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Syrr nickte. »Ja. Er... er sagte, ganz gleich, was du bist, du hast uns geholfen und dein eigenes Leben dabei riskiert, und wir müssen zurück und uns um dich kümmern, und... und...« Sie begann zu stammeln, wich Skars Blick aus und starrte zu Boden. Skar legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. »Schon gut«, sagte er. »Ich werfe dir nichts vor, Syrr. Vielleicht hätte ich nicht anders gehandelt, an deiner Stelle.«

»Das hättest du nicht«, mischte sich Talin ein. Skar drehte betont langsam den Kopf, blickte ihnen einen Moment lang ernst an und lächelte, aber auf eine ganz bestimmte Art, die nicht sonderlich humorvoll war.

»Glaubst du?« fragte er.

»Ich weiß es.« Talin schüttelte heftig den Kopf und kam auf ihn zu. In seinen Augen erschien ein Glanz, der Skar nicht besonders gefiel. Für einen kurzen Moment erinnerte er sich an den anderen Talin, den, den er gesehen hatte, als er auf den Kadaver des Hundes einstach, schreiend vor Haß und in einem entsetzlichen Blutrausch.

»Es ist mir gleich, was dieser Enwass von dir hält«, sagte der Junge aufgebracht. »Ich weiß, was du wirklich bist.«

Skar sah, wie Syrr vor Schrecken den Atem anhielt und ihrem Bruder einen warnenden Blick zuwarf, den Talin allerdings gar nicht zu bemerken schien.

»So?« fragte er. »Und was bin ich, deiner Meinung nach?«

»Ein Krieger!« erwiderte Talin stolz. »Du bist ein großer Krieger, Skar. Du hast keine Angst vor den Satai und diesen Quorrl-Hunden, wie Enwass und die anderen.«

»Das glaubst du?« Skar lächelte matt. »Ich fürchte, ich muß dich enttäuschen, Talin. Ich habe Angst.«

»Aber du hast sie erschlagen, und das allein zählt!« beharrte Talin. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. »Ich habe gesehen, wie du mit dem riesigen Quorrl gekämpft hast, Skar!«

»So, das hast du also«, murmelte Skar. »Und es hat dir gefallen?«

Talin nickte so heftig, daß sein kurzgeschnittenes Haar flog. »Du mußt mir zeigen, wie man so kämpft, Skar«, sagte er. »Ich will es lernen.«

»Was willst du lernen?« Skars Stimme wurde hart. »Was du gesehen hast? Ich will dir sagen, was du gesehen hast, du kleiner Narr: du hast zwei halbtote Männer gesehen, die durch den Morast krochen, weil sie nicht mehr die Kraft hatten, zu gehen! Soll ich dir beibringen, wie man kriecht?« Plötzlich packte ihn Wut, eine vollkommen irrationale, rasende Wut auf Talin, auf sich selbst und auf eine Welt, in der Kinder geboren werden mußten, die wie dieser Knabe waren. »Soll ich dir zeigen, wie man mordet und verstümmelt und tötet, Junge?« schrie er. »Oder soll ich dir zeigen, wie man ermordet wird?« Er machte eine wütende Handbewegung. »Verschwinde!« fauchte er. »Komm wieder, wenn du erwachsen geworden bist!«

Talin erbleichte. Seine Lippen begannen zu zittern, und der Stolz, den Skar noch vor Sekunden in seinem Blick gelesen hatte, schlug in Verwirrung um. Ein Ausdruck tiefer Bestürzung erschien auf seinen Zügen.

»Aber... aber du... du bist«, stammelte er.

»Ein halbtoter Mann, du kleiner Narr!« unterbrach ihn Skar grob. »Einer, der von einem Hund zerfleischt worden wäre, wären deine Schwester und du nicht dazugekommen! Und jetzt geh!«

»Aber -«

»Verschwinde, hab' ich gesagt!« brüllte Skar.

Talin erbleichte noch weiter, starrte ihn einen Herzschlag lang beinahe haßerfüllt an - und fuhr auf dem Absatz herum, um aus dem Raum zu stürmen. Skar blickte ihm kopfschüttelnd nach. Die Schärfe seiner Worte tat ihm beinahe schon wieder leid, aber es hatte sein müssen. Er mochte Talin, trotz allem, aber gerade darum hatte er nicht anders gekonnt.

»Das war... hart«, murmelte Syrr.

