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Enwass lächelte, aber es wirkte nicht echt. »Oder darin, direkten Fragen geschickt auszuweichen«, sagte er. »Nicht wahr?« Er drehte sich halb zu Syrr herum, machte eine ungeduldige Handbewegung und wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte. Skar war nicht sicher, ob es wirklich Zufall war, daß er dabei gerade richtig stand, um den Blickkontakt zwischen ihnen zu unterbrechen.

»So«, fuhr er dann fort. »Jetzt können wir reden. Also - wer bist du und vor allem, was bist du?« Er kam näher, ließ sich mit einem erschöpften Laut auf die Bettkante sinken und schüttelte sich den Schnee aus dem Haar. »Das Mädchen hat uns erzählt, wie sie dich gefunden haben. Du warst im Tempel?«

»Ja«, antwortete Skar. »Und bevor du fragst - ich weiß nicht, wie lange.«

»Du weißt es nicht?«

»Ich habe geschlafen«, antwortete Skar, etwas lauter als bisher und in bewußt scharfem, ungeduldigem Ton. »Ich weiß nichts von alledem, was hier vorgeht - von den Quorrl und dem Krieg und den...«

»Den Satai?« fiel der Fremde ein, als Skar nicht weitersprach. »Was soll damit sein?« erwiderte Skar.

Der Fremde lächelte dünn, griff unter seinen Mantel und zog das schmale lederne Stirnband mit dem Satai-Stern hervor, das Skar dem Toten abgenommen hatte. »Das haben wir bei dir gefunden«, sagte er. »Es ist das Zeichen eines Satai, nicht? Bist du einer?«

Skar schnaubte. Wütend deutete er auf das Schwert, dessen Griff unter dem Mantel des Fremden hervorlugte. »Du trägst ein Schwert«, sagte er ärgerlich. »Bist du ein Krieger?«

Enwass ohrfeigte ihn. Der Schlag kam so schnell, daß Skar keine Zeit mehr fand, ihn abzuwehren. Mit aller Kraft unterdrückte er den Impuls, seine Hand zu packen und zu verdrehen. Statt dessen hob er selbst den Arm und tastete nach seiner brennenden Wange.

»Noch einmal«, fuhr der Fremde fort, in einem Ton, als wäre nichts geschehen. »Bist du ein Satai?«

Skar ließ die Hand sinken und starrte ihn an. »Wenn ich das wäre, wärst du jetzt tot«, antwortete er kalt.

Einen Moment lang schwieg der Fremde, dann nickte er. Seltsamerweise schien dies genau die Antwort zu sein, auf die er gewartet hatte. »Was bist du dann?« fragte er. »Nur ein Satai besiegt einen Satai. Oder ein Vede. Bist du ein Vede?«

»Sehe ich so aus?« fauchte Skar. »Zum Teufel, nicht nur die Satai und Veden können kämpfen!«

»Das stimmt«, seufzte Enwass. »Auch ich weiß mein Schwert zu führen. Aber ich kenne niemanden, der einen Satai und drei Quorrl gleichzeitig erschlagen könnte. Und den Hund.«

»Den Hund hat der Junge getötet«, antwortete Skar ausweichend. »Und sie waren unaufmerksam. Ich habe sie hinterrücks angegriffen. Der Satai hatte keine Chance.«

»Gegen dich?« fragte Enwass zweifelnd.

»Ich habe ihm keine gelassen«, antwortete Skar - was sogar der Wahrheit entsprach. »Ich wußte, daß er mich töten würde in einem fairen Kampf. Und die Quorrl...« Er zögerte einen Moment. »Sie sind so dumm wie groß. Und sie sind sehr groß.« Diesmal huschte ein amüsiertes Lächeln über die Lippen des Fremden. Aber das Mißtrauen in seinem Blick erlosch nicht. »Warum hast du es getan?« fragte er. »Nimm an, ich glaube dir - warum solltest du einen Satai und drei Quorrl angreifen, mit bloßen Händen?«

Skar fuhr auf. »Zum Teufel, weil ich keine andere Wahl hatte!« fauchte er. »Was soll dieses Verhör? Wenn du mit Syrr gesprochen hast, weißt du auch, wie sie mich fanden. Was hätte ich tun sollen? Nackt durch den Schnee bis nach Denwar laufen?«

»Denwar?« hakte Enwass nach. »Du wolltest nach Denwar?«

»Ich wollte -« Skar brach ab, richtete sich auf, so weit es sein verletztes Bein und Enwass zuließen, und starrte ihn finster an. »Was soll das eigentlich?« fauchte er. »Du behandelst mich wie einen Feind! Ich weiß ja nicht einmal, wer du bist!«

»Mein Name ist Enwass«, sagte der Fremde ruhig. »Und es wäre besser, du würdest meine Fragen beantworten, Skar.« Er legte die Hand auf das Schwert an seiner Seite. »Besser für dich. Ich müßte dich nämlich sonst töten.«

