Выбрать главу

Abgesehen von Illidan wussten alle Nachtelfen, dass sie im Tageslicht nicht weiterkämpfen konnten. Doch was sie erreicht hatten, vermochte ihnen niemand mehr zu nehmen. Die Bedrohung war zwar noch nicht völlig ausgelöscht, aber sie wussten jetzt, dass die Dämonen Schwächen hatten. Man konnte sie töten. Man konnte sie zurückwerfen.

Der Kommandant suchte nach Freiwilligen, die mit zwei Aufträgen durch das Reich der Nachtelfen reiten sollten. Zum einen sollten sie mit einer größeren Armee zurückkehren, denn die Verteidiger rechneten mit einem erneuten Angriff der Brennenden Legion. Zum anderen sollten sie sich ein Bild der Verwüstungen machen.

Zusätzlich übertrug der Adlige seinem persönlichen Zauberer – Illidan – das Kommando über die Mondgarde. Es gab einige schwache Proteste seitens der älteren Zauberer, aber der junge Nachtelf brachte seine Kritiker zum Schweigen, als er mit einer lässigen Geste einen Feuerball mitten unter den fliehenden Dämonen explodieren ließ.

Illidan war so glücklich über seine Beförderung, dass er sofort Rhonin davon erzählte. Der Zauberer nickte höflich. Auf der einen Seite fragte er sich, ob er in Jugendjahren ebenso enthusiastisch gewesen war, zum anderen machte er sich Sorgen, wie diese Beförderung sich auf Illidans Persönlichkeit auswirken würde. Illidans Potenzial war größer als alles, was er bisher gezeigt hatte, aber seine Selbstüberschätzung konnte zu einer Falle werden, so tödlich wie die Brennende Legion. Rhonin nahm sich vor, auf den Nachtelf aufzupassen.

Als er schließlich allein war, betrachtete der einzige Mensch unter den Nachtelfen die Streitmacht, die man gegen die Dämonen aufgeboten hatte. Im Sonnenlicht glitzerten die Rüstungen der Soldaten und ließ sie beinahe mythisch wirken. Sie sahen aus und benahmen sich, als könnten sie jeden Feind schlagen. Trotzdem wusste Rhonin, dass sie eine weit größere Armee benötigten, um den letzten Kampf zu gewinnen. Die Geschichte sprach von einem Sieg, aber zu viele Faktoren – zu denen auch er gehörte – beeinflussten inzwischen den Ausgang der Schlacht. Schlimmer noch, die Brennende Legion kannte nun die magische Macht, der sie gegenüber stand. Sie würde sich stärker auf den Zauberer und Illidan konzentrieren.

In seiner eigenen Zeit war Rhonin das Ziel von Dämonen und deren Verbündeten gewesen. Er sehnte sich nicht danach, diese Erfahrung hier erneut zu machen.

Und was war mit dem, der die wahre Verantwortung für den Erfolg dieser Nacht trug? Nicht Rhonin. Nicht Illidan. Nicht die Mondgarde oder Lord Ravencrest mit seinen Truppen. Nein, sie alle waren nicht der wahre Garant des Sieges.

Was … fragte sich der erschöpfte Zauberer, als er auf das dunkle Zin-Azshari und die demoralisierte Horde blickte. Was ist bloß mit Malfurion geschehen?

24

Er lag still wie der Tod. Diese Vorstellung wurde noch dadurch verschlimmert, dass niemand mehr die Verbindung spürte, die mit ihm bestanden hatte. Malfurions Kopf lag in Tyrandes Schoß, während das weiche Gras dem Rest seines Körpers als Lager diente.

»Haben wir ihn verloren?«, fragte Jarod Shadowsong verwirrt. Der Hauptmann hatte die Gruppe an diesen Ort tief im Wald begleitet, um seinen Gefangenen Krasus weiter zu bewachen. Er hatte sich an dem Zauber nicht beteiligt, aber sie als Wächter unterstützt, als die Lage sich verändert hatte. Er hatte sich vom Bewacher zum besorgten Freund gewandelt, auch wenn er nur wenig von dem verstand, was passierte.

»Nein!«, gab Tyrande verärgert zurück. In einem freundlicheren Tonfall fügte sie hinzu: »Das darf nicht sein …«

»Er riecht nicht Tod …«, donnerte Korialstrasz’ Stimme.

Jarod Shadowsong reagierte jedes Mal nervös, wenn Korialstrasz etwas sagte. Er musste sich noch an die Anwesenheit des roten Drachen gewöhnen.

Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Tyrande das vielleicht lustig gefunden, doch jetzt beachtete sie es kaum. Sie selbst hatte den Leviathan schnell akzeptiert, vor allem, da sie eine verborgene Verbindung zwischen ihm und Krasus spürte. Sie wirkten fast wie Brüder oder Zwillinge.

