Выбрать главу

»Was... was meinst du damit?« stammelte Skar. »Wieso -« Drask unterbrach ihn mit einer herrischen Geste. »Vielleicht verlange ich zuviel von dir, Skar«, sagte er. »Du bist verwirrt, und da ist so vieles, was du nicht weißt. Du sehnst dich nach dem Tod. Dabei ist es so wichtig, daß du lebst.«

»Unsinn«, widersprach Skar, aber wieder unterbrach ihn Drask mit einer raschen, befehlenden Bewegung.

»O doch«, behauptete er. »Du hast ihn berührt, Skar. Was die Gesichtslosen Prediger mit dir getan haben, war ein Stück davon. Du hast den großen Schlaf gespürt, und etwas in dir sehnt sich danach zurück.« Er lächelte. »Du weißt es nicht, und wüßtest du es, würdest du es nicht zugeben - aber du hast den Tod gesucht, als du losgeritten bist, um Trash zu stellen. So wie vorhin, als du Gorrn herausgefordert hast. Aber dieser Ausweg ist dir verwehrt. Es wäre Flucht, und du bist noch nie vor etwas davongelaufen. Außer vor dir selbst. Aber das ist etwas, was wir alle versuchen, irgendwann einmal. Niemandem ist es bisher gelungen. Auf welcher Seite wirst du stehen, Skar?«

Skar antwortete nicht. Er verstand nicht einmal, was der Alte meinte.

»Gut«, sagte Drask, der die Antwort offensichtlich in seinen Gedanken gelesen hatte. »Dann laß mich die Frage anders stellen - wüßtest du, daß du dich getäuscht hast, daß du in Wahrheit nicht hierher, sondern zu deinen Brüdern nach Orkala gehörtest, daß sie im Recht und wir die Feinde in diesem Krieg sind...« Sein Blick wurde lauernd. »Hättest du Enwass und Syrr trotzdem geholfen?«

»Natürlich«, antwortete Skar. »Sie -«

»Mehr wollte ich nicht wissen«, sagte Drask. Seine penetrante Art, Skar niemals zu Ende sprechen zu lassen, begann ihn zu reizen. Aber vielleicht war das ganz natürlich für jemanden, der die Antwort auf eine gestellte Frage immer schon kannte, ehe sie laut ausgesprochen werden konnte.

Drask lächelte, und Skar begriff, daß er auch diesen Gedanken gelesen hatte.

»Das ist wahr«, sagte Drask. »Aber keine Sorge - ich werde es nicht zu einer schlechten Angewohnheit werden lassen. Es ist mühsam, die Gedanken eines anderen zu lesen, und entwürdigend; für beide. Aber es war wichtig.«

»So?« fragte Skar mißtrauisch. »Warum?«

»Weil viel von deinen Antworten abhing, Skar«, erwiderte Drask. »Für dich, für mich - aber auch für uns alle. Vielleicht das Schicksal dieser Welt.«

Das Schicksal dieser Welt... Skar schauderte. Aus dem Munde jedes anderen hätten diese Worte lächerlich geklungen. So, wie Drask sie aussprach, ließen sie ihn plötzlich frieren. Und wie ein böses, höhnisches Echo auf die Worte Drasks hörte er noch einmal, was Trash gesagt hatte, als er starb: Sie sind wieder da, Skar! Sein Blick löste sich von Skars Gesicht, glitt über die zyklopischen Mauern der Festung, über die Türme und Wehrgänge, die winzigen Gestalten der Posten, die hoch über dem Fluß patrouillierten, die Berge auf der anderen Seite des tosenden Wasserstromes und schließlich in den Himmel hinauf. Und plötzlich begriff er, daß er länger geschlafen hatte, als er bisher auch nur ahnte. Viel, viel länger.

»Was ist hier geschehen?« flüsterte er.

»Sie sind zurückgekehrt, Skar«, sagte Drask leise. »Die Götter, die diese Welt einst beherrschten, sind zurückgekehrt. Und sie wollen wiederhaben, was ihnen einmal gehörte.«

»Zurück?« murmelte Skar. Ein eisiger, ungläubiger Schrecken griff wie eine Klaue aus Glas nach seinem Herzen. Drasks Worte hätten ihn nicht so erschrecken dürfen; nicht einmal überraschen. Aber sie taten es.

Drask nickte ernst. »Folge mir«, sagte er. »Ich werde dir alles erzählen.«

14.

