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Trash blickte zu ihm zurück. Sein Schuppengesicht glänzte im Widerschein der Flammen wie eine Maske aus halbgeronnenem Blut, aber Skar sah auch die Angst in seinem Blick - und noch etwas. In Trashs Augen stand ein Entsetzen, das mit seiner Verwundung und Skars Angriff allein nicht mehr zu begründen war. Unglauben, dachte Skar verwirrt. Er kannte diesen Blick! Er hatte ihn tausendmal gesehen, in tausend verschiedenen Augenpaaren und bei tausend verschiedenen Anlässen - Trash hatte noch gar nicht begriffen, was geschah! Sein Angriff auf Skar war ein bloßer Reflex gewesen, das Tier in ihm, das sich wehrte, wenn ihm Gefahr drohte. Aber selbst jetzt schien er sich noch zu weigern, wirklich zu begreifen.

»Satai...«, gurgelte er. »Du Hund bist... bist ein Satai!« Sein Blick flackerte. Allein das Wort schien ihn mit grenzenloser Panik zu erfüllen. »Du Verräter!« keuchte er. »Du verdammter Verräter! Ich habe immer gewußt, daß man euch nicht trauen darf!«

Skar ignorierte seine Worte und verdoppelte seine Anstrengungen, den Quorrl einzuholen. Aber gleichzeitig wußte er, daß er es nicht schaffen würde - er war den Pferden näher, und er bewegte sich in spitzerem Winkel auf sie zu, aber Trash war viel schneller als er, und die Angst würde ihm zusätzliche Kräfte verleihen. Aber er würde ihn erwischen, wenn er versuchte, auf ein Pferd zu steigen. Er mußte es. Er mußte einfach, oder alles war aus. Und irgendwoher nahm er das feste Wissen, daß damit ganz und gar nicht nur sein Leben gemeint war.

Trash begann vor Schmerzen und Wut zu heulen, als er begriff, daß Skar dabei war, ihm den Weg abzuschneiden. Er kroch schneller, verlor plötzlich den Halt und stürzte mit einem schrillen Schmerzensgebrüll in den Schnee. Sein Gesicht war vor Angst verzerrt, als er sich wieder aufrichtete. Sein Blick flackerte wie der eines Wahnsinnigen. Rosafarbener, blutiger Geifer erschien auf seinen Haifischlippen. Er hatte jetzt kaum mehr Ähnlichkeit mit einem denkenden Wesen, sondern glich nun wirklich einem Monster, als hätten ihn Angst und Schmerz in das reißende Tier zurückverwandelt, aus dem sich die Vorfahren seines Volkes einst entwickelt hatten.

»Bleib stehen!« keuchte Skar. »Ich töte dich nicht, wenn... wenn du vernünftig bist!«

Trash stieß ein hohes, schrilles Geheul aus, grub einen faustgroßen Stein aus dem Schnee und schleuderte ihn nach Skar. Das Wurfgeschoß verfehlte ihn um fast einen Meter; trotzdem fiel auch Skar der Länge nach hin, als er eine erschrockene Bewegung machte.

Diesmal blieb er sekundenlang benommen liegen. Sein Herz jagte. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und sein Bein schmerzte unerträglich. Der Wald drehte sich vor seinen Augen. Er konnte kaum mehr klar sehen. Trashs Riesengestalt wurde zu einem auseinanderfließenden Schatten. Er hatte sich überschätzt. Er hatte zu viel von sich verlangt. Etwas in ihm war noch Satai, sein Wille, seine Reflexe; die mühsam herangezüchteten und ebenso mühsam unter Kontrolle gebrachten Killerinstinkte, die die Satai zu dem machten, was sie waren - unbesiegbare Kampfmaschinen, deren bloßes Erscheinen Furcht und Schrecken verbreitete. Aber sein Körper war nicht mehr der eines Satai. Er war alt, und was immer die Gesichtslosen Prediger mit ihm getan hatten, es hatte ihn des größten Teiles seiner Kraft beraubt. Er war wie ein Werkzeug, das sich noch erinnerte, wozu es einmal gut gewesen war, jetzt aber stumpf und spröde geworden war. Ganz kurz schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er ebensogut an einem Herzschlag sterben konnte wie an einem Fausthieb des Quorrl.

Die Vorstellung erfüllte ihn mit solchem Zorn, daß er weiterkroch.

Trash heulte wie ein geprügelter Hund, suchte nach einem zweiten Stein im Schnee und robbte weiter, als er keinen fand. Er war noch gute zehn Meter von den Pferden entfernt; doppelt so weit wie Skar. Und dann tat er das, was Skar insgeheim schon die ganze Zeit befürchtet hatte - er erinnerte sich daran, daß er Beine hatte.

