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»Nein«, antwortete Skar. »Es ist zum Töten gemacht. So etwas gefällt mir nicht. Aber es ist eine gute Anlage. Obwohl -«

»Obwohl?« fragte Drask, als Skar nicht weitersprach.

Skar lächelte flüchtig. »Mich würde es nicht aufhalten. Nicht lange, jedenfalls.«

Drask nickte anerkennend. »Aus dir spricht der Krieger«, sagte er. »Aber du hast natürlich recht - wenn die Quorrl Gorrns Krieger überrennen sollten, wird sie auch das hier nicht mehr lange aufhalten. Doch das muß es auch nicht. Wir haben andere Mittel, uns zur Wehr zu setzen.«

»Andere Mittel?«

Drask lächelte und schwieg. Skar begriff, daß er von ihm nicht mehr erfahren würde, wenigstens nicht hier und nicht jetzt. Und das Gefühl des Unwohlseins, das Drasks Nähe ihm vermittelte, wurde immer stärker. Skar versuchte vergeblich, sich einzureden, daß er nichts zu befürchten hatte. Hätte Drask ihn umbringen wollen, so hätte ein Wort an Gorrn und seine Männer gereicht.

Aber vielleicht gab es Schlimmeres als den Tod...

Der Steg endete vor einer niedrigen, sehr massiven Tür aus schmucklosem schwarzem Eisen, die wie von Geisterhand bewegt aufschwang, als Drask eine Handbewegung machte. Dahinter begann ein knapp fünf Fuß hoher, unbeleuchteter Gang, der so schmal war, daß Skar beim Gehen die Wände rechts und links berührte. Trotz des kaum vorhandenen Lichtes sah er die handgroßen Öffnungen, die in regelmäßigen Abständen in der Decke und den Wänden gähnten. Zweifellos konnte der Stollen mit Wasser oder kochendem Öl geflutet werden, sollte es einem Angreifer gelingen, in ihn einzudringen. Und trotzdem...

»Ist dies der einzige Zugang zur Festung?« fragte er.

Drask nickte. »Von hier aus, ja. Es gibt noch einen anderen Weg, aber der ist beinahe noch besser geschützt. Die Quorrl werden sich etwas einfallen lassen müssen, wenn sie die Burg stürmen wollen.«

»Wer sagt dir, das sie das tun?«

Drask lachte leise. Es klang nicht sehr amüsiert, und der enge Gang verzerrte seine Stimme fast bis zur Unkenntlichkeit, machte ein schrilles, hohl widerhallendes Meckern daraus, das Skar einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. »Ich weiß es«, sagte er. »Sie ziehen ihre Krieger zusammen, Skar, nicht einmal hundert Meilen von hier. Sobald der Winter vorüber ist, werden sie kommen. Dieser Fluß ist das Tor nach Bayfour. Sie müssen ihn haben. Aber genug jetzt - wir haben später Zeit zum Reden. Komm.« Er ging schneller. Sie erreichten eine Treppe, die in engen Windungen wie ein Schneckenhaus in einem senkrechten Schacht nach oben führte und ganz aus Holz erbaut war, wohl, um sie im Notfall anzünden zu können, und dann standen sie plötzlich wieder im hellen Licht der Nachmittagssonne.

Skar blinzelte, um seinen noch an die Dunkelheit gewöhnten Augen Zeit zu geben, sich auf die ungewohnte Helligkeit umzustellen. Im ersten Moment sah er nichts als flache schwarze Schatten, aber sein Blick klärte sich überraschend schnell. Und was er sah, ließ ihn erstaunt den Atem anhalten.

Der Stollen mündete in der Flanke des Berges, aus dem die Festung zum Großteil herausgemeißelt worden war, so daß sie nicht auf dem Burghof, sondern auf einem schmalen Sims in halber Höhe der gigantischen Anlage herausgekommen waren. Skar konnte die Festung von hier aus zum allergrößten Teil überblicken - und es war wirklich eine Festung! Wenn er jemals ein Bauwerk gesehen hatte, das diesen Namen verdiente, dann das hier. Ihre Mauern waren sehr viel höher, als es von unten betrachtet ausgesehen hatte - Skar schätzte ihre niedrigste Stelle auf gute zweihundert Fuß, über die sich drei gigantische schwarze Türme noch einmal um gut das Dreifache erhoben. Nicht einmal Elay mit seinen jahrtausendealten Wehrmauern hatte ihm einen solchen Eindruck von Macht und Wehrhaftigkeit vermittelt. Und es war etwas Finsteres an dieser Burg, etwas, das nicht in Worte zu fassen war, das er aber überdeutlich spürte, wie einen unangenehmen Geruch, den er nicht definieren konnte. Er schauderte. »Wer... hat diese Festung erbaut?« fragte er stockend.

»Wir«, antwortete Drask. Wie Skar war er stehengeblieben, wenn auch nicht, um die Festung in Augenschein zu nehmen, sondern nur, um ihm die nötige Zeit zu geben, den Eindruck gebührend zu verarbeiten. Skar war plötzlich sicher, daß der Alte ihn aus keinem anderen Grund als diesem hier heraufgeführt hatte. »Gefällt dir, was du siehst?«

»Sie ist... gigantisch«, antwortete Skar mühsam.

