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»Du glaubst an Zauberei?«

»Nein«, antwortete Skar. »Aber sie.«

Enwass starrte ihn an, blinzelte - und lachte leise. »Eine gute Antwort«, sagte er. »Erzähle weiter.«

»Es gibt nichts weiter zu erzählen«, erwiderte Skar. »Sie gaben mir einen Trank und sagten, ich würde schlafen. Lange schlafen. Sie sagten nicht«, fügte er hinzu, »daß es so lange sein würde.«

»Wie lange?«

»Woher soll ich das wissen?« fauchte Skar. »Als ich erwachte, war der Tempel leer. Hätte ich nicht Syrr und den Jungen getroffen, wäre ich vermutlich dort unten verhungert.«

Enwass nickte. »Es ist ein Wunder, daß du überhaupt noch lebst, Skar«, sagte er. »Die Prediger sind fortgegangen - vor mehr als zwei Wochen.«

»Weißt du, wohin?« fragte Skar.

Zu seiner Überraschung antwortete Enwass sogar, wenn auch anders, als er gehofft hatte. Er seufzte, schüttelte den Kopf und zuckte gleichzeitig die Achseln. »Wohin alle gehen«, sagte er. »Nach Süden. Nach Bayfour, Lora oder Malab. In die freien Länder.«

»Die freien Länder...« Skar wiederholte den Begriff nachdenklich. »Ich... erinnere mich. Syrr sprach davon. Die anderen Länder...?«

»Sind besetzt«, führte Enwass den Satz zu Ende. »Von den Quorrl und deinen Satai-Freunden, Skar. Kohon, das Drachenland, Kohon-West, Tuan, ein Teil von Ikne...« Er seufzte abermals. »Der Winter hat sie aufgehalten. Wäre er nicht gekommen, gäbe es auch sie vielleicht nicht mehr.«

»Cosh«, murmelte Skar. »Was ist mit Cosh?«

»Die Sümpfe?« Enwass schüttelte den Kopf. Seine Stimme wurde bitter. »Die Sumpfleute waren die ersten, die zu den Quorrl überliefen. Noch vor den Satai.«

Es fiel Skar schwer, zu schweigen. Enwass' Worte bestätigten nur, was er gefürchtet hatte - aber es war unmöglich. Er war froh, als Enwass weitersprach und seine Aufmerksamkeit beanspruchte.

»Wir werden dich mitnehmen«, sagte er zögernd. »Was nicht heißt, daß ich dir glaube. Der Krieg ist vor einem halben Jahr ausgebrochen. Das bedeutet, daß du sechs Monate lang geschlafen haben mußt. Ich habe nie davon gehört, daß ein Mensch ein halbes Jahr lang schläft. Andererseits... die Gesichtslosen Prediger sind Zauberer, auch wenn du nicht an Zauberei glaubst. Wir werden sie fragen, ob deine Geschichte stimmt.«

»Du weißt, wo sie sind?«

»Wir werden sie finden«, sagte Enwass überzeugt. »Oder einen anderen, der die Wahrheit ergründet.«

»Warum hilfst du mir, wenn du mir nicht glaubst?« fragte Skar verwirrt.

»Weil ich kein Mörder bin«, erwiderte Enwass. »Ich habe getötet und werden weiter töten, um mein Leben zu retten, Skar. Aber dich zurückzulassen, bedeutet deinen Tod. Die Quorrl werden wiederkommen.« Er lächelte flüchtig, als er Skars Überraschung bemerkte. »Das Mädchen hat uns alles erzählt«, sagte er, »Einer der Quorrl ist entkommen. Es ist ein weiter Weg bis zu ihrem Heerlager, aber sie sind rachsüchtig. Zweifellos sind sie jetzt bereits auf dem Weg zurück, um sich an dir zu rächen. Von den Satai ganz zu schweigen - sie schätzen es nicht, wenn einer von ihnen getötet wird.«

»Wenn das so ist, bin ich wohl eher eine Gefahr für euch, als eine Hilfe«, sagte Skar, aber Enwass fegte seine Worte mit einer bewußt beiläufigen Bewegung zur Seite.

