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»Ja«, sagte er noch einmal. »Wir gehen.«

Syrr loste sich aus seiner Umarmung, ordnete rasch ihr Haar und ihre Kleider und wollte sich zur Tür umdrehen, aber Skar hielt sie noch einmal zurück. »Warte«, sagte er. »Wir müssen -« Etwas geschah. Skar wußte es, den millionsten Teil einer Sekunde, ehe es wirklich geschah, aber er spürte es: Es war, als zögen sich die Schatten im Raum zusammen, als kippe die Wirklichkeit ab, glitte ein ganz kleines Stückchen weiter in die Richtung, in der die Alpträume lauern, als würde aus dem Wispern des Windes draußen ein lautloses, unglaublich böses Lachen. Der Traum war vorüber, so schnell, wie er begonnen hatte. Syrrs Augen wurden groß vor Schrecken, während sie auf etwas starrte, das hinter Skar war, er hörte ein Geräusch, ein Schaben und Klirren, das er kannte oder wenigstens kennen sollte, etwas wie Atemzüge, einen kurzen unglaublich harten Ruck, aber er war nicht fähig, sich umzudrehen, denn irgend etwas lähmte ihn, und plötzlich ragte ein silberner Stern aus Syrrs Hals, fünfzackig und kleiner als seine Hand, tödlich, mit unglaublicher Präzision und Kraft geworfen, der sein Ziel nur verfehlt hatte, weil ihn das Entsetzen in Syrrs Blick gewarnt hatte und er erschrocken zusammengefahren war.

Dann fiel die Lähmung von Skar ab. Mit einem fast körperlich spürbaren Ruck fiel er in die Wirklichkeit zurück. Syrr taumelte, brach in seinen Armen zusammen und wollte etwas sagen, aber sie konnte es nicht. Aus ihrem Mund kam nur Blut und ein entsetzlicher, feuchter Laut, weil der Shuriken ihre Kehle zerschnitten hatte und sie an ihrem eigenen Blut erstickte. Sie fiel gegen ihn. Ihre Fingernägel krallten sich in seine nackten Arme und rissen die Haut auf, als sie verzweifelt versuchte, sich an irgend etwas festzuhalten, sich an ihn zu klammern, als wäre er das Leben, das aus ihrem Körper herausfloß. Ihr Hals und ihre Brust waren rot. In ihren Augen stand ein unsäglicher Schmerz.

Sie starb, noch ehe Skar sie vollends zu Boden gleiten lassen konnte.

Für die Dauer einer einzelnen, aber endlosen Sekunde stand Skar einfach da, halb über sie gebeugt, reglos, unfähig, etwas zu tun, zu denken, zu fühlen, blickte auf ihr Gesicht herab, ihre großen, gebrochenen Augen, in denen noch der entsetzliche Schmerz stand, den sie im allerletzten Moment gespürt haben mußte. Er spürte das Blut an seinen Händen und an seiner Brust, das Gewicht ihres Körpers, der jetzt im Tod viel schwerer geworden zu sein schien.

Und plötzlich erlosch aller Schmerz. Skar fühlte... nichts. Der Teil von ihm, der Mensch war, existierte nicht mehr in diesem Moment. Er war nur noch Satai, eine mörderische Kampfmaschine, die keine Gefühle, keine Furcht und kein Mitleid kannte. Nicht einmal Zorn.

Ein Schatten stemmte sich hinter ihm durch das Fenster, die linke Hand noch auf der Brüstung, um sein Gewicht abzustützen, die andere zum Gürtel gesenkt, um einen zweiten Shuriken hervorzuziehen. Seine Bewegungen erschienen Skar beinahe lächerlich langsam.

Mit einem einzigen, großen Schritt trat er dem Angreifer entgegen, duckte sich fast spielerisch unter dem heransausenden Wurfstern weg und trat aus der gleichen Bewegung heraus zu. Sein Fuß traf den anderen in die Seite. Der Mann taumelte mit einem Schmerzlaut gegen die Wand, steppte blitzschnell zur Seite und hob die Arme. In seiner Hand blitzte Metall. Etwas berührte Skars linken Oberarm und biß tief und schmerzhaft hinein. Plötzlich war es sein Blut, das an seinem Körper herunterlief. Aber er spürte den Schmerz nicht einmal in diesem Moment. Rücksichtslos schlug er zu, spürte, wie er traf und hörte das helle, sonderbar harmlos klingende Knacken, als das Handgelenk des Angreifers brach.

