Выбрать главу

Und er sollte recht behalten: Skar war erst wenige Minuten in schärferem Tempo geritten, als er den Schatten vor sich sah, noch sehr weit und gegen den blaugrauen Nachthimmel kaum zu erkennen - den Schatten eines gewaltigen Reiters, der reglos auf dem Rücken eines kaum weniger monströsen Schlachtrosses hockte und auf den Fluß hinabsah.

Skar zügelte sein Pferd, sah sich rasch nach beiden Seiten um und ritt noch ein wenig weiter vom Flußufer weg. Der Quorrl war geschickt. So, wie er stand, mußte er vom Fluß aus vollkommen unsichtbar sein. Selbst Skar, der aus der entgegengesetzten Richtung kam, hätte ihn um ein Haar nicht gesehen, obwohl er ganz genau wußte, wonach er zu suchen hatte. Der Quorrl war nur ein tief schwarzer Schatten vor einem nicht ganz so schwarzen Hintergrund; gerade noch zu erkennen, wenn man wußte, daß er da war. Sonst nicht.

Der Anblick ließ ihn ein wenig neue Hoffnung schöpfen. Bisher war alles so gekommen, wie er vermutet hatte - Trash hatte vor, dem Floß an einer seichten Stelle aufzulauern, und er hatte einen Späher zurückgelassen, der die Quorrl-Krieger frühzeitig warnen würde, wenn ihr Wild auftauchte.

Aber das bedeutete nun nicht automatisch, daß auch der Rest seines Planes aufgehen mußte...

Skar löste die Hand vom Schwert, ließ das Pferd wieder antraben und näherte sich dem Späher in einem weiten Bogen, fast aus der entgegengesetzten Richtung, der seine Aufmerksamkeit galt. Trotzdem bemerkte ihn der Quorrl.

Die Hufschläge seines Pferdes erzeugten auf der dünnen Schneedecke kaum einen Laut, und auch Skar selbst bemühte sich, so still wie möglich zu sein - aber entweder hatte er verlernt, wie man sich anschlich, oder der Quorrl hatte weit schärfere Sinne, als er gehofft hatte - das riesige Schuppenwesen fuhr mit einem erschrockenen Laut im Sattel herum, als Skar noch zehn Schritte von ihm entfernt war. Metall blitzte, als seine Klaue zum Gürtel fuhr und ein gewaltiges Schwert hervorzerrte.

Skar ließ ihm keine Chance. Er versuchte nicht, den Quorrl mit dem Schwert anzugreifen, sondern sprengte los, kaum daß der Quorrl seine Drehung halb vollendet hatte, riß den Speer aus dem Sattelgurt und schleuderte ihn, aus kürzester Entfernung und mit aller Kraft. Die Waffe traf den schützend hochgerissenen Arm des Quorrl, durchbohrte ihn, drang knirschend durch den Brustpanzer des Wesens und schleuderte es aus dem Sattel. Der Quorrl starb ohne einen Laut.

Aber sein Pferd bäumte sich auf, stieß ein schrilles, panikerfülltes Kreischen aus und stob mit wehender Mähne davon. Skar fluchte, zerrte den Dolch aus dem Gürtel und riß den Arm in die Höhe - aber er führte die Bewegung nicht zu Ende. Das Pferd war schon zu weit, für einen sicheren Wurf, und wenn er es nur verletzte, würde es schreien und damit die Aufmerksamkeit der anderen Quorrl erst recht wecken - wenn das nicht ohnehin schon geschehen war.

Tief über den Hals seines Pferdes gebeugt jagte Skar los. Er wußte, daß er kaum eine Chance hatte, das flüchtende Tier einzuholen: Es wurde nicht durch einen Reiter behindert und war außerdem größerund um etliches kräftiger als sein eigenes Pferd. Aber wenn er es schon nicht aufhalten konnte, wollte er ihm wenigstens so dichtauf folgen, wie es nur ging. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.

Er verlor das Tier schon nach wenigen Momenten aus den Augen, denn seine schwarze Farbe ließ es mit der Nacht verschmelzen, und es war zudem sehr viel schneller, als er gehofft hatte. Aber seine Spur war auf dem frischgefallenen Schnee neben dem Fluß nicht zu übersehen, und Skar hoffte, daß seine Panik abklingen und es sich beruhigen wurde, ehe es Trashs Lager erreichte.

Sein Blick suchte das brennende Floß, das ein Stück unter und neben ihm dahintneb. Das Ufer war an dieser Stelle sehr steil, so daß er sich fast zehn Meter über dem Fluß dahinbewegte, und er ritt so schnell, daß er das Floß schon jetzt beinahe überholt hatte - wenn er sich täuschte und Trash den Späher in größerem Abstand zurückgelassen hatte, als er glaubte, dann war ihr ganzer sorgsam ausgeklügelter Plan beim Teufel - und Enwass und seine Leute, die dem kleinen Feuerfloß in zehn Minuten Abstand folgten, ruderten in den Tod.