Der Gedanke an Zwillinge lenkte ihren Blick zurück zu Malfurions.

Krasus ging auf und ab. Er sah jetzt wesentlich gesünder aus, und die junge Priesterin hatte bemerkt, wie sehr sich sein Zustand besserte, sobald er in Sichtweite des Drachen war. Zugleich schien sich die bleiche Gestalt um Malfurion zu sorgen – und das obwohl Krasus den Nachtelf vor der Begegnung im Tempel noch nie gesehen hatte.

Brox kniete gegenüber von Tyrande und hatte seine Axt neben den erkrankten Freund gelegt. Das Kinn des Orcs berührte seine Brust, und sie konnte hören, wie er etwas murmelte, das wie Gebete klang.

»Das Gebiet war mit mächtigen magischen Energien aufgeladen«, sagte Krasus leise, wie zu sich selbst. »Teile seines Traum-Ichs könnten in alle Teile der Welt geschleudert worden sein. Vielleicht findet er sich wieder … aber wie unwahrscheinlich ist das …?«

Hauptmann Shadowsong sah die anderen an. »Vergebt mir diese unangemessene Frage, aber ist ihm wenigstens gelungen, was er sich erhofft hatte?«

Die Gestalt in der Robe sah ihn ernst an. »Das zumindest ist ihm gelungen. Ich hoffe, es hat gereicht.«

»Redet nicht so!«, empörte sich Tyrande. Sie wischte sich eine Träne aus dem Auge und sah hinauf in den sonnigen Himmel. Trotz der Helligkeit hielt Tyrandes Blick stand. »Elune, Mutter Mond, vergib dieser Dienerin die Störung deiner Ruhe. Ich wage nicht, darum zu bitten, dass er uns zurückgegeben wird … aber gib uns bitte eine Erklärung für sein Schicksal!«

Doch kein Licht fiel auf Malfurion. Der Mond tauchte nicht urplötzlich auf und sprach zu ihnen.

»Vielleicht sollten wir ihn in den Tempel zurückbringen«, schlug der Hauptmann der Wache vor. »Vielleicht kann sie ihn dort besser hören …«

Tyrande antwortete ihm nicht.

Krasus verhielt im Schritt. Er blickte nach Süden, wo der Wald dichter wurde, kniff die Augen zusammen und spitzte die Lippen. »Ich weiß, dass du da bist.«

»Und ich weiß jetzt, was du bist«, antwortete ihm eine hallende Stimme.

Einige Bäume verschmolzen miteinander und bildeten eine Gestalt mit dem Körper eines Hirschs und einem Gesicht, das eher zu Tyrande oder Jarod Shadowsong gepasst hätte.

Mit geballten Fäusten ging Cenarius langsam auf die Gruppe zu. Er und Krasus sahen einander an, nickten einander respektvoll zu.

Der Waldgott ging zu Tyrande, die immer noch Malfurion stützte. Brox trat höflich zur Seite, während der Hauptmann der Wache den Halbgott mit offenem Mund anstarrte.

»Tochter meiner lieben Elune, deine Tränen berühren Himmel und Erde.«

»Ich weine um ihn, Milord … um einen, den auch Ihr mögt.«

Cenarius nickte. Seine Vorderläufe knickten ein, und er berührte sanft Malfurions Stirn. »Er ist wie ein Sohn für mich … und ich bin froh, dass er jemanden wie dich hat – der ihn festhält …«

»Ich … wir sind Freunde seit unserer Kindheit.«

Der Gott des Waldes lachte, ein Geräusch, das die Vögel zum Singen brachte und eine erfrischende, kühle Brise weckte. »Ja, ich habe dein Flehen an meine liebe Elune gehört, das ausgesprochene und das unausgesprochene.«

Tyrande konnte nicht verbergen, wie peinlich ihr das war. »Aber all mein Flehen war umsonst.«

Sein Gesichtsausdruck zeigte Verwirrung. »Glaubst du das? Weshalb bin ich denn hier?«

Die anderen erstarrten. Die Novizin schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht …«

»Weil du noch jung bist. Warte, bis du mein Alter erreichst …« Cenarius öffnete seine linke Faust. Ein grünes Licht stieg aus seiner Handfläche empor. Es schwebte, als müsse es sich erst zurechtfinden.

Der Halbgott erhob sich und trat zurück, um seinen Schüler zu betrachten. »Ich ging durch den Smaragdtraum und suchte Antworten auf unsere vielen furchtbaren Fragen. Ich suchte nach etwas, was man gegen die Anhänger des Todes einsetzen könnte …« Ein schwaches Lächeln erschien auf seinem bärtigen Gesicht. »… und stellt euch meine Überraschung vor, als ich einen Bekannten im Smaragdtraum fand, einen sehr verwirrten und benommenen Bekannten. Der nicht einmal mehr wusste, wer er selbst war, geschweige denn, dass er mich erkannte!«