wirkte die Kreatur mehr als gesund genug, um den erschöpften Orc töten zu können.
Brox ergriff einen dicken, abgebrochenen Ast und schwang ihn wie ein Schwert. Aber er wusste, dass er am Ende seiner Glückssträhne angelangt war. Der Ast war nicht annähernd stark genug, um das riesige Monster abzuwehren.
Die Feibestie ging in die Hocke. Die Muskulatur ihrer Hinterbeine spannte sich an …
Doch als sie sprang, erwachte plötzlich der Wald selbst zum Leben, um Brox zu verteidigen. Das wilde Gras und die Blumen unter der dämonischen Kreatur begannen stürmisch zu wachsen und schossen mit solch erstaunlicher Schnelligkeit hoch, dass sie die Feibestie erfassten, unmittelbar nachdem sie gerade den Boden unter sich zurückgelassen hatte.
Mit hoffnungslos verfangenen Gliedmaßen krachte das Monster wieder zu Boden. Es knurrte und schnappte nach dem Gras, und seine beiden Tentakel streckten sich nach unten und versuchten, die Pflanzen anzugreifen, die es von seiner Beute fernhalten wollten.
»Brox!«
Malfurion ritt auf den Orc zu und sah ebenso erschöpft aus, wie auch Brox sich fühlte. Der Nachtelf kam direkt neben ihm zum Stehen und streckte eine Hand nach ihm aus.
»Ich schulde dir wieder etwas«, knarrte die Stimme des alten Kriegers.
»Du schuldest mir nichts.« Malfurion blickte auf die gefangene Feibestie. »Vor allem, da es scheint, als würden die Pflanzen das Monster nicht mehr lange bändigen können!«
Und tatsächlich, wo immer die abscheulichen Tentakel das Gras und die Blumen berührten, welkten die Pflanzen. Eine Vorderpfote hatte das Tier bereits befreien können, und während die Feibestie noch daran arbeitete, ihre anderen Gliedmaßen zu befreien, versuchte sie bereits, nach Brox und dem Nachtelf zu schlagen.
»Magie …«, murmelte Brox und erinnerte sich an ähnliche Schauspiele. »Es verschlingt die Magie …«
Mit grimmigem Gesicht half Malfurion seinem Gefährten auf den Panther. Die Katze grunzte, aber das war ihr einziger Protest gegen das zusätzliche Gewicht. »Dann sollten wir besser schleunigst verschwinden.«
Ein Horn erschallte, dieses Mal so nah, dass Brox fast damit rechnete, den Trompeter sehen zu können. Die Verfolger aus Suramar hatten sie fast eingeholt.
Plötzlich zögerte Malfurion. »Sie werden genau in diese Bestie hinein reiten! Wenn ein paar von ihnen Mondgardisten sind …«
»Magie kann eine Feibestie trotzdem töten, wenn es genug davon gibt, Nachtelf … Aber wenn du bleiben und zusammen mit ihnen gegen die Bestie kämpfen willst, werde ich dir zur Seite stehen.« Dass dies entweder seinen Tod oder seine erneute Gefangennahme bedeutet hätte, erwähnte Brox nicht. Er würde Malfurion, der ihn bereits zweimal gerettet hatte, nicht im Stich lassen.
Der Morgennebel begann sich bereits zu lichten, und in der Ferne waren vage Gestalten auszumachen. Malfurion packte die Zügel fester und drehte den Panther abrupt von der Feibestie und den sich nähernden Reitern weg. Ohne ein Wort trieb er die große Katze zu ihrem Höchsttempo an, und sie ließen beide Bedrohungen hinter sich zurück.
Inzwischen hatte die Feibestie ein weiteres Bein befreit, und ihre Aufmerksamkeit wandte sich bereits den immer lauter werdenden Geräuschen zu, die ihr eine neue Beute ankündigten …
Etwas riss Rhonin aus seinem Schlummer, und er spürte sofort, dass es etwas Beunruhigendes war.
Er bewegte sich nicht sofort. Stattdessen öffneten sich seine Augen gerade weit genug, um einen Teil seiner Umgebung erkennen zu können. Im anbrechenden Tageslicht erkannte der Zauberer die Bäume, die die Lichtung säumten, die mit Vorsicht zu genießende Barriere der Blumenwächter und das Gras, auf dem er lag.
