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»S-Sein Zauber ist fehlgeschlagen?« Das ergab keinen Sinn. Malfurions Inquisitor war einer der höchsten und fähigsten Magier.

»Alle ihre Zauber sind fehlgeschlagen«, behauptete Illidan. »Als er die Kontrolle über den ersten verlor, versuchte er einen zweiten … und als der nicht gelang, versuchte sein Begleiter einen dritten … alles ohne Erfolg.«

Malfurion verstand immer noch nicht. Die Worte seines Zwillingsbruders klangen, als hätten beide Zauberer der Mondgarde jegliche Macht verloren. »Sie konnten nicht zaubern?«

»Nein … und meine eigenen Kräfte sind auch geschwächt.« Er beugte sich zu Malfurions Ohr hinab. »Ich glaube, ich habe noch ein wenig Macht – aber wirklich nur ein wenig. Wir scheinen von der Quelle getrennt worden zu sein.«

Die Unterhaltung wurde immer hektischer. Er hörte, wie Lord Ravencrest fragte, ob die Mondgarde noch Kontakt zu ihrem Orden halte, worauf einer der Zauberer zugab, dass die sonst ständige Verbindung unterbrochen sei. Der Adlige fragte dann seine eigenen Anhänger, ob wenigstens sie einen Teil ihrer Fähigkeiten behalten hatten.

Niemand konnte dies bejahen.

»Es hat begonnen …«, flüsterte Malfurion, ohne zu überlegen.

»Was?« Sein Zwillingsbruder hob die Brauen. »Was meinst du? Was hat begonnen?«

Er sah an Illidan vorbei und dachte an die gewaltigen Kräfte, die von jenen im Turm gedankenlos beschworen wurden. Und er ahnte erneut die Konsequenzen, die dies für alle außerhalb des Palastes haben würde.

»Ich weiß es nicht«, sagte Malfurion schließlich. »Ich wünschte bei Mutter Mond, ich wüsste es … aber das ist nicht der Fall …« Hinter Illidan sah Malfurion die besorgten Gesichter von Rhonin und Brox. Vielleicht verstanden sie nicht in voller Tragweite, was geschah, aber sie erweckten den Eindruck, als teilten sie seine Befürchtungen. »Ich weiß nur, dass es begonnen hat … was auch immer es sein mag.«

Allenthalben im Reich der Nachtelfen, überall auf dem Kontinent Kalimdor, spürten Tausende den Verlust. Die Quelle war von ihnen getrennt worden. Die Macht, die sie so sorglos benutzt hatten … war fast zur Gänze verschwunden. Angst breitete sich aus. Es war, als habe jemand in den Himmel gegriffen und den Mond gestohlen.

Diejenigen, die in der Nähe des Palastes lebten, wandten sich natürlich an ihre Königin und baten Azshara um Hilfe. Sie warteten vor den verschlossenen Toren und versammelten sich zu einer großen Menge. Von oben beobachteten die Wachen sie mit leeren Gesichtern. Sie öffneten weder die Zugänge, noch versuchten sie, die Menge mit Worten zu beruhigen.

Erst als die Hälfte der Nacht vergangen war und sich fast die gesamte Stadt vor dem Palast eingefunden hatte, öffneten sich die Tore schließlich. Die Bewohner machten sich erleichtert auf den Weg ins Innere. Sie waren überzeugt, dass Azshara ihre Rufe endlich erhört hatte.

Doch nicht die Königin kam zwischen den Palastwällen hervor, sondern etwas, das sich niemand in der Elfenwelt je auch nur hätte erträumen können.

Und so fand die Brennende Legion ihre ersten Opfer.

19

Schwindel schwappte wie eine Welle über Krasus hinweg. Der Angriff erfolgte so unvermittelt, dass er ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Nur Momente zuvor hatte er sich wegen seiner großen Nähe zu Korialstrasz wieder wie er selbst gefühlt, und der Drache trug ihn gerade mit hoher Geschwindigkeit in die ungefähre Richtung, in der Cenarius’ Lichtung lag. Aber sie waren ihr noch nicht so nahe, dass der Halbgott sie hätte bemerken können. Die Entschlossenheit, den Nachtelf zu finden, den Nozdormu ihm gezeigt hatte, verlieh Krasus zusätzliche Kraft. Deshalb traf ihn das plötzliche Schwindelgefühl so unvorbereitet, dass er beinahe von Korialstrasz’ Nacken gestürzt wäre.

Der Drache verlagerte sein Gewicht im letzten Moment, doch Krasus’ jüngeres Ich wirkte ebenfalls verstört.

