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»Meinen Lohn?« Drasks Gesicht verdüsterte sich vor Zorn. »Meinen Lohn?!« wiederholte er. »Siehst du es so? Glaubst du wirklich, ich wäre nichts als ein kleiner Krämer, der um eine Belohnung für seine Dienste schachert?!«

»Nein«, sagte Skar hastig. Drasks Zorn war nicht gespielt. Skars Worte hatten ihn verletzt, viel tiefer, als Skar es absichtlich hätte tun können. Es tat ihm leid. Er mochte Drask noch immer nicht, und wahrscheinlich war es überhaupt unmöglich, diesen Mann zu mögen, egal wie gut man ihn kannte. Aber ihn zu verletzen war das letzte, was er wollte. »Entschuldige«, murmelte er. »Ich... wollte das nicht sagen.«

»Doch«, behauptete Drask aufgebracht, »das wolltest du! Du -« Er hob zornig die Hand, eine ganz impulsive Bewegung, wie man sie einem ungezogenen Kind gegenüber machen würde, um es zu züchtigen, brach aber dann plötzlich mitten im Satz ab und ließ auch den Arm wieder sinken.

»Du bist nun einmal so«, fuhr er fort, wenn auch mit gänzlich anderer Betonung. Jeder Zorn war mit einem Male aus seiner Stimme verschwunden. Wenn Skar überhaupt noch etwas darin hörte, dann allenfalls noch eine tiefe, mit Trauer gepaarte Resignation.

»Vielleicht hast du sogar recht«, sagte er plötzlich. »Ja, ich verlange meine Belohnung. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß ich es mir noch leisten könnte, irgend etwas zu verschenken.« Er schwieg einen Moment, schüttelte plötzlich den Kopf, als hätte er sich in Gedanken eine Frage gestellt und im selben Augenblick selbst beantwortet, dann ging er mit schnellen trippelnden Schritten um den Tisch herum und setzte sich ebenfalls. Seine Hände glitten wie kleine selbständige Lebewesen aus grau gewordenem Fleisch über die zerfurchte Platte. Er sprach nicht weiter.

»Du verlangst eine Antwort«, sagte Skar.

Drask nickte. »Ja. Du hattest Zeit genug. Sage nicht, daß ich dir nicht genug Zeit gelassen hätte.«

Zeit... Skar lächelte bitter. Als ob es einen Unterschied machte, ob er eine Stunde oder ein Jahr Frist hatte, eine Frage zu beantworten, die er nicht beantworten konnte.

»Das macht es!« behauptete Drask. »Du warst verwirrt, als du hier ankamst. Verwirrt und verletzt und voller Furcht und Zorn.«

Skar fiel nicht einmal mehr auf, daß er die Worte nicht laut ausgesprochen hatte, sondern nur gedacht hatte. Er fühlte sich in die Enge gedrängt, hilflos, und dieses Gefühl ließ seine Verwirrung unversehens in Zorn umschlagen.

»Warum liest du nicht einfach meine Gedanken, wenn du die Antwort erfahren willst?« schnappte er.

»Weil sie nicht darin steht«, antwortete Drask. »Denkst du, ich hätte es nicht getan?« Er schnaubte, blieb aber trotzdem ganz ruhig. Nur in seinem Blick war mit einem Male etwas Neues; etwas, das Skar nicht greifen konnte, das ihn aber mehr und mehr verunsicherte. Er erinnerte sich, wie angenehm ihm Drasks Gegenwart in den ersten Tagen gewesen war. Während der vergangenen zwei Wochen war er lange genug mit dem Alten zusammen gewesen, dieses Gefühl schlichtweg zu vergessen, ganz einfach, weil er sich daran gewöhnt hatte. Jetzt war es wieder da, und heftiger als zuvor. »Ich habe deine Gedanken gelesen, Skar«, bekannte er freimütig, »öfter, als du ahnst - willst du es mir vorwerfen?«

Skar schwieg.

»Die Antwort steht nicht darin. Du weißt sie selbst noch nicht, weil du dich bisher geweigert hast, wirklich danach zu suchen. Du hast Angst davor, und das kann ich verstehen. Aber ich kann nicht mehr warten. Was wirst du tun?«

Skar starrte ihn an. Nicht einmal jetzt war es ihm möglich, zu einer Entscheidung zu kommen. Was Drask von ihm verlangte, war... unmöglich. »Warum jetzt?« fragte er leise. »Warum nicht gestern? Oder morgen?«

»Weil etwas... geschehen ist«, antwortete Drask mit unmerklichem Zögern. Seine Hände hörten auf, mit kleinen scharrenden Bewegungen über die Tischplatte zu huschen, und lagen mit einem Male ganz still. Der Anblick erinnerte Skar an zwei große, tote Spinnen.

