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Doch gerade als sie die Spitze eines Kamms erreichten, sah Illidan etwas, das ihn die Stirn runzeln ließ. Lord Ravencrest fluchte und zügelte seinen Nachtsäbel. Der Rest der Truppe tat es ihm gleich.

Vor ihnen lagen seltsame Haufen über den Pfad verteilt. Die Nachtelfen ritten vorsichtig zur anderen Seite des Kamms hinab und hielten ihre Waffen bereit. Illidan betete, dass er seine Fähigkeiten bei Tage nicht überschätzt hatte.

»Bei den Augen der Gesegneten Azshara!«, entfuhr es Ravencrest.

Illidan konnte gar nichts sagen. Er hatte nur noch Augen für das unfassbare Gemetzel, das sich ihnen im Näherreiten enthüllte.

Mindestens ein halbes Dutzend Nachtelfen, darunter zwei Mitglieder der Mondgarde, lagen tot vor den Neuankömmlingen, ihre Leichen in Stücke gerissen und im Fall der beiden Zauberer offenbar von irgendeiner vampirischen Kraft ausgesaugt. Der Anblick der beiden Magier erinnerte Illidan an vertrocknete Früchte, die zu lange in der Sonne gedörrt hatten. Ihre ausgemergelten Leiber lagen in Haltungen, die extreme Qual ausdrückten, auf dem Waldboden, und offensichtlich hatten sie sich während ihrer gesamten Tortur mit aller Kraft gewehrt.

Fünf Nachtsäbel waren ebenfalls tot, drei mit heraus gerissenen Kehlen, die anderen beiden mit aufgeschlitzten Bäuchen. Von den überlebenden Panthern war nichts zu sehen.

»Ich hatte Recht!«, schnappte Ravencrest. »Diese grünhäutige Bestie war nicht allein! Es müssen zwei Dutzend oder mehr von ihrer Sorte gewesen sein, die das hier angerichtet haben … und die Mondgarde war dabei!«

Illidan achtete nicht auf ihn, sondern machte sich mehr Sorgen um Malfurion. Dies konnte nicht das Werk seines Bruders oder eines einzelnen Orcs sein. Hatte Lord Ravencrest vielleicht doch Recht? Hatte Brox Malfurion verraten und ihn zu seinen wilden Kameraden geführt?

Ich hätte die Bestie töten sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte! Er ballte die Fäuste und fühlte, wie die Wut seine Kräfte verstärkte. Wenn er jetzt ein Ziel gehabt hätte, einen Gegner, er hätte dem Edelmann seine magischen Fähigkeiten bewiesen.

Da bemerkte einer der Soldaten etwas, das rechts etwas abseits des Gemetzels lag. »Milord! Schaut Euch das an! So etwas habe ich noch nie gesehen!«

Illidan und Ravencrest wendeten ihre Panther und starrten mit großen Augen auf das Tier, das der andere Nachtelf entdeckt hatte.

Es war eine Kreatur aus einem Alptraum. Die Gestalt erinnerte vage an einen Wolf, doch war sie auf eine monströse Art verzerrt, als habe irgendein wahnsinniger Gott sie in den Tiefen seines kranken Geistes geschaffen. Selbst im Tod hatte sie nichts von ihrer Grauenhaftigkeit verloren.

»Was hältst du davon, Zauberer?«

Für einen Augenblick vergaß Illidan, dass er hier der Quell magischer Weisheit war. Er schüttelte den Kopf und antwortete in aller Offenheit: »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Lord Ravencrest … nicht die geringste Ahnung.«

So Furchterregend dieses Monster auch sein mochte, jemand hatte es getötet und einen behelfsmäßigen Speer in seinen Rachen gerammt, woran es wahrscheinlich erstickt war.

Wieder wandten sich Illidans Gedanken seinem Bruder zu, den er zuletzt auf dem Weg in diesen Wald gesehen hatte. War dies Malfurions Werk? Unwahrscheinlich. Lag sein Zwillingsbruder stattdessen irgendwo in der Nähe, in Fetzen gerissen wie die anderen Nachtelfen?

»Sehr seltsam«, murmelte Ravencrest. Dann richtete er sich plötzlich in seinem Sattel auf und blickte sich um. »Wo ist der Rest der ersten Gruppe?«, fragte er, an niemand Bestimmten gewandt. »Wir hätten eigentlich doppelt so viele Männer finden müssen!«

Wie zur Antwort auf seine Frage erklang ein klagender Hornruf von Süden her, wo das Waldgelände abrupt abfiel.