Der Dolch klirrte zu Boden. Der Schatten vor ihm krümmte sich. Ein dumpfer Schmerzenslaut drang an Skars Ohr. Aber er griff nicht nach seiner gebrochenen Hand, wie es jeder andere Angreifer getan hätte, sondern schlug nach Skars Gesicht, die Hand zur Kralle verkrümmt, Zeige- und Mittelfinger starr ausgestreckt, um seine Augen zu treffen.

Skar drehte blitzschnell den Kopf zur Seite, packte den Arm und brach auch ihn, ließ aber dann nicht los, sondern schleuderte den Angreifer mit aller Gewalt gegen die Wand. Der Mann keuchte vor Schmerz. Skar trieb ihm die Faust in den Leib und erstickte seinen Schrei.

Plötzlich waren auch hinter ihm Geräusche. Ein gedämpfter Schrei drang vom Gang herein, und etwas polterte gegen die Tür. Skar hörte, wie sie aus dem Schloß gerissen und wuchtig gegen die Wand geschleudert wurde. Hastige Schritte näherten sich ihm.

Skar achtete nicht darauf. Mit beiden Händen packte er den Mann vor sich, riß ihn in die Höhe und herum und hoch. Für einen Moment kam das Gesicht des Angreifers ins Licht: ein sehr schmales, noch fast jugendliches Gesicht mit hellem, schulterlangem Haar und grausamen Augen, in denen auch jetzt noch keine Furcht stand, sondern allenfalls Überraschung und ein ungläubiger Zorn. Und darüber ein schmales, ledernes Stirnband, auf dem ein winziger fünfzackiger Stern prangte, wie eine verkleinerte Ausgabe des Todessternes, der Syrr getroffen hatte.

Skar fuhr herum, den Satai wie ein Spielzeug mit sich zerrend, sah einen Schatten auf sich zufedern und sprang instinktiv zur Seite. Der Schwerthieb, der seinen Schädel hatte spalten sollen, traf die Schulter des Satai in seinen Händen und tötete ihn auf der Stelle, aber Skar ließ ihn immer noch nicht los. Warmes, klebriges Blut lief über seine Hände und Arme und ließ den Boden unter ihm schlüpfrig werden. Das Tschekal pfiff ein weiteres Mal heran, besser gezielt und mit sehr viel mehr Kraft diesmal. Skar tauchte unter dem Hieb hindurch, schleuderte dem Angreifer den Toten entgegen und sah, wie er zu Boden ging, sich krümmte und mit einer blitzschnellen Bewegung wieder auf die Füße kam. Aber Skar war schneller.

Blitzschnell war er bei dem Satai, packte seine Waffenhand und verdrehte sie mit der Linken; seine Rechte ergriff die Spitze des Satai-Schwertes, drängte sie mit erbarmungsloser Kraft herum und nach oben und drückte noch einmal zu, mit einem kurzen, harten Ruck. Er spürte nicht einmal Widerstand, als die Schneide des Tschekals durch die Kehle seines eigenen Besitzers glitt.

Ein weiterer Schatten erschien unter der Tür, und Skar hörte jetzt auch vom Hof Schreie herauf dringen. Das Blitzen eines Satai-Sternes, der häßliche Laut eines Tschekal, das aus der Scheide gezogen wurde und seine blutbesudelte Spitze auf ihn richtete, dann etwas Kleineres, Tödliches, das auf sein Gesicht zielte. Skar schlug den Shuriken mit der bloßen Hand beiseite, spürte einen kurzen, heftigen Schmerz, als die Waffe seinen Handrücken aufriß und abprallte, und sprang vor. Sein Fuß kam hoch und zielte nach dem Gesicht des Satai, aber er traf nicht, denn der andere drehte sich mit einer fast unmöglich erscheinenden Bewegung zur Seite und schlug gleichzeitig mit dem Schwert nach seinem Bein. Skar fiel, als er dem Hieb auswich, prallte mit Schulter und Gesicht gegen die Tür und griff ganz instinktiv zu, um nicht vollends zu Boden zu gehen.