»Ich weiß«, antwortete Drask. »Und trotzdem wird sie fallen, wenn kein Wunder geschieht.«

»Fallen?« Skar ächzte. »Nicht einmal die Quorrl -«

»- können diese Festung stürmen, ich weiß«, unterbrach ihn Drask. »Aber es sind auch nicht die Quorrl, die wir fürchten, Skar.« Er schwieg einen Moment, fuhr sich mit der Hand über das Kinn und sprach mit sehr leiser und irgendwie trauriger Stimme weiter. »Wären es nur die Quorrl, deren Angriff wir erwarten, so würde ich keinen Gedanken an sie verschwenden. Nicht eine Million Quorrl könnten diese Mauern erstürmen.« Skar hielt das für etwas übertrieben, aber er hatte das Gefühl, daß der Alte mit diesen Worten ohnehin nur auf etwas Bestimmtes hinarbeiten wollte, und so schwieg er.

»Es gibt eine Macht auf Enwor, der wir nicht gewachsen sind«, fuhr Drask nach einer Weile fort.

Skar sah ihn ernst an. »Und wer?«

Drask antwortete nicht direkt, sondern drehte sich halb um seine Achse, machte eine sonderbare, flatternde Bewegung mit der Hand und sah wieder zu Skar auf. »Sag mir, Skar«, begann er, »könntest du diese Mauern stürmen?«

»Ich?« Skar blinzelte verwirrt. »Aber-«

»Nicht du allein, natürlich«, unterbrach ihn Drask mit einem raschen, verzeihenden Lächeln. »Aber gesetzt den Fall, du stündest dort unten, in Orkala, an der Spitze eines Heeres aus Männern wie dir...«

»Satai?« echote Skar ungläubig.

»Satai«, bestätigte Drask ruhig. »Deine Brüder, Skar. Wir fürchten nicht die Quorrl. Sie sind dumm. Was wir fürchten, sind die Satai. Sie sammeln sich.«

»Aber das... das ist unmöglich!« widersprach Skar automatisch. »Das kann nicht sein! Nicht, wenn...«

»Wenn was?« fragte Drask scharf. »Warum sprichst du nicht weiter? Was fürchtest du, Skar? Die Wahrheit? Oder hast du nur Angst, plötzlich festzustellen, daß du auf der falschen Seite gestanden hast, bisher?«

Skar schwieg.

»Ist es so?« fuhr Drask fort. »Hast du dich getäuscht? Stehst du auf der falschen Seite?«

»Ich weiß ja nicht einmal, welche Seite die richtige ist«, murmelte Skar.

»Aber du hast darüber nachgedacht«, beharrte Drask. »Seit dem Abend, an dem du den Satai getötet hast, quält dich diese Frage.«

Es dauerte einen Moment, bis Skar die wahre Bedeutung von Drasks Worten begriff. Dann versteifte er sich. »Woher weißt du das?« fragte er scharf.

Drask lächelte. »Ich lese deine Gedanken, Satai«, sagte er ruhig.

»Du -« Skar brach mitten im Wort ab, starrte den Alten aus ungläubig geweiteten Augen an und wich ganz instinktiv zwei, drei Schritte von ihm zurück, bis sein Rücken gegen den rauhen Fels stieß. Seine Hand senkte sich auf den Schwertgriff.

Drask schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. »Tu es nicht, Skar«, sagte er. »Ich bin ein alter Mann und du ein Satai, und trotzdem könnte ich dich vernichten, mit einer einzigen Bewegung meiner Hand. Aber ich bin nicht dein Feind.«

»Wer... wer bist du?« stammelte Skar. Es fiel ihm schwer, auch nur zu sprechen. Der Alte las seine Gedanken! Er wußte... alles!

»Nicht alles«, korrigierte ihn Drask ruhig. »Nur manches. Nur das, was an der Oberfläche liegt. Und auch nur dann, wenn du dich nicht wehrst.« Er lächelte dünn. »Du siehst, ich vertraue dir, Skar.« Plötzlich wurde seine Stimme hart. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Satai«, fuhr er fort, mit vollkommen veränderter, fordernder Betonung. »Auf welcher Seite stehst du? Auf unserer? Oder auf der deiner Brüder?«

Skar hätte nicht einmal dann antworten können, wenn er es gewollt hätte. Er war verwirrt, durcheinander wie nie zuvor in seinem Leben, und gleichzeitig fühlte er ein tiefes, fast körperlich schmerzendes Entsetzen. Der Alte liest seine Gedanken! »Ich verstehe«, sagte Drask plötzlich. »Du bist verwirrt. Du traust mir nicht - und wie könntest du auch? Und du fürchtest mich. Aber das eine ist so unbegründet wie das andere, glaube mir. Ich stehe auf deiner Seite. Wenn du auf unserer stehst.«