Was Rhonin nicht ausmachen konnte, war Krasus.
Er setzte sich auf. Gewiss war der Drachenmagier irgendwo auf der Lichtung.
Er blickte sich um, aber es war nicht zu leugnen: Krasus war fort.
Misstrauisch erhob sich der Zauberer und trat an den Rand der Lichtung. Die Blumen wandten sich ihm zu, und jede der Blüten öffnete sich weit. Rhonin war versucht auszuprobieren, wie stark sie tatsächlich waren, aber er nahm an, dass der Halbgott sie wohl kaum hier eingesetzt hätte, wären sie nicht in der Lage gewesen, mit einem normalen Sterblichen fertig zu werden.
Rhonin spähte in den Wald und rief leise: »Krasus?«
Nichts.
Der Zauberer starrte auf die Bäume, die direkt an sein Gefängnis grenzten, und runzelte die Stirn. Irgendetwas war anders, aber er konnte nicht genau sagen, was.
Er trat zurück, versuchte nachzudenken … und plötzlich merkte er, dass sich ein Schatten über ihn gelegt hatte.
»Wo ist der andere?«, verlangte Cenarius zu wissen, und in seiner Stimme lag nicht die geringste Spur von Freundlichkeit. Der gerade noch klare Himmel begann plötzlich zu grollen, als ziehe in der Ferne ein Gewitter auf. Ein scharfer Wind fegte aus dem Nichts und traf den Menschen wie eine Ohrfeige. »Wo ist Euer Freund?«
Rhonin wandte sich dem hoch aufragenden Waldgott zu und versuchte, keine Regung zu zeigen. »Ich weiß es nicht. Ich bin gerade erst aufgewacht, und da war er verschwunden.«
Die goldenen Augen der geweihgekrönten Gestalt loderten auf, und sein finsterer Blick ließ es kalt über Rhonins Rücken laufen. »In der Welt häufen sich böse Vorzeichen. Ein paar der anderen haben gerade eben Eindringlinge aufgespürt, Kreaturen, die keinen natürlichen Ursprung haben. Sie schnüffeln herum. Sie suchen etwas – oder jemanden.« Er betrachtete den Zauberer sehr genau. »Und das alles geschieht so kurz, nachdem Ihr und Euer Freund aus dem Nichts gefallen seid …«
Rhonin konnte nur raten, worum es sich bei diesen unbekannten Kreaturen handeln mochte, aber wenn er mit seiner Ahnung Recht behielt, blieb ihm und Krasus sogar noch weniger Zeit, als sie geglaubt hatten.
Nachdem sein »Gast« nichts zu der neuen Entwicklung zu sagen hatte, fügte Cenarius hinzu:
»Euer Freund hätte nicht ohne Hilfe entkommen können, aber er lässt Euch zurück. Wie kommt das?«
»Ich …«
»Unter den anderen gab es Stimmen, die der Meinung waren, ich hätte Euch und Euren Gefährten sofort an sie übergeben sollen. Sie wollten gründlichere Methoden einsetzen als die meinen, um herauszufinden, warum ihr hier seid und was es ist, das die Nachtelfen so an euch interessiert. Ich hatte sie bisher von meiner Vorgehensweise überzeugen können …«
Auf einmal spürte Rhonin die Präsenz einer anderen starken Macht, die auf ihre eigene Art jener von Cenarius in nichts nachstand.
»Jetzt sehe ich, dass ich mich der Mehrheit werde beugen müssen«, beendete der Herr des Waldes mit trauriger Stimme seine Ausführungen.
»Wir hörten deinen Ruf …«, knurrte eine tiefe, schwere Stimme. »Du gibst zu, dass du Unrecht hattest …«
Der Zauberer wollte sich umdrehen, um zu erkennen, wer dort gerade sprach, aber seine Beine verweigerten ihren Dienst. Sein ganzer Körper war wie gelähmt.
Etwas, das noch riesiger als der Halbgott war, näherte sich Rhonin von hinten.
Cenarius schien über die Bemerkungen des anderen überhaupt nicht erfreut zu sein, sagte aber: »Ich gebe nur zu, dass man jetzt andere Schritte unternehmen muss.«
»Die Wahrheit wird enthüllt werden …« Eine schwere, pelzbesetzte Hand mit dicken Klauen schloss sich um Rhonins Schulter und packte schmerzhaft zu. »… schon sehr bald …«