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Skar hatte nicht mehr die Kraft, vor ihm davonzukriechen. Irgendwo, weit am Rande seines schon halb erloschenen Bewußtseins, erklang ein schriller Schrei, dann Schritte, die hastig näherkamen. Trash, dachte er müde, der zurückgekommen war, um ein Ende zu machen.

Aber es war nicht der Quorrl.

Skar sah einen Schatten, der zu klein für den eines Quorrl, selbst zu klein für den eines erwachsenen Mannes war, dann erscholl ein abermaliger Schrei, voller Wut und Haß diesmal, und plötzlich zischte etwas durch die Luft, bohrte sich in die Flanke des Hundes und erstickte sein wütendes Jaulen.

Skar versuchte sich aufzurichten, aber die Bewegung war zu viel. Einen halben Meter neben dem Tier brach er zusammen, krümmte sich im Schnee und versuchte, die Bewußtlosigkeit zurückzudrängen, die wie eine schwarze Hand nach seinen Gedanken griff. Er hörte Talin schreien, dann sah er, als arbeiteten seine Sinne nicht mehr richtig und zeigten ihm nur noch kleine, auf das Wesentliche reduzierte Ausschnitte der Welt, den Schädel des Hundes, eine Maske aus Blut und Haß, in deren Augen gegen jede Logik noch immer Leben war.

Sein Gesicht sank kraftlos in den Schnee. Mühsam versuchte er den Kopf zu drehen, um nicht zu ersticken, aber selbst diese kleine Anstrengung überstieg seine Kräfte. Er sah, wie Talin heranstürmte, absurd langsam dem Speer folgend, den seine Schwester geschleudert hatte, und etwas zog sich krampfhaft in ihm zusammen, als er sah, wie der Junge sich mit einem wütenden Kreischen auf den Hund warf, mit beiden Händen den Speer umklammerte und ihn tiefer in seinen Leib hineinstieß. Der Hund jaulte, schnappte hilflos und jetzt schon ohne Kraft in die leere Luft und erschlaffte endgültig. Das Feuer in seinen Augen erlosch.

Aber Talin hörte nicht auf. Immer wieder warf er sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen den Speer, riß und zerrte mit aller Macht an der Waffe und schrie dabei wie unter Schmerzen. Gleichzeitig trat er den Hund. Sein Gesicht war vor Haß zu einer Grimasse geworden, vor der selbst Skar erschrak. Er schien in einer Art Blutrausch zu sein, ein völlig sinn- und zielloses Toben, das nicht nachließ, sondern im Gegenteil immer schlimmer wurde.

»Talin! Hör auf!«

Syrrs Stimme war so scharf, daß sie selbst den Nebel der heraufdämmernden Bewußtlosigkeit durchdrang, der sich über Skars Gedanken ausbreitete. Das Mädchen trat auf ihn zu. Einen Moment lang blieb sie halb vorgebeugt über ihm stehen, dann, als sie sah, daß seine Augen offen waren und er noch lebte, fuhr sie herum, packte ihren Bruder bei den Schultern und riß ihn unnötig grob vom Kadaver des Hundes fort. Skar sah, daß sie all ihre Kraft aufwenden mußte, um seine Hände vom Schaft des Speeres zu lösen.

»Hör auf!« schrie sie noch einmal. Talin versuchte, ihre Hände beiseite zu schlagen und sich sofort wieder auf den Hund zu stürzen. Syrr packte ihn mit der linken Hand an der Schulter, zerrte ihn grob herum und ohrfeigte ihn. Talins Wutschreie wurden zu einem schluchzenden Wimmern. Er stolperte zurück, preßte beide Hände gegen das Gesicht und setzte sich unsanft in den Schnee. Einen Moment lang blickte Syrr ihn noch scharf an; ihre Hände waren leicht geöffnet, und auf ihrem Gesicht lag ein sonderbar angespannter Ausdruck, der Skar verriet, daß es nicht das erste Mal war, daß sie so etwas erlebte.

Aber dann entspannte sie sich, wandte sich wieder zu ihm um und fiel neben ihm auf die Knie. Der Ausdruck in ihren Augen wandelte sich in Schrecken, als sie sah, in welchem Zustand er war.

»Großer Gott, Skar, was ist passiert?« stammelte sie.

