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»Du solltest im Tempel bleiben!«, erklärte Illidan. »Malfurion hielt es für das Beste – und ich auch!«

Aber Tyrande ließ sich nicht umstimmen. »Ich muss wissen, was vorgeht! Du hast gesehen, wie viele Männer ihnen nachgeritten sind! Wenn sie sie gefangen haben …«

»Sie werden sie nicht fangen!« Er blinzelte. Die blendende Sonne war gar nicht nach seinem Geschmack. Er fühlte, wie seine Kräfte nachließen, wie der Rausch der Magie schwand, und Illidan mochte solche Empfindungen nicht. Er genoss die Magie in all ihren Facetten. Das war einer der Gründe dafür gewesen, dass er versucht hatte, dem Pfad des Druiden zu folgen – das und die Tatsache, dass Cenarius’ Lehren angeblich nicht von Nacht oder Tag beeinflusst wurden.

Sie standen seiner Meinung nach gefährlich nahe am Marktplatz. Tyrande hatte hierher zurückkehren wollen, sobald sich die Lage ein wenig beruhigt hatte. Die Mondgarde und die Soldaten waren fortgeritten und verfolgten Malfurion. Nur zwei der Zauberer waren zurückgeblieben, um den Käfig zu untersuchen – was sie getan und dabei keinerlei Spur der Täter gefunden hatten. Genau wie Illidan es erwartet hatte. Er war mindestens ebenso fähig wie irgendeiner der ach so ehrwürdigen Magier, wenn nicht sogar noch fähiger.

»Ich sollte ihnen nachreiten!«

Würde sie denn niemals aufgeben? »Wenn du das tust, bringst du uns alle in Gefahr! Willst du, dass sie dein Haustierchen nach Black Rook Hold und zu Lord Ravencrest schaffen? Dann könnten sie genauso gut auch uns dorthin bring …«

Plötzlich schloss Illidan den Mund. Am anderen Ende des Marktplatzes erschienen mehrere Reiter in Rüstungen … angeführt von Lord Kur’talos Ravencrest persönlich.

Es war zu spät, um sich noch zu verstecken. Als der Nachtelfen-Kommandant an ihnen vorbei ritt, fiel sein finsterer Blick erst auf Tyrande, dann auf ihren Begleiter.

Ravencrest brachte seinen Panther abrupt zum Stehen und fixierte Illidan.

»Ich kenne dich, junger Mann … Illidan Stormrage, nicht wahr?«

»Jawohl, Milord. Ich hatte einmal die Ehre, Euch kennen lernen zu dürfen.«

»Und das Mädchen?«

Tyrande verbeugte sich. »Tyrande Whisperwind, Novizin im Tempel der Elune …«

Die Nachtelfen auf ihren Reittieren machten ehrerbietig das Zeichen des Mondes, und auch Ravencrest neigte respektvoll den Kopf. Dann wandte der Edelmann sich wieder Illidan zu. »Ich erinnere mich an unsere Begegnung. Du hast damals die magischen Künste studiert.« Er rieb sich das Kinn. »Du bist noch kein Mitglied der Mondgarde, oder?«

Die Art, wie Ravencrest die Frage stellte, machte klar, dass er die Antwort bereits kannte. Offensichtlich hatte er seit ihrem ersten Zusammentreffen ein Auge auf Illidan gehabt, und das machte den jungen Nachtelfen sowohl stolz, als auch besorgt. Er war sich nicht bewusst, irgendetwas getan zu haben, das das Wohlwollen des Kommandanten verdient hätte. »Nein, Milord.«

»Dann bist du auch nicht durch ihre Beschränkungen gebunden, nicht wahr?« Die Beschränkungen, von denen der Kommandant sprach, bezogen sich auf die Eide, die jeder Zauberer ablegen musste, wenn er dem berühmten Orden beitrat. Die Mondgarde war ein vollkommen eigenständiges Gebilde, das niemandem Treue schuldete außer der Königin … Und das bedeutete, dass selbst ein Mann wie Lord Ravencrest nicht über sie verfügen konnte.

»Ich denke nicht.«

»Gut. Sehr gut. Prächtig. Dann möchte ich, dass du mit uns reitest.«

Jetzt schauten sowohl Tyrande als auch Illidan verwirrt drein. Die junge Priesterin, die sich offenbar um Illidans Sicherheit sorgte, sagte: »Milord Ravencrest, wir würden uns geehrt fühlen …«

Weiter kam sie nicht. Der Nachtelfen-Lord hob höflich eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Nicht Ihr, Schwester, obwohl der Segen von Mutter Mond stets willkommen ist. Nein, ich will jetzt nur mit dem Jungen sprechen.«

Illidan, der versuchte, seine wachsende Nervosität zu verbergen, fragte: »Aber wofür könntet Ihr einen wie mich brauchen, Milord?«