»Es begann vor fünf Jahren«, begann Drask, »vielleicht schon eher, ohne daß jemand es auch nur ahnte. Wahrscheinlich sogar, denn große Dinge brauchen Zeit, sich vorzubereiten.«

Fünf Jahre? Skar hatte Mühe, sich seinen Schrecken nicht anmerken zu lassen. Drask legte eine kleine Pause ein und sah ihn scharf an; offensichtlich wartete er auf eine ganz bestimmte Reaktion, vielleicht auch nur auf eine Frage. Aber Skar war noch immer viel zu bestürzt, um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Fünf Jahre!

Schließlich fuhr der Alte fort: »Die Zeichen waren klar genug, Skar, aber niemand vermochte sie zu deuten; nicht, bevor es zu spät war. Es gab Plagen: Seuchen, Dürrezeiten, dann wieder Überschwemmungen, aber niemand begriff, daß all dies nur ein Teil des großen Planes war.« Er lachte bitter. »Und wie konnten wir auch? Niemand konnte mit der Existenz eines Gegners rechnen, von dem wir bisher nicht einmal wußten, daß es ihn gibt!«

»Die Quorrl?« fragte Skar.

Drask nickte. »Zu Anfang, ja. Aber was besagte das schon? Sie sind tausend Mal über die Grenzen ihrer Länder gekommen, und wir haben sie tausend Mal zurückgeschlagen. Aber dieses Mal waren sie nicht allein.«

»Die Daij-Djan«, murmelte Skar, aber Drask schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte er. »Sie sind nur Werkzeuge. Entsetzliche Werkzeuge, aber nicht mehr. Keiner von uns kennt bis jetzt den wahren Feind.« Er schwieg, griff mit bedächtigen Bewegungen nach dem Becher mit Wein, den ein Diener ihm und Skar gebracht hatte, und nahm ihn auf, ohne jedoch zu trinken. »Ich hatte gehofft, daß du uns sagen könntest, wer es ist.«

»Ich?« Skar schrie fast. »Aber wieso...?«

»Weil du der letzte bist«, fiel ihm Drask ins Wort. »Der letzte von denen, die damals dabei waren. Du...« Er stockte, nippte an seinem Wein und lächelte flüchtig. »Verzeih, wenn ich dich schon wieder unterbrochen habe. Ich fürchte, ich verlange zu viel von dir.«

Skar begriff nur allmählich, was Drask wirklich hatte sagen wollen. Und als er es tat, packte ihn eine Mischung aus Zorn und eisigem Entsetzen. »Weil ich es war, der sie geweckt hat, willst du sagen«, fauchte er.

Drask nickte. »Ja. Aber es war nicht deine Schuld. Es war Vela, die den Weg fand, es zu tun, und du, der das Siegel erbrochen hat.« Er lachte, leise und ohne die mindeste Spur von Humor. »Du hast mehr getan, als einen wertvollen Stein zu stehlen, als du in Combat warst, Satai. Aber du konntest es nicht wissen.« Er seufzte. »Ich glaube, nicht einmal Vela wußte es. Ihr wart nur Werkzeuge. Hättet ihr es nicht getan, wären andere gekommen.«

»Andere?«

Drask nickte heftig. »Natürlich. Hast du vergessen, was Vela dir erzählt hat? Ihr wart nicht die ersten, die versucht haben, das Geheimnis Combats zu lösen. Vor euch haben Hunderte es versucht; Narren und Abenteurer, aber auch gute Männer wie du.«

»Ja«, sagte Skar bitter. »Aber keinem von ihnen ist es gelungen. Nur uns.«

»Trotzdem trifft dich keine Schuld«, behauptete der Alte. »Wärst du verbrannt, wie all die anderen, die vor dir nach Combat gingen, so wäre ein anderer gekommen, und wieder einer, und wieder, und wieder - so lange, bis das Siegel erbrochen wäre. Es war nur eine Frage der Zeit.« Er stellte seinen Becher mit einem Ruck auf den Tisch zurück, stand auf und ging mit gemessenen Schritten zum Fenster. Als er weitersprach, sah er Skar nicht mehr an, sondern blickte auf den Hof hinab, der fast dreihundert Fuß unter ihnen lag, denn die Kammer, in die er Skar geführt hatte, lag direkt unter der Spitze des höchsten der drei Türme. »Ja«, fuhr er fort. »Ich glaube, es war so. Sie waren Millionen von Jahren eingekerkert, und es verging kein Tag in all dieser Zeit, in der sie nicht danach trachteten, ihr Gefängnis zu verlassen.«