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Eine eisige Hand schien Skar zu berühren, als er das Tier sah. Das Pferd lag auf der Seite, Kopf und Vorderläufe in unnatürlichem Winkel abgespreizt, und der Schnee unter ihm war dunkel von erst halb geronnenem Blut. Es mußte gestürzt sein, gestrauchelt und auf einen Stein gestürzt, der unter dem Schnee verborgen gewesen war, und an dem es sich den Schädel eingeschlagen hatte.

Aber das war vollkommen unmöglich! dachte Skar entsetzt. Sicher, auch er war gestürzt, aber ein Zufall wie dieser war... war ausgeschlossen.

Aber wenn es kein Zufall gewesen war - was dann?

Verwirrt, und mit einem Gefühl noch unterdrückten, aber stärker werdenden Schreckens, schwang sich Skar aus dem Sattel, ging steifbeinig zu dem verendeten Pferd und ließ sich neben ihm auf die Knie sinken. Seine Hand zitterte leicht, als er sie nach dem toten Tier ausstreckte.

Sein Fell war noch warm, und das Blut noch nicht einmal geronnen, und jetzt, als er ihm ganz nahe war, sah Skar, daß es nicht an den Folgen des Sturzes gestorben war. Seine Beine und sein Genick waren zweifellos gebrochen, aber es war schon vorher tot gewesen.

Die rechte, halb im Schnee begrabene Seite seines massigen Pferdegesichtes war eine einzige Masse aus blutendem Fleisch und zertrümmerten Knochen. Irgend etwas hatte ihm den Schädel eingeschlagen, mit einem einzigen, so gewaltigen Hieb, daß sich etwas in Skar zusammenzog, als er sich das Wesen vorzustellen versuchte, das so etwas zu tun in der Lage war.

Skar fror plötzlich. Mit einer abgehackten, fast unkontrollierten Bewegung fuhr er hoch und herum, zog seine Waffe und starrte in die Dunkelheit hinaus.

War sie nicht irgendwie... massiver geworden, nicht mehr die bloße Abwesenheit von Licht, sondern das Dasein von etwas anderem, Finsteren, Bedrohlichen? Und bewegten sich die Schatten nicht? Skar hatte das Gefühl, irgend etwas kriechen zu sehen, ein schlängelndes schwarzes Ding aus Horn oder Eisen, klein und böse und lauernd...

Aber da war nichts. Und nach ein paar Sekunden gewann auch Skars gewohnt präzise Art zu denken wieder die Oberhand. In Gedanken schalt er sich einen Narren, sich von ein paar Schatten und einem toten Pferd Angst einjagen zu lassen. Es war absolut nichts Außergewöhnliches oder gar Unheimliches an dem, was er erlebte. Die Dunkelheit um ihn herum war Dunkelheit, sonst rein gar nichts, und die Schatten, die er zu sehen glaubte, entsprangen seiner eigenen, überreizten Phantasie. Das Pferd war gestolpert, ganz genauso wie sein eigenes Tier, aber es hatte das Pech gehabt, weniger glücklich zu fallen und sich den Schädel an einem Stein einzuschlagen, der unter dem Schnee verborgen gewesen war, basta. Wäre es ein Raubtier gewesen, das den Rappen getötet hatte, hätte er es sehen und hören müssen. Zumindest hören.

Das war die eine, logische Erklärung. Es gab noch eine andere, aber diesen Gedanken weigerte sich Skar auch nur zu Ende zu denken.

Zornig über sich selbst schüttelte er den Kopf, ging zu seinem Pferd zurück und lenkte es in respektvollem Bogen um den Kadaver des toten Tieres herum, ehe er weiterritt.

Er ritt jetzt sehr viel vorsichtiger, und wie sich zeigte, war diese Vorsicht durchaus angebracht, denn nur wenige Minuten später sah er den zweiten Wächter.

Es war ein Quorrl, wie der erste Späher, den Trash zurückgelassen hatte, und wie er saß er im Sattel eines gewaltigen Schlachtrossen und blickte auf den Fluß hinab, machte sich jedoch nicht einmal mehr die Mühe, in Deckung zu bleiben - für Skar ein deutlicher Beweis, daß die Hauptmacht der Quorrl nun nicht mehr weit sein konnte, wenn Trashs Krieger so offensichtlich keinen Wert mehr darauf legten, unentdeckt zu bleiben. Ganz im Gegenteil hatte er fast das Gefühl, daß der Quorrl gesehen werden wollte: Reiter und Pferd hoben sich deutlich gegen den Nachthimmel ab; zwei mißgestaltete, riesenhafte Schatten, die drohend über den Fluß hinausragten, nahe, aber sicherlich nicht durch Zufall auch wieder gerade weit genug entfernt, daß ein vom Fluß aus abgeschossener Pfeil wenig Aussichten hatte, sie zu treffen.

