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»Enwass«, sagte Enwass gehorsam.

Gorrn kritzelte etwas auf das Pergament, warf einen Blick in eine engbeschriebene Liste, die neben dem Tintenfaß auf dem Tisch lag, und schrieb eine Nummer mit sehr vielen Ziffern unter Enwass' Namen. »Deine Waffen«, verlangte er.

Enwass zögerte einen winzigen Augenblick, schlug aber dann gehorsam seinen Mantel zurück und händigte Gorrn Schwert und Dolch aus. Der Hauptmann warf sie achtlos neben sich auf den Boden und fügte eine weitere Bemerkung auf Enwass' Paß hinzu. »Hast du Geld?« fragte er, ohne aufzusehen.

Enwass nickte zögernd. »Ein wenig«, sagte er. »Aber...«

»Was - aber?« Gorrn sah nun doch auf. Seine Augen wurden schmal. »Willst du Essen, Flüchtling?«

Ohne ein weiteres Wort händigte ihm Enwass seine Geldbörse aus. Gorrn warf einen flüchtigen Blick hinein, schüttelte abfällig den Kopf und klappte den Deckel der Truhe auf, die neben seinem Tisch stand. Als er den Beutel hineinwarf, sah Skar, daß sie fast zur Gänze mit Geldbörsen, Schmuck und einzelnen Münzen gefüllt war. Gorrns Geschäft schien prächtig zu gedeihen. Skar fragte sich, wieviel von dem, was er den Neuankömmlingen hier abnahm, auch wirklich in die Staatskassen von Bayfour gelangte. Schließlich setzte Gorrn ein kompliziert wirkendes Siegel unter Enwass' Ausweis, faltete das Blatt achtlos zusammen und reichte es Enwass, mit der automatischen Mahnung, es auch wirklich immer bei sich zu führen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, seinen Kopf zu verlieren.

So ging es weiter. Nach Enwass kamen seine Söhne, dann seine Frau und schließlich die Knechte an die Reihe. Gorrn nahm ihnen alles, was sie besaßen, und nicht einer wagte auch nur zu widersprechen. Skar hatte fast den Eindruck, daß Gorrn ein wenig enttäuscht darüber war.

Und schließlich waren nur noch Syrr, Talin und er übrig. Skar war sehr sicher, daß Gorrn ihn nicht durch Zufall bis zuletzt einfach stehengelassen hatte, während Syrr und ihr Bruder ganz automatisch in seiner Nähe geblieben waren.

Gorrn blickte ihn voller hämischer Vorfreude an. Aber er schien entschlossen, das Spiel noch ein wenig in die Länge zu ziehen, denn als Skar vortreten wollte, scheuchte er ihn mit einer Kopfbewegung zurück und winkte statt dessen Syrr herbei. »Dein Name, schönes Kind?« sagte er.

»Syrr«, antwortete Syrr ruhig.

»Syrr, so.« Gorrn machte keine Anstalten, nach seiner Feder zu greifen. Statt dessen verschränkte er die Finger vor sich auf dem Tisch, blickte erst Skar, dann Talin und schließlich wieder Syrr an. »Ein hübscher Name«, erklärte er grinsend. »Er paßt zu dir. Gehörst du zu diesem Tölpel da?« Er deutete auf Skar.

Syrr antwortete nicht, aber damit schien Gorrn auch gar nicht gerechnet zu haben, denn sein Grinsen wurde eher noch anzüglicher. Er stand auf, kam mit betont nachlässigen Schritten um seinen Tisch herum und baute sich ganz dicht vor Syrr auf. »Du bist wirklich hübsch«, wiederholte er. »Ein bißchen jung für einen so alten Kerl, findest du nicht?« Er hob die Hand, um Syrr im Gesicht zu berühren. Syrr wandte hastig den Kopf. Sie gab sich keine Mühe, ihren Ekel zu überspielen.

Gorrn kicherte, aber während er es tat, erlosch sein Lächeln. »Was ist mit diesem Balg da?« fragte er mit einer Geste auf Talin. »Hat Skar es dir gemacht?«

»Talin ist mein Bruder«, erwiderte Syrr gepreßt.

»Dein Bruder, so?« Gorrn schüttelte den Kopf. »Gut. Und du hast nichts mit Skar zu schaffen? Wenn es so ist, dann wird dein Nicht-Freund ja auch nichts dagegen haben, wenn wir beiden ein privates Abkommen treffen, wie?« Er grinste. »Du bist ein hübsches Kind. Es wäre schade, wenn du mit dem anderen Pöbel im Lager frieren müßtest, findest du nicht? Und das Essen ist auch nicht besonders gut.«

»Hör auf«, sagte Skar ruhig.

