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»Es ist gut«, sagte er. »Du kannst gehen.«

Der Diener lief hinaus, noch ehe er ausgesprochen hatte. Skar spürte, wie froh er war, aus seiner Nähe verschwinden zu können. Sein Verhalten ärgerte ihn, aber er konnte es verstehen. Er hätte kaum anders reagiert, an seiner Stelle, hätte er sich unversehens einem Mann gegenübergesehen, dessen Brüder seit fünf Jahren versuchten, die Welt zu erobern.

Da es im Moment nichts anderes gab, was er tun konnte, setzte er sich, goß sich einen Becher Wein ein und nippte vorsichtig daran. Er war süß und sehr schwer, und Skar nahm sich vor, nicht zu viel davon zu trinken. Er hatte sich noch längst nicht richtig erholt und mußte einen klaren Kopf behalten.

Aber er blieb nicht lange allein. Schon nach wenigen Augenblicken hörte er Schritte draußen auf dem Gang, dann wurde die Tür aufgestoßen, und der Diener kam zurück. Er war nicht mehr allein. In seiner Begleitung befanden sich Syrr und ihr Bruder. Skar stand auf, musterte die beiden verwirrt und sah den Diener an. »Was -«

»Drask hat es befohlen, Herr«, sagte der Diener hastig, und eindeutig im Tonfall einer Verteidigung. »Er... er sagte, die beiden hier sollten zu Euch gebracht werden. Er sagte, Ihr würdet ihre Gesellschaft schätzen.«

»Das... stimmt«, antwortete Skar automatisch. »Es ist gut. Du kannst gehen.«

Diesmal lief der Diener fast noch schneller aus dem Raum als beim erstenmal. Skar blickte ihm kopfschüttelnd nach, dann wandte er sich an Syrr. »Was ist mit den anderen?« fragte er. »Mit Enwass und seiner Familie? Sind sie in Ordnung?«

Talin starrte ihn nur wortlos an, während auf Syrrs Gesicht ein fast verletzter Ausdruck erschien. Wahrscheinlich war sie enttäuscht, daß Skar so wenig Freude über ihr unverhofftes Wiedersehen zeigte. Nun - genau das sollte sie schließlich sein.

»Sie... sind gesund«, antwortete sie schließlich. »Gorrn hat sie ins Lager bringen lassen, aber Drask selbst hat ihm noch einmal befohlen, sie gut zu behandeln. Ich war dabei.« Und plötzlich war ihre Selbstbeherrschung dahin. Mit einem halblauten Schrei stürmte sie auf Skar zu, warf sich an seine Brust und umklammerte ihn so fest, daß es beinahe weh tat. »Oh, Skar«, schluchzte sie. »Ich bin so froh, dich wiederzusehen. Ich... ich hatte solche Angst, daß sie dir etwas antun!«

Skar löste ihre Hände mit sanfter Gewalt, schob sie erst auf Armeslänge von sich und dann auf einen Stuhl. »Mir ist nichts geschehen«, sagte er betont knapp. »Wie du siehst, geht es mir sogar sehr gut. Aber was tut ihr hier?«

Syrrs Augen wurden groß. »Aber... aber ich dachte, du...«

»Ich?« Skar schnaubte. »Ich habe nichts damit zu schaffen. Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich weder dich noch deinen Bruder noch sonst irgendeine Familie brauche!«

Syrr war verletzt, aber das berührte ihn nicht. Verdammt, er hatte mehr als genug eigene Probleme und weder die Lust noch die Kraft, sich mit einer erst halb erwachsenen Waise und ihrem verhaltensgestörten Bruder abzugeben. Was dachte sich dieser Drask?!

»Ich dachte mir, es würde dir Freude bereiten, ein bekanntes Gesicht zu sehen, Skar«, antwortete eine Stimme von der Tür aus.

Skar fuhr herum und erkannte Drask, der unbemerkt eingetreten war. Zorn flammte in ihm auf.

»Und ich dachte, du hättest versprochen, es nicht mehr zu tun!« fauchte er.

Drask machte eine schuldbewußte Handbewegung. »Verzeih, Skar«, sagte er. »Alte Gewohnheiten legt man nicht so schnell ab. Wenn du willst, lasse ich diese beiden wieder ins Lager zurückbringen.«

Skar dachte einen Moment ernsthaft über seine Worte nach, aber dann schüttelte er den Kopf. Er hätte sie nicht geholt, hätte man ihn gefragt, aber Syrr und Talin jetzt wieder zurückzuschicken, hieße unnötig grausam zu sein. »Nein«, knurrte er. »Gib ihnen ein Zimmer. Vielleicht findest du für das Mädchen eine Arbeit in der Küche, oder sonst etwas, womit sie sich nützlich machen kann.«