Diesmal verzichtete Skar darauf, den Quorrl offen anzugreifen. Er hörte noch immer nichts außer dem Wispern der Windböen und dem Rauschen des Flusses, aber er war sehr sicher, daß Trash und die anderen Quorrl ganz in der Nähe waren, und sein Glück noch einmal auf die Probe zu stellen, hieße das Schicksal herauszufordern. Skar verspürte keine besondere Lust, die Grenzen des Kredites auszuloten, den ihm die Götter eingeräumt zu haben schienen.

Er hielt an, schwang sich behutsam aus dem Sattel und streichelte den Hals seines Pferdes, damit das Tier kein verräterisches Schnauben von sich gab. Gebannt blickte er zu den Schatten des Quorrl und seines gewaltigen Reittieres hinüber, die sich jetzt deutlich vor dem Hintergrund der Wolken abhoben.

Der Quorrl wiederum starrte offensichtlich konzentriert auf den Fluß hinunter, auf dem das brennende Floß immer näher kam. Skar versuchte in Gedanken die Zeit abzuschätzen, die es noch brauchen würde, ehe es nahe genug war, den Quorrl den Betrug erkennen zu lassen. Mit etwas Glück konnte er den Posten bis dahin erreichen.

Geduckt schlich er los, das Tschekal halb unter dem Mantel verborgen, damit sich kein verräterischer Lichtstrahl auf der Klinge brach, den Dolch wurfbereit in der Linken. Sein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, während er sich dem Quorrl näherte, jederzeit darauf gefaßt, daß das riesige Wesen sich im Sattel herumdrehte und einen gellenden Warnruf ausstieß.

Aber er hatte abermals Glück. Der Quorrl rührte sich nicht, sondern starrte unverwandt auf den Fluß hinab, selbst als Skar sich ihm bis auf drei, vier Schritte genähert hatte. Hätte sein Pferd nicht dann und wann den Schweif bewegt oder mit den Ohren gezuckt, hätte man die beiden für lebensgroße finstere Statuen halten können.

Skar blieb stehen, starrte den Quorrl mit einer Mischung aus Erstaunen und Mißtrauen an und hob den Dolch.

Ein schneller Wurf, und...

Er konnte es nicht.

Etwas in ihm sträubte sich gegen den Gedanken, dem Quorrl die Klinge in den Rücken zu werfen. Da war noch eine andere Stimme, die ihm zuflüsterte, daß er sich wie ein Narr benahm und der Quorrl umgekehrt keine Sekunde gezögert hätte, ihn hinterrücks auszuschalten. Aber es ging nicht.

Skar trat einen weiteren Schritt auf den Quorrl zu, hob den Dolch noch ein wenig höher und zog gleichzeitig das Tschekal unter dem Mantel hervor.

»Heda!« sagte er leise.

Der Quorrl rührte sich nicht.

Skars Sinne waren mit einem Male bis zum Zerreißen gespannt. Es war unmöglich, daß der Quorrl ihn nicht gehört haben sollte. Er hatte leise gesprochen, aber in der Nacht war jeder Laut doppelt weit zu hören, und er war dem Quorrl bis fast auf Armeslänge nahegekommen.

Eine Falle! dachte er. Es war eine Falle! Eine Falle, oder... Dann sah er die dunklen Flecken, zu denen sich der Schnee unter dem Pferd zusammengeklumpt hatte. Den breiten, glitzernden Strom, der die Flanke des Tieres besudelte, an seinem Bauch entlanglief und zäh zu Boden tropfte, spürte den süßlichen Blutgeruch.

Und plötzlich fiel ihm die Haltung auf, in der der Quorrl auf dem Pferd hockte: unnatürlich verkrampft und nach vorne gebeugt, die mächtigen Pranken auf dem muskulösen Pferdehals abgestützt, um sein Körpergewicht zu halten, den Kopf, der fast zur Gänze unter einem mächtigen Lederhelm verborgen war, zur Seite geneigt, als müsse er sein Gewicht mit der Schulter stützen.

Er mußte es. Hätte er es nicht getan, wäre sein Kopf vermutlich heruntergefallen, denn irgend jemand hatte dem Quorrl die Kehle durchgeschnitten, so tief, daß er ihn dabei fast geköpft hatte. Und als wäre dies allein noch nicht genug, hatte der gleiche Jemand sein Gesicht und einen Teil seiner Brust zerfetzt. Der Quorrl mußte auf der Stelle tot gewesen sein, so schnell, daß er nicht einmal Zeit gefunden hatte, eine erschrockene Bewegung zu machen, die sein Pferd aufscheuchen konnte. Und es konnte erst Augenblicke her sein, denn die entsetzlichen Wunden bluteten noch.