»Fühlst du dich immer noch nicht besser?«, rief der Drache.

»Ich … erhole mich.« Krasus blickte in den Nachthimmel und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Er durchsuchte seine lückenhafte Erinnerungen und fand schließlich eine mögliche Antwort. »Mein Freund, kennst du die Hauptstadt der Nachtelfen?«

»Zin-Azshari? Ich kenne sie ein wenig.«

»Flieg dorthin.«

»Aber deine Suche …«

Krasus ließ sich nicht von seinem Entschluss abbringen. »Wir müssen sofort dorthin! Es ist von allergrößter Wichtigkeit.«

Sein jüngeres Ich murmelte etwas, das verärgert klang, wandte sich aber in die Richtung von Zin-Azshari. Krasus lehnte sich vor und erwartete die ersten Hinweise auf die legendäre Stadt. Wenn seine Erinnerung ihn nicht trog – und das war keineswegs sicher – symbolisierte Zin-Azshari den schöpferischen und kulturellen Höhepunkt der Nachtelfen-Zivilisation, eine riesige, pulsierende Metropole, wie es sie in dieser Form wohl kein zweites Mal gab.

Die Opulenz der uralten Stadt interessierte ihn jedoch nicht. Krasus dachte nur daran, dass Zin-Azshari nahe der legendären Quelle der Ewigkeit gelegen hatte.

Und es war diese Quelle, die ihn anzog. Obwohl Krasus sich nicht mehr daran erinnerte, wo die Brennende Legion zuerst in die Welt gestürmt war, hatte sein Verstand nicht gelitten, und es gab einige deutliche Hinweise auf jenen Ort.

In jener Zeit ging die Macht von der Quelle aus, und die Dämonen brauchten sie, um in die Reiche zu gelangen, die sie zu zerstören trachteten.

Deshalb war es sehr wahrscheinlich, dass sich das Portal, das die Brennende Legion zur Passage benutzte, in unmittelbarer Nähe der größten jemals gefundenen Quelle reiner Magie befand.

Sie schossen durch den Nachthimmel. Korialstrasz legte rasch Meile um Meile zurück. Dennoch vergingen Stunden, wertvolle Stunden, die sich die Welt vielleicht nicht leisten konnte.

Schließlich rief der Drache: »Wir werden Zin-Azshari bald erreichen. Was erhoffst du dir dort zu sehen?«

Die Frage war eigentlich, was er hoffte, dort nicht zu sehen, doch das konnte Krasus seinem Begleiter nicht verständlich machen. »Ich weiß es nicht.«

Vor ihnen tauchten zahllose Lichter auf. Er stutzte. Bestimmt beleuchteten die Nachtelfen einen Teil ihrer Stadt, aber die Lichter wirkten übertrieben für ein Volk aus nachtaktiven Geschöpfen. Selbst eine Stadt wie Zin-Azshari hätte nicht so hell sein sollen.

Als die beiden sich näherten, bemerkten sie, dass die Helligkeit nicht von Fackeln oder Kristallen rührte, sondern von riesigen Bränden, die überall in der Hauptstadt der Nachtelfen tobten.

»Die Stadt steht in Flammen!«, rief Korialstrasz. »Was könnte ein solches Inferno ausgelöst haben?«

»Wir müssen tiefer gehen«, war Krasus’ einzige Antwort.

Der rote Drachen neigte sich vor und fiel um einige hundert Fuß, bis Einzelheiten sichtbar wurden. Farbenfrohe, helle Gebäude brannten lichterloh, einige zerfielen bereits. Gärten voller Skulpturen und große Baumhäuser wurden zu Scheiterhaufen.

Und überall in den Straßen lagen Tote.

Man hatte sie brutal abgeschlachtet, ohne Mitgefühl für die Alten, die Kranken oder die Jungen. Viele waren in Gruppen gestorben, während andere offensichtlich einzeln gejagt worden waren. Außer der Bevölkerung von Zin-Azshari waren auch die Kadaver von Tieren zu sehen, vor allem die großer Nachtsäbel. Auch sie waren hingemetzelt worden.

»Hier fand ein Krieg statt!«, stieß der Leviathan hervor. »Nein, kein Krieg. Ein Massaker!«

»Das ist das Werk der Brennenden Legion«, flüsterte Krasus.

Korialstrasz hielt auf das Stadtzentrum zu. Seltsamerweise nahmen die Schäden ab, je mehr sie sich einem Gebäude näherten, das wie ein Palast aussah. Einige von Mauern umgebene Teile des Zentrums wirkten sogar völlig unberührt.