»Aber Skar!« sagte Syrr. »Ich dachte -«

»Du sollst gehorchen, nicht denken!« unterbrach sie Skar grob. »Verschwinde!« Er trat ein Stück zurück und wedelte ungeduldig mit der Hand, als sie noch immer zögerte zu gehorchen. Einen Moment lang starrte Syrr ihn fast entsetzt an; mit einem Blick, der Skar an den eines verwundeten Rehs erinnerte, das einfach nicht begreift, woher das Messer in der Hand gekommen war, nach der es sich gebückt hatte, um sich streicheln zu lassen. Dann stand sie so abrupt auf, daß ihr Stuhl scharrend nach hinten flog und um ein Haar umfiel, warf den Kopf in den Nacken und stürmte hinaus.

Drask runzelte die Stirn, sagte aber kein Wort mehr, bis die beiden das Zimmer verlassen hatten. Dann drückte er die Tür hinter ihnen ins Schloß, wandte sich wieder Skar zu und lächelte verlegen. »Verzeih«, sagte er. »Ich dachte wirklich, es würde dich freuen. Manchmal bewahrt einen nicht einmal die Fähigkeit des Gedankenlesens davor, Fehler zu begehen.« Er seufzte, schüttelte abermals den Kopf und kam mit gemächlichen Schritten näher. »Was machen wir nun damit?« fragte er mit einer Geste auf den gedeckten Tisch. »Ein wenig viel für nur zwei, nicht wahr?«

»Was soll das?« fragte Skar grob. »Rufe einen Hofnarren, wenn du Scherze machen willst.«

Drask lachte leise. »Du magst das Mädchen«, stellte er fest. »Unsinn!«

»Doch«, behauptete Drask. »Du bist nur so gereizt, weil du es nicht zugeben willst. Aber vielleicht ist es ganz gut so - wir haben viel zu besprechen.«

»Sicher«, fauchte Skar. »Ich habe auch schon einen Plan, weißt du? Gib mir ein Schwert und ein gutes Pferd, und ich reite nach Orkala und jage die Quorrl zurück in ihre Wälder.«

»Vielleicht machen wir es wirklich so«, antwortete Drask vollkommen ernst. »Aber erst laß uns essen. Eine Nacht ohne Schlaf macht mich immer sehr hungrig.«

Skar stellte die Frage nicht, die Drask mit seinen Worten provozieren wollte, sondern ließ sich ohne ein Wort auf seinen Stuhl sinken. Drasks einladende Geste, sich doch an den Speisen zu bedienen, ignorierte er. Drask zuckte die Achseln, seufzte abermals und beugte sich vor, um kräftig zuzugreifen.

Er entwickelte tatsächlich einen erstaunlichen Appetit. Und ganz getreu seinen Worten aß er sehr ausgiebig und in aller Ruhe, ehe er das Gespräch fortsetzte. Natürlich war sich Skar darüber im klaren, daß nichts von dem, was Drask tat, Zufall oder auch nur Gedankenlosigkeit war - es war ein Spiel, ein Spiel nach Regeln, die er nicht kannte, und das er verlieren mußte. Vielleicht wollte Drask nur sehen, wie er verlor. Es war nicht sehr fair, dachte Skar wütend, gegen einen Mann zu kämpfen, der seine Gedanken las, wie es ihm beliebte.

Fast eine halbe Stunde verging, bis Drask seinen Teller geleert hatte und zurückschob. »So«, erklärte er aufgeräumt, nachdem er mit einem gewaltigen Schluck Wein nachgespült hatte, »jetzt fühle ich mich schon besser. Du hast nichts gegessen?«

»Ich bin nicht hungrig«, erklärte Skar kurz angebunden.

»Das solltest du aber«, erwiderte Drask ernst. »Du hast so wenig Schlaf gehabt wie ich. Und du wirst deine Kräfte bitter nötig haben.«

»Kommst du endlich zur Sache?« knurrte Skar.

Drask zog eine Grimasse, trank einen weiteren Schluck Wein und füllte seinen Becher neu, ehe er weitersprach: »Warum bist du so, Skar?« fragte er. »Du stößt die vor den Kopf, die dir helfen wollen, und verletzt die am meisten, die dich lieben.«

»Vergiß es«, schnappte Skar. »Ich heirate nicht. Dich schon gar nicht.«

Drask starrte ihn eine Sekunde lang verdattert an, dann begann er schallend zu lachen. »Bravo!« sagte er. »Du schaffst es sogar, mich zu verblüffen. Ich sehe, daß zu stimmen scheint, was man -, sich über dich erzählt.« Er wurde übergangslos wieder ernst. »Aber ich spreche nicht von mir«, fuhr er fort. »Das Mädchen, Skar. Syrr. Sie liebt dich, weißt du das?«