»Wir haben keine Angst vor einer Bande fischgesichtiger Quorrl«, sagte er. »Und wir reisen noch heute weiter, sobald die Sonne untergegangen ist. Die Quorrl können frühestens in einem Tag hier sein. Bis dahin sind wir fort.«

»Sie werden meinen Spuren folgen. Und euren.«

»Wir hinterlassen keine«, behauptete Enwass. Er seufzte. »Genug jetzt. Du wirst uns begleiten - oder sterben. Oder uns begleiten und später sterben, solltest du mich belogen haben. Bist du hungrig?«

Skar nickte. »Sehr. Aber wieso -«

»Später«, unterbrach ihn Enwass mit erhobener Stimme, »ist Zeit genug zum Reden.« Er stand auf. »Ruh' dich aus. Ich schicke das Mädchen mit einer heißen Suppe zu dir. Du kannst im Bett bleiben, bis wir aufbrechen. Wenn du willst, darfst du das Zimmer verlassen, aber nicht das Haus.« Er machte eine vage Geste. »Ich habe Befehl gegeben, dich zu töten, wenn du es versuchen solltest. Also sei vernünftig. Ich komme später noch einmal zu dir.«

Damit wandte er sich um, verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Skar hörte ihn draußen mit jemandem reden, ohne die Worte zu verstehen, dann verklangen seine Schritte endgültig auf dem hartgefrorenen Holzboden.

7.

Eine halbe Stunde später kam Syrr wieder zu ihm, diesmal begleitet von Talin und einem schwarzhaarigen Jungen, der kaum älter als sie selbst sein konnte, aber bis an die Zähne bewaffnet war und sich solche Mühe gab, einen finsteren Eindruck zu machen, daß es schon fast wieder lächerlich wirkte - wozu auch sein Aufzug beitrug. Er trug einen zerkratzten Schuppenpanzer, der ihm um mindestens drei Nummern zu groß war, dazu einen metallenen Helm, der einmal dem gleichen Besitzer gehört haben mußte, denn er rutschte ihm bei jeder heftigen Bewegung entweder in den Nacken oder die Stirn, und ein Schwert, das selbst Skar nur als Bihänder benutzt hätte. Zu allem Überfluß hing an seinem Gürtel auch noch ein dreikugeliger Morgenstern - eine Waffe, mit der er sich allenfalls selbst den Schädel einschlagen würde, wenn er versuchte, sie zu schwingen. Skar unterdrückte mit Mühe ein Lächeln, als der Junge sich mit vor der Brust verschränkten Armen unter der Tür aufbaute und ihn mit finsteren Blicken maß.

Dann entdeckte er etwas, was ihn den Krieger sofort vergessen ließ - die Schale der dampfenden Suppe nämlich, die Syrr auf der Truhe neben seinem Bett abgestellt hatte, zusammen mit einem hölzernen Löffel und einem Stück Brot. Ohne auf die Schmerzen in seinem Bein zu achten, setzte er sich auf, griff nach dem Löffel und begann gierig zu essen.

Syrr sah ihm zu, schweigend, aber mit der Zufriedenheit einer Köchin, die sieht, wie es ihrem Gast schmeckt. Skar leerte die Suppenschüssel bis zur Neige, und auch von dem Brot ließ er nicht den kleinsten Krümel übrig. Er aß zu schnell, und prompt wurde ihm übel. Aber er hatte sich jetzt wieder weit genug in der Gewalt, das Gefühl zu unterdrücken.

Mit einem dankbaren Lächeln wandte er sich an Syrr. »Das war gut«, sagte er. »Hast du die Suppe gekocht?«

Syrr nickte, lächelte verlegen und schüttelte den Kopf. »Zum Teil«, sagte sie. »Ich habe... dabei geholfen. Willst du noch mehr?«

Skar lehnte mit einem stummen Kopfschütteln ab. Er war noch immer hungrig, sehr hungrig sogar, aber er wußte, daß er seinem Körper nicht zuviel zumuten durfte. Während der letzten vierundzwanzig Stunden hatte er eine schmerzhafte Lektion bekommen, was seine Grenzen anging. Er verspürte keine Lust, sie zu wiederholen.

»Später vielleicht«, sagte er. »Jetzt möchte ich...« Er zögerte, blickte rasch zu dem jungen Krieger unter der Tür hinüber und fuhr fort: »... mit dir reden. Wieso bist du zurückgekommen?« Syrr zögerte, und Skar spürte, daß ihre Antwort ganz anders ausgefallen wäre, wären sie allein gewesen. »Wir... hätten dich nicht zurücklassen dürfen«, sagte sie stockend. »Aber wir hielten dich für tot, als wir dich im Schnee liegen sahen. Und wir... wir hatten Angst.« Sie senkte beschämt den Blick. »Es tut mir leid, Skar. Du hast so viel für uns getan, aber ich war halb von Sinnen vor Angst. Ich sah den Quorrl davonreiten und...«

»Und du hattest Angst, er würde zurückkommen«, sagte Skar. »Das verstehe ich.« Er lächelte. »Ich mache dir keine Vorwürfe.«

»Aber ich«, sagte Syrr, unerwartet heftig. »Wäre Talin nicht gewesen, wäre ich vielleicht einfach weitergeritten.«

»Talin?« Skar blickte verwundert zu dem schwarzhaarigen Knaben hinüber, der bisher kein Wort gesagt, ihn aber dafür unentwegt angestarrt hatte.