Skars Plan war so einfach wie gefährlich; die Quorrl sollten das brennende Floß sehen und es für das von Enwass und seiner Familie halten; im ersten Moment, wenn sie den Betrug entdeckten, würde Skar sich ihnen zeigen und sie vom Fluß fortlocken, woraufhin Enwass und seine Familie den Hinterhalt ungefährdet passieren konnten, denn die Quorrl würden mit Sicherheit annehmen, daß das Floß zur Ablenkung gedacht war, während ihre Opfer in aller Seelenruhe auf dem Landweg an ihnen vorübereilten - ein doppelter Betrug, der (so hoffte Skar wenigstens) die geistige Kapazität eines Quorrl hoffungslos überforderte. Und das alles wurde jetzt vielleicht von einem durchgehenden Pferd zunichte gemacht!

Skar spornte sein Pferd rücksichtslos an, aber das Tier war am Ende seiner Kräfte. Obwohl es wie von Sinnen ausgriff, wurde es nicht merklich schneller, drohte dafür aber auf dem unsicheren Grund den Halt zu verlieren, so daß Skar sein Tempo wieder zurücknehmen mußte.

Trotzdem stürzte er.

Es ging so schnell, daß er machtlos dagegen war, obwohl er das Unglück kommen sah: Das Pferd trat in eine Bodenspalte, die unter dem Schnee verborgen gewesen war, sank mit den Vorderläufen ein und versuchte mit einer verzweifelten Kraftanstrengung wieder hochzukommen; mit dem Ergebnis, daß es vollends aus dem Takt geriet und schwerfällig in den Schnee stürzte. Skar hatte keine andere Wahl, als sich aus dem Sattel fallen zu lassen, wollte er nicht Gefahr laufen, unter dem zusammenbrechenden Tier begraben zu werden.

Der weiche Schnee dämpfte seinen Aufprall. Ganz instinktiv rollte er über die Schulter ab, wartete auf den stechenden Schmerz in seinem verletzten Bein und registrierte verwundert, daß er nicht kam, dann war er wieder auf den Füßen, fand mit einem torkelnden Schritt sein Gleichgewicht wieder und fuhr herum, die rechte Hand griffbereit am Schwert.

Er war noch immer allein. Wenige Schritte von ihm entfernt versuchte sein Pferd - benommen, aber offensichtlich ebenso unverletzt wie er -, wieder auf die Beine zu kommen, und zehn Meter unter ihm trieb das brennende Floß dahin. Von den Quorrl war noch keine Spur zu sehen.

Skars Schrecken wich einer Mischung aus Erleichterung und Ärger. Er nahm die Hand vom Schwert, schlug seinen Mantel zurück und stapfte durch den knietiefen Schnee auf das Pferd zu. Das Tier scheute, als er die Hand nach den Zügeln ausstreckte; Skar verlor die Balance, fiel ein zweites Mal auf Hände und Knie herab und schluckte einen Fluch herunter. Wenn Trash ihn jetzt sah, dachte er wütend, dann würde er sich wahrscheinlich totlachen.

Ärgerlich stand er auf, streckte erneut die Hand aus und näherte sich dem Pferd sehr viel vorsichtiger als beim ersten Mal. Das Tier scheute noch immer, wich mit kleinen tänzelnden Schritten vor ihm zurück und versuchte sogar nach ihm zu beißen. Skar unterdrückte die jähzornige Wut, die in ihm aufflammte, blieb stehen und begann mit leiser, sehr ruhiger Stimme auf das Pferd einzureden.

Es dauerte Minuten, bis er sich ihm so weit genähert hatte, daß er die Zügel ergreifen konnte; und dann noch einmal endlose Sekunden, bis er das scheuende Tier wieder unter Kontrolle hatte. Seine Chancen, das entkommene Pferd des Quorrl jetzt noch einzuholen, waren praktisch gleich null.

Besorgt sah er zum Fluß hinab. Das brennende Floß war fast schon außer Sicht - nur noch ein flackernder Glutpunkt, eine halbe Meile flußabwärts. Jeden Augenblick mußte das richtige Floß mit Enwass und seiner Familie auf dem Wasser auftauchen ...

Skar riß sein Tier herum, gab ihm die Sporen und jagte weiter, nicht mehr ganz so schnell wie bisher, aber auch nicht sehr viel langsamer. Und nicht sehr weit.

Er war noch nicht einmal hundert Schritte weit gekommen, als er das Pferd sah.

Es war das Tier des Quorrl, ein riesiges, schwarzes Ungeheuer von Pferd, und es war ganz eindeutig tot.