Gorrn fuhr herum und starrte ihn an. Seine Augen blitzten. »Was hast du gesagt?« fragte er lauernd.

»Laß sie in Ruhe«, sagte Skar noch einmal. »Sie sagt die Wahrheit. Ich habe nichts mit ihr und dem Jungen zu schaffen. Du triffst mich nicht, wenn du sie quälst.«

»Warum erregst du dich dann so?« erwiderte Gorrn scharf. »Was mischst du dich dauernd ein? Wer bist du überhaupt?«

»Skar ist unser Beschützer«, sagte Talin wütend. »Er wird dich in Stücke schneiden, wenn du meine Schwester auch nur anrührst!«

Gorrn erbleichte noch ein wenig mehr, preßte wütend die Lippen aufeinander und starrte Talin und Skar abwechselnd an. »Euer Beschützer, so?«

Skar warf dem Jungen einen beschwörenden Blick zu, aber Talin reagierte nicht darauf. Als Syrr die Hand ausstreckte, um ihn zum Schweigen zu bringen, tauchte er blitzschnell unter ihrem Arm hindurch und trat herausfordernd auf Gorrn zu. »Ja, das ist er!« sagte er wütend. »Er hat ganz allein ein Dutzend Quorrl erschlagen! Ich würde dir nicht raten, Syrr auch nur ein Haar zu krümmen, wenn dir dein Leben lieb ist.«

»Ein Dutzend Quorrl?« wiederholte Gorrn verwirrt.

»Der Junge übertreibt«, sagte Syrr hastig. »Es waren nur zwei. Aber er hat uns das Leben gerettet, das ist wahr.«

»Zwei?« Seltsamerweise schien Gorrn eher nervöser zu werden. Ein neuer, angespannnter Zug erschien auf seinem Gesicht. »Zwei Quorrl? Eine beachtliche Leistung für einen einzelnen Mann.« Er trat einen weiteren Schritt auf Skar zu, schob Talin einfach beiseite und musterte ihn von Kopf bis Fuß.

»Was bist du, Skar?« fragte er. »Ein Krieger?«

Skar nickte. »Ich bin... ich war Söldner«, antwortete er.

»Aber das ist lange her.«

»Nicht lange genug, daß du dein Handwerk verlernt hast, scheint mir. Ein Mann, der ganz allein zwei Quorrl erschlägt...«

»Es gibt Dinge, die man nicht verlernt«, erwiderte Skar, mit einer genau berechneten Spur von Drohung in der Stimme, die Gorrn keineswegs entging.

»Ein Krieger also«, wiederholte der Hauptmann. »Nun, das erklärt manches. Aber es ändert nichts. Deine Waffe!«

Skar rührte sich nicht. Gorrns Gesicht färbte sich dunkel vor Zorn, und einen Moment lang sah es beinahe so aus, als wolle er sich wirklich auf Skar stürzen, um ihm das Schwert mit Gewalt zu entreißen. Aber dann verzog er nur abfällig die Lippen. »Du willst also den starken Mann spielen, wie?« fragte er lauernd. »Glaubst du, uns alle besiegen zu können?«

»Nein«, erwiderte Skar. »Aber ich trenne mich nicht von meiner Waffe. Ihr braucht Krieger. Ich bin einer, und ein guter dazu. Ich werde -«

»Brauchen?« fiel ihm Gorrn ins Wort. Seine Stimme wurde schrill, fast hysterisch. »Ich werde dir sagen, was wir brauchen, du Beschützer der Armen. Vor allem brauchen wir keine Männer wie dich, die hierherkommen, um Ärger zu machen! Wir brauchen sie noch weniger als dieses Flüchtlingspack, das wie ein Heuschreckenschwarm über unsere Grenzen kommt! Und jetzt gib mir deine Waffe, Beschützer Skar, ehe ich dich töten lasse!«

»Traust du dich nicht, es allein zu versuchen?« fragte Skar lächelnd.

Gorrn wurde kreidebleich. Eine Sekunde lang starrte er Skar aus hervorquellenden Augen an, dann stieß er einen schrillen, halberstickten Schrei aus und warf sich mit geballten Fäusten auf ihn.

Skar machte eine blitzschnelle Bewegung mit der Linken, und Gorrn verlor wie durch Zauberei plötzlich den Boden unter den Füßen, segelte ein gutes Stückweit durch die Luft und landete unsanft auf dem Hinterteil.