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Er fand sein Gleichgewicht den Bruchteil einer Sekunde vor dem anderen wieder. Das Tschekal in der Faust des Satai bewegte sich nach oben und auf ihn zu, in einem geraden, mit unglaublicher Leichtigkeit und Kraft ausgeführten Stich, der Skar keine Chance mehr ließ, auszuweichen.

Er tat es nicht, sondern warf die Tür mit aller Gewalt zu.

Das eisenharte Holz traf den Satai mit der Wucht eines Hammerschlages, schmetterte ihm die Waffe aus der Hand und ließ ihn mit haltlos rudernden Armen auf den Gang hinaustaumeln, wo er wuchtig gegen die Wand prallte und stöhnend zusammenbrach. Skar setzte ihm nach, riß ihn in die Höhe und tötete ihn mit einem einzigen, geraden Fauststoß gegen die Kehle.

Und es war noch nicht vorbei. Erst jetzt, als hätte sein Geist alles andere um ihn herum als unwichtig eingestuft und schlichtweg ignoriert, hörte er den Lärm wirklich - Schreie und Klirren von Stahl, Schritte und das dumpfe Krachen aufeinanderprallender Körper. Er sprang auf, riß sein Schwert aus dem Gürtel und fuhr herum.

Er war allein, aber nur wenige Schritte vor ihm lag eine verkrümmte Gestalt in der zerfetzten Uniform von Drasks Leibgarde. Eine blutige, vielfach unterbrochene Spur zeigte den Weg, den er sich geschleppt hatte, um zu sterben: zur Treppe hin, von wo aus die Kampfgeräusche herauf drangen. Irgendwo auf dem Hof begann ein Horn zu dröhnen, Sekunden später beantwortet vom tiefen vibrierenden Hall eines Alarmgongs. Skar bückte sich nach dem Tschekal des toten Satai, nahm es in die Linke und lief los. Er fühlte noch immer nichts. Nicht einmal den Schmerz in seinem Arm.

Die Schreie und das Klirren von Stahl wurden lauter, als er die Treppe erreichte. Er fand einen weiteren toten Krieger, der auf den steinernen Stufen zusammengebrochen war, setzte über den Leichnam hinweg und stürmte weiter, immer drei, vier Stufen auf einmal nehmend und mehr die Treppe hinabspringend als laufend. Überall waren Tote: fünf, zehn, ein Dutzend Männer, die vergeblich versucht hatten, sich den beiden Satai in den Weg zu stellen.

Dann erreichte er die Halle und blieb einen Moment stehen, um sich zu orientieren.

Unter ihm tobte ein erbarmungsloser Kampf.

Es waren vier Männer in den schwarzen Mänteln und Brustpanzern der Satai, die sich gegen eine vielleicht zehnfache Übermacht von Drasks Kriegern wehrten, aber Skar war im ersten Moment nicht einmal sicher, wer nun der Angreifer und wer der Verteidiger war: ein Dutzend Krieger lag tot oder verwundet am Boden, und jedesmal, wenn einer der Satai vorsprang, die Schulter an Schulter einen engen Kreis bildeten, fiel ein weiterer Soldat.

Trotzdem hatten sie keine Chance. Der Alarm dröhnte jetzt ununterbrochen durch die Festung, und von überall her strömten frische Krieger herbei. Die Übermacht wuchs mit jedem Moment. Selbst die vier Satai würden ihr nicht mehr lange standhalten.

»Aufhören!« schrie Skar.

Seine Stimme ging fast im Lärm des Kampfes unter, aber sie wurde gehört: Erschrockene Blicke wandten sich ihm zu, und einer nach dem anderen stellten Drasks Krieger ihre Angriffe auf die Satai ein. Es dauerte eine Minute, bis der Kampf wirklich endete, aber danach trat eine schon fast unheimliche Stille ein. Auch die Blicke der vier Satai konzentrierten sich auf ihn, und er sah den ungläubigen Schrecken, den sie bei seinem Anblick empfanden. Ganz kurz wurde sich Skar bewußt, welche Wirkung sein plötzliches Erscheinen nicht nur auf die Männer aus Drasks Garde haben mußte. Er stand hoch aufgerichtet auf den obersten Stufen der Treppe, über und über mit Blut besudelt, ein blutiges Schwert in der Faust, wie ein Racheengel, der von den Toten auferstanden war. Er lächelte. Ja, mehr war er vielleicht auch nicht. In diesem Moment wollte er auch nicht mehr sein. »Aufhören«, sagte er noch einmal, sehr ruhig jetzt, aber trotzdem so laut, daß seine Stimme überall gehört werden mußte. »Diese Männer gehören mir.«

