Ein gigantischer Schatten wuchs über ihm empor. Quorrl-Stimmen begannen zu schreien. Metall blitzte. Skar rollte weiter, sah eines der gewaltigen Schuppenwesen über sich emporwachsen wie einen mörderischen Dämon und riß das Schwert in die Höhe. Die Klinge parierte die herabsausende Waffe des Quorrl und bohrte sich handtief in seinen Leib.
Skar sprang auf die Füße, ehe der zusammenbrechende Quorrl ihn unter sich begraben konnte. Blitzschnell steppte er einen Schritt zur Seite, packte den lederumwickelten Griff des Tschekal mit beiden Händen und schwang die Klinge in einem gewaltigen Hieb, blind und ungezielt und nur gedacht, sich die beiden Quorrl vom Leib zu halten, die noch am Leben waren. Trotzdem traf er etwas: kein Fleisch, sondern Metall, das unter dem Biß des Satai-Schwertes zerbrach wie Glas. Ein schriller, wuterfüllter Schrei erklang, und etwas Schweres stürzte zu Boden.
Skar wich mit zwei, drei raschen Schritten zum Waldrand zurück, wechselte das Schwert wieder in die Rechte und sah sich blitzschnell um. Trotz allem waren seit seinem Angriff erst Sekunden vergangen; Trash und der zweite Quorrl schienen noch gar nicht richtig begriffen zu haben, was überhaupt geschehen war - und das war wohl auch der Grund, aus dem er noch lebte. Sein überraschender Sieg war nur seiner Schnelligkeit zu verdanken; und der Tatsache, daß der Satai und die drei Fischgesichter mit allem gerechnet haben mochten, nur nicht mit einem Angriff. Aber der Vorteil der Überraschung währte nicht ewig, und die beiden Quorrl waren kräftig und wohl auch erfahren genug, selbst einen Satai zu besiegen, wenn sie wußten, wem sie gegenüberstanden.
Trash näherte sich ihm mit wiegenden Schritten, während sein Kamerad noch versuchte, sich wieder zu erheben und an die Waffe des getöteten Quorrl zu kommen. Wenn es ihm gelang, und sie ihn gemeinsam angriffen, dann war Skar verloren. Die beiden Giganten würden ihn einfach niederwalzen, nur durch ihr pures Körpergewicht.
Er stürmte los. Diesmal war Trash vorbereitet. Als Skar auf ihn zufederte, kam seine Klinge hoch, mit einer leichten, fast spielerischen Bewegung, die den Meister der Schwertkunst verriet, der sich im Körper eines plumpen Titanen verbarg.
Ihre Klingen prallten funkensprühend aufeinander. Skar spürte den Schlag, der durch seinen Arm ging, und er fühlte die ungeheure Körperkraft, die hinter Trashs Hieb steckte - selbst ein einfacher Fausthieb dieses Giganten mußte tödlich sein. Und Trash schien das ebensogut zu wissen wie er. Er schien auch zu wissen, daß er Skar mit dem Schwert allein nicht gewachsen war, denn er versuchte nicht, ein zweites Mal zuzuschlagen, sondern ließ es zu, daß Skars Klinge sein Schwert beiseite fegte und nach seiner Kehle züngelte. Aber im letzten Moment drehte er sich zur Seite, mit einer Behendigkeit, die Skar einem Wesen seiner Größe und Statur niemals zugetraut hätte, nahm einen tiefen blutenden Schnitt in die Schulter in Kauf und schlug mit dem Handrücken nach Skars Gesicht.
Der Hieb verfehlte ihn; nur Trashs Fingerspitzen streiften Skars Schläfe. Trotzdem reichte die Wucht des Hiebes, Skar von den Füßen zu fegen und sich drei-, viermal überkugeln zu lassen. Trash brüllte triumphierend, packte sein gewaltiges Schwert mit beiden Fäusten und setzte ihm nach. Als Skar auf die Füße kam, sah er die Klinge des Giganten wie einen stählernen Blitz auf sich herabsausen.
Er dachte nicht mehr. Etwas, das älter war als sein bewußtes Denken, übernahm die Kontrolle über seinen Körper; Reflexe, die er so lange trainiert und geschärft hatte, bis sie zu eigenständigem Leben erwacht waren, lenkten seine Bewegungen. Trashs Klinge sirrte herab, ein diagonal geführter, unglaublich schneller Hieb, aus fast drei Metern Höhe und so geführt, daß ihm weder Raum noch Zeit zum Ausweichen blieb. Selbst wenn er das Tschekal hochriß und die Götterklinge das Schwert des Quorrl zerschnitt, würde ihn der Faustschlag des Giganten töten. Aber Skar versuchte nicht, auszuweichen. Statt dessen sprang er Trash entgegen, tauchte unter seiner grabschenden Hand hindurch und rammte ihm die Schulter in den Leib, mit aller Kraft, zu der er fähig war.