Skar starrte sie an. »Ich weiß. Aber es war nötig.«

»Es... wird nichts nutzen«, fuhr Syrr fort, und erst jetzt begriff Skar, daß in ihren Worten kein Tadel gewesen war, nicht einmal Kritik. »Er wird dich allerhöchstens dafür hassen.« Skar schwieg. Gott, er hatte wirklich andere Probleme, als sich um die Macken eines Kindes zu kümmern, das zufällig seinen Weg gekreuzt hatte und das er vermutlich nie mehr wiedersehen würde, wenn sie erst einmal hier heraus waren. Trotzdem fragte er: »War er... schon immer so?«

Syrr schüttelte den Kopf, aber die Bewegung kam ein wenig zu schnell, um Skar wirklich zu überzeugen. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Vielleicht. Ich... habe mich nie sehr viel um ihn gekümmert, obwohl er mein Bruder ist. Du hast ihn gesehen, als er... den Hund...«

»Ja«, unterbrach sie Skar. »Das habe ich. Du wirst auf ihn achtgeben müssen, wenn wir hier heraus sind. Und ich kann dir nicht dabei helfen.«

Syrr antwortete nicht, aber etwas in ihrem Blick erlosch.

Trotzdem nickte sie. »Ich weiß«, murmelte sie. »Du gehst fort.« Skar seufzte. »Was hast du erwartet?« Er bemühte sich, seine Worte bewußt kalt klingen zu lassen. Er wollte ihr nicht weh tun, aber er wußte, was sie dachte, weil er Situationen wie diese unzählige Male zuvor erlebt hatte. Besser, er tat ihr jetzt ein bißchen weh, als später sehr viel mehr.

»Wir sind uns zufällig begegnet, Syrr«, fuhr er fort. »Dein Bruder und du, ihr habt mir das Leben gerettet, und ich euch. Wir sind quitt. Sobald wir die Grenze überschritten haben, trennen wir uns.«

»Wir könnten dir helfen«, sagte Syrr. Ihre Worte kamen schnell, aber sie waren ohne echte Hoffnung.

»Wobei?«

»Du suchst die Prediger, nicht wahr?« Syrr beantwortete ihre eigene Frage mit einem Nicken. »Talin und ich könnten dir helfen, sie zu finden. Wir würden dir nicht zur Last fallen.«

»Das würdet ihr doch«, behauptete Skar. »Es tut mir leid, aber es ist so - ich kann keine Familie gebrauchen. Und ihr könnt einen Mann wie mich nicht gebrauchen. Mein Leben ist nichts für euch. Ich bin -« Er besann sich im letzten Moment darauf, daß sie nicht allein waren, und konnte verhindern, daß er das Wort Satai aussprach. »- Krieger.«

»Krieger?« Syrr lächelte schmerzlich. »Ja, Skar. Das bist du wohl.« Sie seufzte, und Skar hatte das sichere Gefühl, daß sie noch mehr sagen wollte.

Aber dann stand sie ohne ein weiteres Wort auf, nahm die geleerte Schüssel und den Holzlöffel und verließ das Zimmer.

8.

Noch am gleichen Abend zogen sie weiter. Skar hatte wieder Fieber bekommen, kaum daß Syrr ihn verlassen hatte, und den größten Teil des Tages in einem Dämmerzustand zwischen Wachsein und Bewußtlosigkeit verbracht, in dem er nicht zu unterscheiden vermochte, was Wahrheit und was Alptraum war. Aber die Visionen waren nicht zurückgekommen; was vielleicht daran lag, daß er nie allein war - irgend jemand saß immer an seinem Bett, entweder Syrr oder ihr Bruder oder ein Mitglied von Enwass' Familie, die weit größer zu sein schien, als er nach seinem Gespräch mit ihm angenommen hatte.

Als die Dämmerung hereinbrach, trugen ihn Enwass und ein junger Mann, den Skar später als seinen ältesten Sohn kennenlernen sollte, aus dem Haus. Skar protestierte schwach gegen diese Behandlung, aber Enwass ignorierte seine Worte einfach. Als sie das Haus verließen, trat Syrr zu ihnen. Sie hatte kein Wort mit Skar gewechselt, obwohl sie den größten Teil des Tages neben seinem Lager gewacht hatte; trotzdem war Skar auf schwer zu begründende Art froh, sie zu sehen. Talin ließ sich nicht blicken, aber Skar war sicher, daß er in der Nähe war, ebenso sicher, wie er war, daß seine Worte wenig genutzt hatten. Talin war zu jung, um schon wirklich zu begreifen, was er gemeint hatte. Und gleichzeitig wohl schon zu alt, als daß er noch irgend etwas ändern könnte, fügte Skar in Gedanken bitter hinzu.

Enwass und der schwarzhaarige Junge, die ihn trugen, umrundeten das Haus und wandten sich dem Fluß zu. Skar hatte angenommen, daß die Familie mit einem Wagen reiste, oder vielleicht zu Pferde, aber auf dem schmalen, offengebliebenen Wasserstreifen in der Flußmitte schaukelte ein Floß. Es war sehr groß - zehn Schritte breit und fast doppelt so lang, und aus seiner Mitte ragte ein hastig zurechtgezimmerter Mast, an dem ein Segel aus zusammengenähten Säcken und Kleidungsstücken hing. Skar verstand plötzlich, warum Enwass so überzeugt gewesen war, daß sie keine Spuren hinterlassen würden. Vielleicht, dachte er, hatten sie wirklich eine Chance, Trash und seinen Quorrl zu entkommen.