Mit einem wütenden Brüllen richtete er sich auf, hob die verstümmelte Hand vor die Augen und starrte auf die beiden verkrümmten, blutbesudelten Finger, die er noch hatte. Er wimmerte; ein Laut, der Skar auf absurd erschreckende Weise an das Heulen eines jungen Hundes erinnerte. Seine starren Fischaugen weiteten sich. Einen Moment lang stand er wie erstarrt da, dann fuhr er herum, war mit ein paar grotesken, humpelnden Schritten bei den Pferden und löste etwas Großes, Dunkles vom Sattel eines der Tiere.

Skar erkannte im letzten Moment, daß es ein Speer war. Verzweifelt ließ er sich zur Seite fallen.

Der Speer zischte mit einem ekelhaften Geräusch durch die Luft, grub eine brennende Linie aus Schmerz in seine Seite und bohrte sich tief in den Boden. Skar schrie auf, denn die jähe Bewegung ließ einen neuerlichen, grauenhaften Schmerz durch sein gebrochenes Bein schießen. Halb blind vor Qual drehte er sich herum, zog die Knie an den Leib und hob schützend das Tschekal. Er war sicher, daß Trash ihn jetzt töten würde.

Aber der Quorrl griff nicht an, obwohl er nun alle Vorteile auf seiner Seite hatte. Statt dessen beugte er sich herab, löste mit einer blitzschnellen Bewegung die Fußfesseln eines Pferdes und griff dann zur Seite. Seine unverletzte Hand näherte sich der Kette, die den tobenden Hund hielt.

Skar erstarrte vor Schreck. Der Hund! Er hatte den Hund vergessen!

Trash lachte schrill, öffnete den Verschluß der Kette und riß den Hund brutal zurück, als er sich unverzüglich auf Skar stürzen wollte. Ungeschickt richtete er sich wieder auf, das riesige, tobende Tier dabei scheinbar mühelos mit sich zerrend, bis der Hund vor lauter Atemnot auf die Hinterläufe stieg, dabei aber noch immer tobend und geifernd vor Wut. Skar sah, daß das Tier aufgerichtet beinahe größer als er selbst war, ein struppiger schwarzer Gigant mit Kiefern, die den Arm eines Mannes spielend zermalmen konnten. Trash lachte abermals, griff mit seiner verstümmelten Hand nach dem Sattelknauf und zog sich auf den Rücken des Pferdes. Das Tier versuchte auszubrechen, als es das Gewicht des Kolosses spürte, aber Trash brachte es mit einem brutalen Ruck am Zaumzeug zur Räson. Dann grub er ihm die Absätze in die Flanken.

Und gleichzeitig ließ er den Hund los.

Das Tier stieß ein schrilles, fast schmerzerfüllt klingendes Jaulen aus, stand einen endlosen Moment fast reglos da - und sprang los.

Skar riß das Schwert in die Höhe, als die Bestie auf ihn zufederte. Aber entweder hatte das Tier Erfahrung im Kampf gegen einen bewaffneten Mann, oder seine Reaktionen waren noch schlechter, als er angenommen hatte: statt den Hund aufzuspießen, schlitzte die Klinge nur sein Fell auf und fügte ihm einen armlangen, blutenden Kratzer zu; längst nicht tief genug, ihn ernsthaft zu verwunden oder behindern - aber gerade schmerzhaft genug, den Hund noch wütender zu machen.

Immerhin verschaffte ihm der Hieb für Sekunden Luft. Trashs Pferd verschwand mit einem gewaltigen Satz im splitternden Unterholz, während der Hund ungeschickt dicht neben Skar auf dem Bauch landete, mit einem schrillen Heulen wieder in die Höhe sprang und ein paar Schritte rückwärts ging, ohne Skar dabei aus den Augen zu lassen. Er jaulte vor Schmerz; aber gleichzeitig drang auch tiefes, drohendes Knurren aus seiner Brust. Aus dem klaffenden Schnitt in seiner Flanke tropfte Blut und hinterließ runde rote Löcher im Schnee.

Skar versuchte, den Blick des Tieres zu fixieren. Seine Augen waren klein und böse und blutunterlaufen, und quer über seine Nase zog sich eine erst halb verkrustete Schramme. Wahrscheinlich hatten die Quorrl das Tier geprügelt, um es noch wilder zu machen. Skar konnte seine Wildheit beinahe riechen - und es war ein Hund, wie er noch keinen zuvor gesehen hatte: eine Bestie von der Größe eines kleinen Kalbes, mit Sicherheit an die zweihundert Pfund schwer und nur aus Muskeln und reißenden Zähnen bestehend. Der Hund würde ihn zerreißen, und wenn er dabei selbst den Tod fand.