»Ich habe dir gesagt, daß ich ihn finden könnte, wenn es sein müßte«, fuhr Drask halblaut fort. Er wich Skars Blick aus. Skar verstand es nach Sekunden. »Du hast...«

»Ich habe getan, was ich tun mußte«, unterbrach ihn Drask, sehr scharf und lauter, als notwendig gewesen wäre. »Zum Teufel, starr mich nicht so an! Ja, ich habe ihn suchen lassen.«

»Und gefunden?« Skars Stimme war fast tonlos. Sein Herz jagte, und er spürte, wie seine Hände vor Erregung feucht wurden. Was hatte dieser alte Narr getan ?!

Drask nickte. Er wollte antworten, aber zum ersten Mal, seit Skar ihn kannte, schienen ihm die Worte zu fehlen. Seine Selbstsicherheit zerbröckelte wie eine Maske aus Gips. Mit einem Male sah er sehr besorgt aus; mehr noch - das Glitzern in seinen Augen war eindeutig Furcht. Eine ganz bestimmte Art von Furcht, die auch Skar nur zu gut kannte: die Angst, einen Fehler begangen zu haben. »Ja«, sagte er schließlich. »Jedenfalls... glaube ich es.«

»Du glaubst?« Skar richtete sich kerzengerade auf. »Du bist nicht sicher, Drask?« fragte er scharf. »Du selbst hast mir erzählt, wie groß das Risiko ist, das du eingehst, wenn du nach...« Er brachte es nicht fertig, zu sagen: meinem Sohn, »...dem Kind suchst. Und jetzt bist du nicht einmal sicher?«

Drask hob beschwichtigend die Hand. »Ich bin fast sicher«, sagte er. »Und das Risiko ist kleiner, als du denkst. Ich weiß nicht, ob sie meine...« Er lächelte matt. »Manipulationen... überhaupt bemerken. Und wenn... Nun, täusche ich mich, so führt sie die Spur, die ich hinterlassen habe, nur in die Irre.« Er lächelte nervös, und Skar begriff, daß zumindest der letzte Teil seiner Antwort wohl eher dem Bedürfnis entsprang, sich selbst zu beruhigen, als wirklicher Überzeugung.

»Ich erwarte den endgültigen Beweis noch im Laufe der nächsten Stunden«, fuhr Drask fort. »Und bis dahin brauche ich deine Antwort, Skar.«

»Du läßt mir keine Wahl«, antwortete Skar zornig. »Wenn du recht hast, und das Kind, das du aufgespürt hast, ist wirklich mein Sohn -«

»Werden wir ihn töten«, sagte Drask ruhig. »Ob mit oder ohne deine Hilfe. Wenigstens werden wir es versuchen.«

»Und wie?« Skar schüttelte den Kopf, seufzte, und zwang sich, dem Blick von Drasks dunklen Augen standzuhalten. Es war schwer, aber er konnte es. »Wo ist er?«

»Deine Antwort.«

»Wo?« beharrte Skar. »Wo ist er, Drask?«

Der alte Magier seufzte, aber er schien einzusehen, daß er diese Runde des Spieles nicht nur nach seinen Regeln spielen konnte. »Nicht sehr weit von hier«, sagte er resignierend. »Zwei Tagesreisen zu Pferde, eine halbe Nacht, auf dem Weg, den ich dir zeigen kann.«

»So nahe?« fragte Skar zweifelnd, wobei er den letzten Teil von Drasks Worten geflissentlich überhörte. Er wollte nichts von Zauberei und Magie hören. Obwohl er noch immer nicht wirklich an derartige Dinge glaubte, hatten sie ihm schon zu viel Schaden zugefügt. Und anderen.

»Es ist nur logisch«, erwiderte Drask. »Er ist der Schlüssel zu ihrer Macht. Ihr Trumpf. Würdest du deine stärkste Waffe nicht dorthin schicken, wo sie gebraucht wird?«

Es dauerte einen Moment, bis Skar der Fehler in Drasks Argumentation auffiel. Dann schüttelte er heftig den Kopf. »Nein«, sagte er ruhig. »Zumindest nicht, wenn ich nicht einmal genau wüßte, wo sie ist.«

Drask lächelte. Ganz offensichtlich hatte er mit dieser Antwort gerechnet. Wieder einmal spürte Skar, wie grenzenlos unterlegen er diesem verbrauchten alten Mann war. »Natürlich wissen sie es nicht«, antwortete er. »Aber er. Er ist klug, Skar. Immerhin ist er dein Sohn.«