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Ein entsetzlicher Schmerz schoß durch seinen verletzten Fuß, aber es war nicht nur die bloße Kraft seines Trittes, es war die Berührung selbst, die ihm Schmerzen und Qual bereitete, flammende Linien aus Pein durch seinen Körper jagte und zugleich etwas in seiner Seele zu verbrennen schien.

Der Daij-Djan wankte nicht einmal.

Aber er fuhr herum, mit einer so ungeheuer schnellen, kraftvollen Drehung, daß Skar die Bewegung nicht einmal sah. Seine schreckliche Insektenklaue zuckte hoch, zum Schlag gekrümmt, eine siebenzinkige Forke, die ihn zerfetzen mußte.

Dann erstarrte er.

Das Ungeheuer blickte ihn an, und Skar spürte genau, daß es ihn erkannte, obwohl es weder Augen noch sonstige Sinnesorgane hatte, bloß einen schwarzen, unbeschreiblich häßlichen Schädel, glatt und schimmernd wie polierter Stahl und so häßlich, daß sein bloßer Anblick Skar fast in den Wahnsinn trieb. Mit einem schrillen Entsetzensschrei schlug er zu.

Der Daij-Djan machte nicht einmal den Versuch, dem Hieb auszuweichen.

Das Tschekal prallte von seinem Schädel ab.

Die Götterklinge, die Stahl und Felsen zerschneiden konnte, versagte. Das sagenhafte Schwert der Satai, geschmiedet aus Sternenstahl und Symbol ihrer Macht, prallte vom Schädel dieses so zerbrechlich aussehenden Wesens ab.

Aber der Schlag war heftig genug, Skar das Schwert aus den Händen zu prellen. Er taumelte, fiel zwei Schritte vor dem Ungeheuer auf die Knie und riß instinktiv die Arme über den Kopf. Der Daij-Djan rührte sich nicht. Er stand einfach da, eine einzige, endlose Sekunde lang, starrte ihn aus seinem schrecklichen gesichtslosen Schädel heraus an - und dann begann er zu sprechen. Wie die Male zuvor - auf der Eisinsel des Dronte, aber auch in seinem entsetzlichen Traum, von dem er nun gar nicht mehr so sicher war, daß es wirklich nur ein Traum gewesen war - erklang seine Stimme direkt in Skars Kopf, ein entsetzliches, nachhallendes Hecheln und Wispern, das trotzdem von zermürbender Kraft war: BALD, SATAI, flüsterte die entsetzliche Stimme. BALD. Skar krümmte sich wie unter einem Hieb. Allein der Klang dieser fürchterlichen Stimme schien irgend etwas in ihm zu verbrennen, einen Teil seines Menschseins zu versengen. Er hatte das Gefühl, besudelt zu sein, als hätte ihn die bloße Berührung dieses entsetzlichen Geistes eines Teiles seiner Menschlichkeit beraubt.

BALD!

Damit verstummte die Stimme.

Skar blieb noch sekundenlang hocken, zusammengekrümmt, wimmernd vor Furcht und Entsetzen, kein Satai mehr, nicht einmal mehr ein Mensch, sondern nur noch ein wimmerndes Bündel aus Angst und kreatürlicher Furcht.

Als er es endlich wagte, die Hände herunterzunehmen und die Augen zu öffnen, war der Daij-Djan verschwunden. Der Kampflärm unten am Fluß war verstummt, und mit einem Male fiel Skar die Stille auf, die sich über das Ufer ausgebreitet hatte, eine entsetzliche, angstmachende Stille, wie sie nur der Tod hinterließ.

Sein Blick tastete den schneebedeckten Hang hinunter.

Der Kampf war vorüber. Die Quorrl, die das Gemetzel überstanden hatten, waren fort, alle anderen tot, ein Dutzend dunkler, verkrümmt daliegender Bündel, unter denen sich der Schnee dunkel zu färben begann, zu weit entfernt, um ihn Einzelheiten erkennen zu lassen. Aber Skar dachte an das verstümmelte Pferd, das er gefunden hatte, und den toten Wächter hier oben, und er wußte, was er sehen würde, wenn er hinunterging. Ihm wurde übel; zum Teil vor Anstrengung, zu einem Teil sicher auch vor Furcht, zum allergrößten aber vor purem Entsetzen. Tod und Töten waren sein Geschäft, aber der Daij-Djan war...

Ein leises, unendlich schmerzhaftes Stöhnen drang in seine Gedanken. Skar sah erschrocken auf, erblickte ein weiteres, blutendes Bündel nur zwei Schritte vor sich im Schnee und registrierte entsetzt, daß in Trashs geschändetem Körper noch Leben war.