Der Kommandant wies mit seiner Klinge in die Richtung, aus der das Horn erklungen war. »Dort entlang … aber seid vorsichtig. Vielleicht sind hier noch mehr von diesen Monstern unterwegs!«

Die Gruppe arbeitete sich das Gelände hinab, und jeder Nachtelf, auch Illidan, beobachtete den dichter werdenden Wald mit Beklemmung. Das Horn ertönte nicht wieder. Kein gutes Zeichen.

Bald trafen sie auf einen weiteren toten Nachtsäbel, dessen gesamte linke Körperhälfte von furchtbaren Klauen aufgerissen war. Nicht weit davon entfernt lag die ausgemergelte Leiche eines dritten Mitglieds der Mondgarde gegen einen großen Felsen gepresst, und der in grenzenlosem Schrecken erstarrte Gesichtsausdruck ließ selbst die Hartgesottensten unter Lord Ravencrests Männern erschaudern.

»Ruhig …«, befahl der Edelmann mit leiser Stimme. »Ordnung wahren …«

Ein weiteres Mal erklang das Horn, jetzt viel näher und direkt vor ihnen.

Die Neuankömmlinge ritten auf den klagenden Ruf zu, und Illidan hatte das scheußliche Gefühl, dass irgendetwas sie beobachtete – insbesondere ihn! Doch wann immer er sich umblickte, sah er nur Bäume.

»Noch einer, Milord!«, rief der Nachtelf namens Rol’tharak und zeigte auf den Weg voraus.

Und tatsächlich lag dort noch eine weitere der höllischen Bestien. Sie war tot, aber ihr Körper lag in einer seltsamen Haltung ausgebreitet, als habe sie noch im Sterben nach weiteren Opfern gesucht. Zusätzlich zu der zerschmetterten Nase und einer Schulter, aus der große Fleischbatzen gerissen waren, hatte sie seltsame Striemen an den Beinen, als sei sie mit Stricken gefesselt worden. Was sie jedoch getötet hatte, waren eine Reihe gut gezielter Hiebe von Nachtelfenklingen gewesen. Eines der Schwerter steckte noch immer im Rachen der Kreatur.

Sie fanden zwei weitere Soldaten in der Nähe. Die gut ausgebildeten Krieger des Reiches lagen wie weggeworfene Stoffpuppen über den Waldboden verstreut. Illidan runzelte verwirrt die Stirn. Wenn es den Nachtelfen gelungen war, die beiden Monster zu töten, wo waren dann die Überlebenden?

Wenige Sekunden später fanden sie, was noch von der Gruppe übrig war.

Ein Soldat saß gegen einen Baum gelehnt. Sein linker Arm war abgerissen worden, und jemand hatte einen kläglichen Versuch unternommen, die riesige Wunde zu verbinden. Der Mann starrte vor sich hin, ohne die Ankömmlinge wahrzunehmen, das Horn in der einen Hand, die ihm geblieben war. Blut besudelte seinen Oberkörper.

Neben ihm lag der andere Überlebende – wenn man bei einem Mann, dem die rechte Gesichtshälfte abgerissen war und dessen linkes Bein am Knie in einem unmöglichen, Übelkeit erregenden Winkel abstand, noch von Überleben sprechen konnte. Sein Atem ging stoßweise und hob kaum den Brustkorb.

»Du da, Mann!«, bellte Ravencrest den Nachtelf, der das Horn hielt, an. »Sieh her zu mir!«

Der Überlebende blinzelte, dann zwang er seine Blick zu dem Edelmann hinauf.

»Ist das alles? Gibt es noch mehr Überlebende?«

Der verstümmelte Soldat öffnete den Mund, aber nur ein Röcheln drang aus seiner Kehle.

»Rol’tharak! Kümmere dich um seine Wunden! Gib ihm Wasser, wenn er es braucht!«

»Jawohl, Milord!«

»Der Rest von euch sichert das Gelände! Verteilt euch! Sofort!«

Illidan blieb bei Ravencrest und sah skeptisch zu, wie sich die Krieger in weitem Bogen verteilten und so eine Grenze absteckten, von der sie hofften, dass sie sicher war. Dass so viele ihrer Kameraden, darunter drei Zauberer, offenbar problemlos massakriert worden waren, hob ihre Moral in keiner Weise.

»Sprich!«, brüllte Ravencrest. »Ich befehle es dir! Wer ist für dieses Gemetzel verantwortlich? Der entflohene Gefangene?«

Bei diesen Worten brach aus dem blutverschmierten Soldaten wildes Gelächter hervor. Es erschreckte Rol’tharak so sehr, dass er einen Schritt zurückwich.

»D-Den haben wir nie zu Gesicht bekommen, M-Milord!«, antwortete die verstümmelte Gestalt. »Der ist wohl selbst g-ge-fressen worden!«

»Also waren es diese Monster? Diese Hunde?«