»Ach?« sagte Skar wütend. »Und warum?«

»Weil ich es mir nicht leisten kann, jemanden am Leben zu lassen, von dem ich nicht weiß, wer er ist«, antwortete Enwass grob. »Weiß ich, ob du nicht zu ihnen gehörst? Vielleicht ist das alles hier eine Falle.«

»O ja, sicher«, antwortete Skar spöttisch. »Du hast mich durchschaut, Enwass. Ich gebe es zu. In Wahrheit, mußt du wissen, bin ich ein verkleideter Satai. Ich habe meinen Kameraden erschlagen und die beiden Quorrl, um mir euer Vertrauen zu erschleichen. Und dann habe ich mir noch selbst das Bein gebrochen und mich hierher geschleppt, weil ich nämlich wußte, daß du hierherkommen und mich finden würdest!«

Einen Moment lang starrte Enwass ihn voll unverhohlener Wut an. Und dann geschah etwas Seltsames: Seine Anspannung fiel von ihm ab, er seufzte, senkte den Kopf ein wenig und fuhr sich nervös mit der Hand über das Kinn. Und plötzlich begriff Skar, daß seine Härte nichts anderes als Angst war.

»Vermutlich hast du recht, Skar«, sagte er leise. »Ich war wohl ein wenig zu hart. Es... es tut mir leid. Aber du mußt mich verstehen. Wir sind seit drei Monaten auf der Flucht. Viele von uns sind tot. Und jetzt, wo wir uns der Grenze nähern...« Er lächelte nervös. »Wir können einen Mann wie dich gebrauchen«, fuhr er fort, in verändertem, fast - aber eben nur fast - freundlichem Tonfall. »Aber wir müssen vorsichtig sein.«

»Einen Mann wie mich ?« Skar verzog schmerzhaft die Lippen. »Einen Krüppel?«

»Dein Bein wird heilen«, erwiderte Enwass. »Wir haben gute Heilkräuter, und du bist stark. Es wird eine Woche dauern, bis wir die Grenze erreichen, vielleicht länger, denn wir können nur nachts reisen. Du wirst laufen, bis dahin.«

»Und wenn nicht?«

»Du wirst es müssen«, sagte Enwass, als wäre dies Erklärung genug. Dann fügte er hinzu: »Wenn wir dich am Leben lassen, heißt das.« Wieder legte er die Hand auf das Schwert. Sein Ton war viel freundlicher geworden, aber die Entschlossenheit in seinem Blick hatte nicht nachgelassen. Skar begriff, daß er ihn trotz allem töten würde, wenn er nur eine einzige falsche Antwort gab. »Also?« sagte er. »Wie kommt es, daß du einen Satai und die Quorrl erschlagen hast, Skar? Wer hat dich gelehrt, so zu kämpfen?«

»Du hast recht«, gestand Skar. »Ich... habe das Kämpfen von einem Satai gelernt.«

»Einem Satai?« Enwass versteifte sich.

»Ich war mit einem befreundet«, erwiderte Skar ruhig. »Sein Name war Del - kennst du ihn?«

Enwass schüttelte den Kopf. »Befreundet, sagst du?«

Skar nickte. Er versuchte, seine Enttäuschung zu unterdrücken. Es war närrisch gewesen, im Ernst zu erwarten, daß Enwass den Namen Del kannte - es gab Tausende von Satai, und Enwor war groß. Enwass' Kopfschütteln bedeutete nicht, daß er nicht mehr am Leben war. Wenigstens redete sich Skar das ein. »Ja«, antwortete er. »Aber das ist lange her. Lange bevor...« Er sprach nicht weiter. Er konnte es nicht, denn er hatte keine Ahnung, bevor was.

Aber seine Rechnung ging auf. Das Lächeln auf Enwass' Lippen wurde schmerzlich. »Ja«, sagte er, »das verstehe ich. Es tut weh, ich weiß.« Er seufzte. Dann, ganz plötzlich, änderte sich sein Gesichtsausdruck.

»Erzähle weiter«, verlangte er. »Wie bist du in den Tempel gekommen?«

»Wie alle, die die Hilfe der Gesichtslosen Prediger brauchen«, antwortete Skar.

»Hilfe? Wobei?«

»Das geht dich nichts an«, erwiderte Skar grob. »Ich kam zu ihnen, und sie versprachen mir zu helfen.«

»Einfach so?« Enwass' Augen wurden schmal. »Die Gesichtslosen Prediger helfen niemandem ohne Gegenleistung.«

»Dann haben sie bei mir eben eine Ausnahme gemacht«, erwiderte Skar gereizt. »Ich ging zu ihnen, weil ich gehört hatte, daß sie Zauberer seien. Und ich brauchte die Hilfe eines Zauberers.«