»Mein... Bein«, preßte Skar mühsam hervor. Mit aller Kraft wälzte er sich auf den Rücken, keuchte vor Schmerzen und deutete auf seinen rechten Fuß. »Ich glaube, er ist... gebrochen.« Das Mädchen erbleichte noch mehr, aber sie reagierte trotzdem mit erstaunlicher Kaltblütigkeit. Rasch stand sie auf, beugte sich über sein Bein und betastete den geschwollenen Knöchel; mit sehr kundigen, aber nicht sehr sanften Fingern. Skar stöhnte vor Schmerz.

»Gebrochen ist nichts«, stellte Syrr nach einer Weile fest. »Aber du wirst trotzdem ein paar Tage lang nicht gehen können.«

Skar keuchte, als sie die Hand auf seinen Knöchel legte und ganz sacht zudrückte, um ihre Worte zu beweisen. »Verdammt, paß doch auf!« keuchte er. »Was tut ihr überhaupt hier? Ich hatte euch befohlen, bei den Felsen auf mich zu warten!«

»Du bist nicht gekommen«, antwortete Syrr stirnrunzelnd. »Und dann haben wir Schreie gehört und wollten wissen, was... was geschieht.« Sie stockte, richtete sich ein wenig auf und wandte den Kopf nach rechts und links.

Sie brauchte nur Sekunden, um die Lichtung zu überblicken, aber in diesen wenigen Momenten ging eine erschreckende Veränderung in ihrem Gesicht vor sich. Skar sah, wie ihre Erleichterung erst in Schrecken und dann in pures Entsetzen umschlug. »Was ist... passiert?« stammelte sie.

»Wir waren verschiedener Meinung, was die Pferde anging«, sagte Skar gepreßt. Schwärze stieg aus seinem Inneren auf, wollte seine Gedanken ersticken, aber das durfte er nicht zulassen. Nicht jetzt. Wenn er das Bewußtsein verlor, würde er vielleicht nicht nieder aufwachen. Trash lebte noch. Und er hatte ein Pferd. Er würde wiederkommen.

»Sie wollten mir kein Tier leihen, weißt du«, keuchte er. »Und da mußte ich grob werden.«

Syrr starrte ihn an, als zweifelte sie an seinem Verstand.

»Du... du hast sie... erschlagen?« murmelte sie. »Du allein? Du... du hast zwei Quorrl erschlagen und...«

»Und einen Satai«, fügte Talin hinzu.

Syrr erstarrte vollends. Einen Moment lang blickte sie Skar aus geweiteten Augen an, dann flog ihr Kopf mit einem Ruck in den Nacken. Mit einem einzigen Schritt trat sie über Skar und den Kadaver des Hundes hinweg und beugte sich über den Toten. »Er ist ein Satai!« sagte Talin noch einmal. »Sieh! Er trägt ihr Zeichen!« Seine Hand deutete aufgeregt auf das schmale Stirnband des Toten. »Er... er hat einen Satai erschlagen! Mit bloßen Händen!«

»Aber das ist unmöglich!« stammelte Syrr. Sie richtete sich auf, blickte Skar an, dann den Toten, dann wieder Skar. Ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren. Und in ihren Augen stand ein Ausdruck, den Skar nur zu gut kannte: Angst.

Angst vor ihm.

»Du hast einen Satai erschlagen«, wiederholte sie die Worte ihres Bruders. »Mit bloßen Händen. Niemand kann das. Niemand außer -«

»Einem Satai«, sagte Skar. Alles drehte sich. In seinem Mund war Blut. Ihm wurde übel. »Ich bin Satai, ja. Aber darüber können wir später reden. Wir müssen... fort. Einer der Quorrl ist entkommen.« Er versuchte, sich auf die Ellbogen hochzustemmen, und irgendwie gelang es ihm sogar. Talins und Syrrs Gestalten begannen vor seinen Augen zu zerfließen. Die Schwäche ließ häßliche Grimassen aus ihren Gesichtern werden.

»Du bist... Satai?« wiederholte Syrr ungläubig. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.

Skar nickte. »Helft mir... auf«, sagte er müde. »Die Quorrl werden zurückkommen. Wir müssen... fort. Helft mir auf ein... ein Pferd.«

Syrr trat auf ihn zu. Ihr Gesicht war starr, wie eine Maske aus Stein, in der das Entsetzen für alle Zeiten eingefroren war. Und plötzlich blieb sie stehen, bückte sich und hob einen fast armdicken, qualmenden Ast aus dem Feuer. »Satai«, sagte sie noch einmal.

Etwas im Klang dieses Wortes warnte Skar.

Er sah den Schlag kommen. Aber er hatte nicht einmal mehr die Kraft, den Kopf zur Seite zu drehen.