Es war, als wäre er gegen Fels gelaufen. Unter dem Mantel des Quorrl verbargen sich stahlharte Schuppen, und darunter Muskeln, die in der Lage waren, einen Menschen in Stücke zu reißen, ohne sich besonders anzustrengen. Skar keuchte, als ein betäubender Schmerz durch sein Schultergelenk zuckte, in seinem Arm explodierte und seine gesamte rechte Körperhälfte zu lähmen schien.
Aber auch der Quorrl wankte. Sein Hieb verfehlte Skar. Die Klinge bohrte sich mit einem saugenden Geräusch in den Boden und verkantete sich. Ungeschickt stolperte der Gigant einen halben Schritt zurück, kämpfte mit einem wild rudernden Arm um seine Balance und stürzte auf ein Knie herab.
Skar sah blitzschnell zu dem zweiten Quorrl zurück. Der Riese hatte das Schwert seines toten Kameraden aufgenommen und stürmte brüllend heran. Aber zwischen ihm und Skar lag noch das Feuer; er würde Zeit brauchen, es zu umgehen; nur ein paar Sekunden, aber genug für Skar.
Noch aus der gleichen Bewegung heraus wirbelte er herum, versetzte Trash einen Fußtritt vor die Schläfe und schlug nach seinem Waffenarm.
Er spürte, daß der Hieb zu schnell war, aber er kam nicht mehr dazu, die Klinge abzulenken. Er hatte auf das Handgelenk des Quorrl gezielt, aber Trash stürzte vollends nach hinten, als ihn Skars Fußtritt traf; das Tschekal trennte Trashs Daumen ab, schnitt durch den Schwertgriff wie durch weiches Wachs und beraubte den Quorrl noch des Zeige- und Mittelfingers, ehe es in einem fast eleganten Bogen wieder hochkam und sich dem dritten und letzten Quorrl zuwandte. Trash brach brüllend zusammen und wälzte sich im Schnee, während sein Kamerad auf Skar zustürmte, blind und schreiend vor Wut. Er umging das Feuer nicht, wie Skar geglaubt hatte - er rannte einfach hindurch. Unter seinen Füßen stoben brennendes Holz und Funken davon. Flammen züngelten nach seinem Mantel und setzten einen Zipfel in Brand, aber er schien es nicht einmal zu bemerken.
Skar sprang ihm entgegen, raffte noch einmal alle Kraft zusammen und stieß sich ab. Er sprang, drehte sich halb in der Luft, zog die Knie an den Leib und stieß dann mit aller Wucht zu. Seine Füße und der Schädel des Giganten befanden sich auf gleicher Höhe, als sie zusammenprallten.
Er spürte, wie das Genick des Quorrl brach, aber der Riese rannte einfach weiter, wie ein großes, dummes Tier, das einfach zu stur zum Sterben war, stampfte über die Lichtung und brach wie eine Lawine aus Fleisch und Panzerplatten durch das Unterholz, ehe er endlich gegen einen Baum prallte und zusammenbrach. Die Flammen, die an seinem Mantel züngelten, wurden ganz allmählich größer.
Aber auch Skar stürzte. Sofort versuchte er hochzuspringen, aber er war schlecht aufgekommen: als er sein rechtes Bein belastete, schoß ein entsetzlicher Schmerz durch seinen Knöchel. Er schrie auf, fiel zur Seite und umklammerte stöhnend sein Fußgelenk. Für einen Moment verschwanden der Wald und das Feuer hinter Schleiern aus rotem Schmerz. Trash! dachte er. Trash lebte noch! Und auch mit nur einer Hand war der Gigant durchaus in der Lage, ihn zu töten.
Skar kämpfte den Schmerz nieder, wälzte sich herum und blickte zu ihm hinüber.
Der Quorrl hatte sich auf eine Hand und die Knie erhoben und robbte durch den Schnee, wobei er hohe, fast lächerlich klingende Schmerzlaute ausstieß. Die verstümmelte Hand hatte er eng gegen den Körper gepreßt. Eine breite Blutspur markierte den Weg, den er zurückgelegt hatte.
Aber er bewegte sich nicht auf Skar zu, sondern kroch dorthin, wo die Pferde standen. Er floh!
»Bleib stehen, du verdammter Feigling!« brüllte Skar. »Stell dich« Er packte sein Schwert fester, versuchte noch einmal, aufzustehen und fiel mit einem abermaligen Schrei zurück in den Schnee. Für die Dauer eines Herzschlages blieb er benommen liegen. Der Schmerz hörte nicht auf, auch nicht, als er das Bein entlastete. Sein Fuß war verstaucht, vielleicht sogar gebrochen, dachte er bitter. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich hoch und kroch hinter dem Quorrl her, das verletzte Bein wie eine tote Last hinter sich herschleifend.