Langsam begann er die Treppe hinabzugehen. Irgend etwas geschah mit ihm, mit seinem Körper, während er sich auf die vier Satai-Krieger zubewegte. Es geschah ohne sein Zutun, und er hätte selbst Schrecken davor empfunden, wäre er in diesem Moment dazu fähig gewesen. Es war, als spanne sich in ihm ein unsichtbares Raubtier zum Sprung. Er sah das Entsetzen in den Gesichtern der Satai - keine Furcht vor ihm, denn sie waren zu viert, aber Entsetzen über die bloße Tatsache seines Daseins - und er genoß es.

Drasks Krieger wichen vor ihm zur Seite, als er sich den Satai näherte, und auch auf ihren Zügen lag nichts als Erschrecken, ja Angst. Das Etwas in ihm genoß auch dies. Es zog Kraft aus ihrer Furcht.

Die vier Satai hatten ihre Kreisformation nicht aufgegeben, als er sie erreichte, aber sie sahen ihn an, und in jedem einzelnen Gesicht stand der gleiche Ausdruck: sie wußten, daß sie sterben würden. Nicht einmal sie konnten hoffen, lebend aus der Festung zu entkommen. Die Übermacht war zu groß. Aber vorher würden sie tun, wozu sie gekommen waren.

»Ihr wolltet mich«, sagte Skar ruhig. »Dann kommt.«

Sie kamen. Es gab keinen Grund mehr zu zögern - jede Sekunde vergrößerte die Übermacht nur, der sie sich gegenüber sahen, und sie schienen auch zu spüren, daß Drasks Krieger sich nicht einmischen würden, weil Skar jeden getötet hätte, der es auch nur versuchte.

Skar erwartete den Ansturm der beiden ersten Satai völlig ruhig. Die Männer sprangen nebeneinander auf ihn zu, Schulter an Schulter, bereit, im letzten Moment zur Seite zu weichen, um ihren Kameraden Platz zu machen, die dicht hinter ihnen heranstürmten; ein Trick, der schon alt gewesen war, als Skar geboren wurde. Skar versuchte nicht, zurück oder zur Seite zu springen, denn das eine wäre so tödlich gewesen wie das andere. Statt dessen sprang er den Angreifern entgegen, ließ sich blitzschnell auf ein Knie herabfallen und stieß zu, mit beiden Schwertern und aller Gewalt, ein doppelter, schräg aufwärts geführter Hieb, zu schnell, als daß selbst die Reaktionen der beiden Satai ausgereicht hätten, ihm noch auszuweichen. Die Schwerter wurden ihm aus der Hand gerissen, als die Satai stürzten. Er fiel nach hinten, von der Wucht des doppelten Anpralles aus dem Gleichgewicht gebracht, rollte über die Schulter ab und warf sich zur Seite, als er ein Blitzen aus den Augenwinkeln wahrnahm. Das Tschekal hämmerte wenige Fingerbreit neben ihm in den Boden, schlug Funken aus dem Stein und flog davon, als Skar noch im Aufspringen nach der Waffenhand des Satai schlug.

Als er aufsprang, drang der vierte Angreifer auf ihn ein, wie er selbst zuvor mit zwei Schwertern bewaffnet und so schnell, daß Skar seine Bewegung kaum sah. Er taumelte zurück, tauchte instinktiv unter den beiden Schwertern durch, die wie eine tödliche Schere nach seinem Hals schnappten, und fiel zum zweiten Mal. Als der Satai ihm nachsetzte, brachte er ihn mit einer Beinschere zu Fall, rollte zur Seite und sprang wieder auf die Füße.

Die kurze Zeitspanne hatte dem zweiten Satai gereicht, sein Schwert wieder aufzuheben. Aber sonderbarerweise griff er noch nicht wieder an, obwohl er für einen winzigen Moment im Vorteil gewesen wäre, sondern umkreiste Skar mit schnellen, wiegenden Schritten und beschränkte sich darauf, ihn mit warnenden Schwertstößen, die nicht wirklich treffen sollten, auf Abstand zu halten. Er wartete, bis sein Kamerad wieder auf den Beinen war, um Skar dann gemeinsam anzugreifen. Diesmal würden sie eine andere Taktik wählen. Mit Sicherheit eine gefährlichere. Die vier hatten ihn unterschätzt, begriff Skar. Sie waren hergekommen, um ihn zu töten, aber sie hatten nicht gewußt, wer er war.