Er kroch los. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen, und seine Arme schienen kaum die Kraft zu haben, das Gewicht seines Körpers zu tragen. Es war nicht die Anstrengung des Kampfes. Der Daij-Djan hatte ihn all seiner Energie beraubt, einfach, indem er ihn berührt hatte, und er hatte etwas anderes, Finsteres dafür in ihm hinterlassen, etwas, das weiter in ihm fraß und bohrte.

Mit letzter Kraft erreichte er den Quorrl, fiel neben ihm in den Schnee und hob die Hand, um ihn zu berühren. Als er Trashs Gesicht sah, zuckten seine Finger zurück. Es gab nichts mehr, was er noch für den Quorrl tun konnte. Er würde ihm nur unnötige Qualen bereiten, versuchte er, ihm zu helfen.

Aber trotz seiner entsetzlichen Verletzungen war der Quorrl noch immer bei Bewußtsein. Und er schien Skars Nähe zu spüren, denn er drehte den Kopf, wandte sein zermalmtes Gesicht in die Richtung, in der er Skar fühlte, und versuchte die Hand zu heben. Sein verstümmelter Arm zuckte wie eine blutende Schlange im Schnee.

»Bist... du das, Satai... ?« krächzte er. Seine Stimme war kaum mehr zu verstehen. Es hörte sich an, dachte Skar schaudernd, als liefe sein Hals langsam voller Blut.

»Ja«, antwortete er.

»Du hast... mich besiegt, Satai«, fuhr der Quorrl stöhnend fort. Seine gesunde Hand kam hoch, tastete blind durch den Schnee und fand die Skars. Ihre Berührung war unangenehm, kalt wie die einer Schlange und so kraftvoll, daß sie weh tat. Trotzdem zog Skar die Hand nicht zurück. Auch nicht, als Trashs Finger an seinem Arm emporkrochen und nach seiner Schulter tasteten.

»Du hast... mich besiegt«, wiederholte Trash würgend. »Und alle... alle meine Männer. Jetzt... sei gnädig.« Er lachte voller Qual. »Du kannst es dir leisten. Töte... mich. Laß mich... nicht leiden.« Seine Hand tastete nach Skars Hals, legte sich um seine Kehle. Es wäre dem Quorrl ein Leichtes gewesen, zuzudrücken und Skar zu töten, selbst jetzt noch, aber aus irgendeinem Grund wußte Skar mit unerschütterlicher Sicherheit, daß Trash es nicht tun würde.

Er nickte, obwohl er wußte, daß der Quorrl die Bewegung nicht mehr sehen konnte, beugte sich vor und hob sein Schwert auf. Die Klinge glitzerte wie eine stählerne Schlange im Mondlicht, als er die Spitze auf Trashs Herz setzte.

»Kann ich... noch irgend etwas für dich tun, Trash?« fragte er. »Tun?« Wieder dieses entsetzliche, peinerfüllte Lachen, das plötzlich in ein qualvolles Husten überging. »Nein«, keuchte Trash. »Aber auch du... wirst sterben, Satai. Sie werden dich töten. Wie alle.«

»Sie?« fragte Skar. »Wen... wen meinst du?«

»Sie sind wieder da«, stöhnte Trash. »Sie werden uns alle töten, Satai. Erst uns, und dann... dann dich. Sie sind wieder da!« Trash bäumte sich auf. Seine Hand rutschte von Skars Hals herab und krallte sich in den Schnee. Er begann zu schreien. Skar stand auf und schloß die Augen, ehe er sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf den Griff des Schwertes warf und die Waffe tief in Trashs Herz stieß.

12.

Skar wußte hinterher nicht, wie lange er so dagesessen und den Leichnam des Quorrl angestarrt hatte, ohne ihn wirklich zu sehen. Er erinnerte sich auch nicht, was er gedacht oder gefühlt hatte, in diesen Minuten: In ihm war nichts als eine tiefe, finstere Leere, die sich ganz allmählich mit Entsetzen zu füllen begann, wie schwarzer Morast, der aus dem Grund seiner Seele emporstieg und sein Denken überflutete. Er hatte Angst, zum ersten Mal in seinem Leben nackte, panische Angst, die keinen konkreten Grund hatte, aber vielleicht gerade deshalb um so schlimmer war: Da er nicht wußte, wovor er sich fürchtete, konnte er sie auch nicht bekämpfen.

Sie sind wieder da! Die Worte des Quorrl klangen immer und immer wieder hinter seiner Stirn nach, wie ein böses, höhnisches Echo. Sie sind wieder da, Satai!

Und er hatte sie hergebracht.