»Im Augenblick für eine Untersuchung. Die Kreatur, die hier eingesperrt war, ist entkommen, wie auch ihr mit Sicherheit gehört habt. Ich selbst habe erst vor wenigen Minuten von dieser Flucht erfahren. Falls sie noch nicht wieder eingefangen ist, habe ich ein paar Ideen, wie man sie finden könnte. Ich könnte aber gut die Hilfe eines Zauberers gebrauchen, und obwohl die Mondgarde sehr fähig ist, würde ich jemanden vorziehen, der meinen Befehlen folgt.«

Einem Nachtelfen von so hohem Rang wie Ravencrest ihn bekleidete eine Bitte zu verweigern, wäre mehr als verdächtig gewesen. Aber wenn Illidan sich ihm anschloss, brachte er Malfurion in Gefahr. Tyrande musterte Illidan verstohlen und versuchte, seine Gedanken zu erraten. Er wiederum wünschte sich, sie könnte ihm sagen, was er Ravencrest zur Antwort geben sollte.

Im Grunde blieb ihm keine Wahl. »Es wäre mir eine große Ehre, mich euch anschließen zu dürfen, Milord.«

»Prächtig! Rol’tharak! Ein Reittier für unseren jungen Zaubererfreund hier!«

Der angesprochene Offizier führte einen in Reserve gehaltenen Nachtsäbel heran. Fast schien es, als hätte Ravencrest erwartet, hier auf Illidan zu treffen. Das Tier kauerte sich nieder, damit der neue Reiter seinen Rücken besteigen konnte.

»Die Sonne geht gleich auf, Milord«, wandte sich Rol’tharak an seinen Herrn, während er Malfurions Bruder die Zügel des Tieres übergab.

»Wir kommen schon klar … und du auch, was, Zauberer?«

Illidan verstand den versteckten Sinn ganz genau. Seine Kräfte würden im Tageslicht schwächer sein, doch der Kommandant war offensichtlich zuversichtlich, dass er sich trotzdem würde nützlich machen können. Das Vertrauen, das Ravencrest ihm damit bewies, ließ Illidans Brust vor Stolz schwellen.

»Ich werde Euch nicht enttäuschen, Milord.«

»Prächtig, Junge!«

Als er sich auf den Panther schwang, warf Illidan Tyrande einen kurzen Blick zu, der ihr sagen sollte, dass sie sich um Malfurion und den Orc keine Sorgen machen musste. Er würde mit Ravencrest reiten und dem Edelmann helfen, so gut er konnte – so lange dadurch die Flucht des Paares nicht gefährdet wurde.

Eine größere Belohnung als Tyrandes kurzes, aber dankbares Lächeln hätte er sich nicht vorstellen können. Illidan war gehörig stolz auf sich und nickte dem Kommandanten zu, dass er nun bereit sei.

Mit einem Winken und einem lauten Ruf führte Lord Ravencrest seine bewaffnete Truppe dem Wald entgegen. Illidan lehnte sich vor, entschlossen, mit dem Edelmann Schritt zu halten. Irgendwie würde es ihm gelingen, Ravencrest zu gefallen und gleichzeitig zu verhindern, dass sein altruistischer Bruder im Kerker von Black Rook Hold endete. Malfurion kannte sich in den Wäldern aus, was bedeutete, dass es ihm wahrscheinlich gelingen würde, Soldaten und Mondgardisten abzuhängen. Aber wenn die Verfolger seinen Zwillingsbruder und Tyrandes Geschöpf doch eingeholt haben sollten, würde Illidan ernsthaft darüber nachdenken müssen, Brox zu opfern, um wenigstens seinen Bruder zu retten. Selbst Tyrande würde das verstehen müssen. Er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um diese Situation zu vermeiden, aber das eigene Blut ging ihm über alles andere …

Wie so oft hatte sich ein Morgennebel über die Landschaft gesenkt. Die Luft würde bald aufklaren, aber noch erhöhte der Dunst Malfurions Chancen. Illidan hielt seine Augen auf den Pfad vor sich gerichtet und fragte sich, ob es der gleiche war, den auch sein Bruder benutzt hatte. Vielleicht war die Mondgarde ja in die falsche Richtung geritten, und dann wäre auch Lord Ravencrests Suche zum Scheitern verurteilt gewesen. Der junge Nachtelf nährte diese Hoffnung in sich.

Als sie auf ihren schnellen Nachtsäbeln tiefer und tiefer in das Waldland vordrangen, legte sich der Nebel allmählich. Die Morgensonne nagte bald ebenso eifrig an Illidans Kräften, wie sie den Nebel fraß. Aber er biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu sehr darüber nachzudenken. Wenn es dazu kam, dass er seine Zauberkräfte unter Beweis stellen musste, wollte er den Edelmann keinesfalls enttäuschen. Die Jagd nach dem Orc war zu Illidans großer Chance geworden, wertvolle neue Beziehungen in der Nachtelfen-Welt zu knüpfen.