Выбрать главу

Skar hob die Hand. Einer von Drasks Kriegern warf ihm ein Schwert zu. Er fing es, führte zwei rasche Hiebe in die leere Luft, um sich an das Gewicht der Waffe zu gewöhnen, und griff abermals an.

Aber die beiden Satai waren gewarnt. Das Schicksal ihrer beiden Kameraden hatte ihnen bewiesen, daß Skar ihnen überlegen war, was Schnelligkeit und Kraft anging. Sie wechselten zu einer Taktik, die selbst gegen einen Mann wie ihn Erfolg haben konnte: der einzigen, die ihn immer wieder in Bedrängnis brachte. Skar sah sich plötzlich zwei Gegnern gegenüber, die seinen Attacken auswichen, vor seinem Schwert und seinen Tritten zurücksprangen, statt sich ihnen zu stellen, immer wechselweise, so daß Skar stets von einem angegriffen wurde, wenn er versuchte, den anderen zu treffen. Er war nicht wirklich in Gefahr, aber er wußte, daß ihn diese Art zu kämpfen binnen weniger Augenblicke zermürben würde.

Wütend griff er den älteren der beiden an, sah aus dem Augenwinkel, wie der andere sein Schwert hochriß und nach seiner ungeschützten Flanke stach und parierte den Hieb im letzten Moment, fand aber nicht einmal Zeit zu einem blitzschnellen Konter, weil er in diesem Moment schon wieder angegriffen wurde, während sich der jüngere Satai rasend schnell zurückzog. Und dann tat er etwas, was ihn selbst überraschte: Er schlug das Schwert des Satai zur Seite, aber statt sich dem zweiten Angreifer zuzuwenden, der im gleichen Moment auf ihn zusprang, federte er mit einem gewaltigen Satz zurück und aus der Reichweite ihrer Klingen.

»Tötet sie!« sagte er. Seine Hand wies auf die beiden Satai, die stehengeblieben waren, einen Moment unschlüssig, was sie tun sollten.

Es ging sehr schnell. In dem winzigen Bruchteil einer Sekunde, bevor sie starben, mochten sie noch begreifen, wie entsetzlich sie sich in ihm getäuscht hatten, aber sie fanden nicht einmal mehr Zeit, eine Abwehrbewegung zu machen. Ein zorniger, gellender Aufschrei aus fünfzig Kehlen zerriß die Luft, und die Waffen, die bisher ein drohendes Spalier für Skar und seine beiden Gegner gebildet hatten, wurden geschleudert. Mehr als zwei Dutzend Speere und Dolche flogen wie tödlicher Hagel auf sie zu. Die beiden Satai starben, ohne auch nur einen Schreckenslaut hervorbringen zu können.

Skar empfand noch immer nichts. Nichts außer einer vagen, nicht einmal sehr tiefen Befriedigung, während er die Leichen der beiden toten Satai anblickte. Und Zorn. Einen kalten, gerade erst erwachenden Zorn, der tief aus dem Grunde seiner Seele emporwuchs und alles andere verschlang. Jemand würde bezahlen, für das, was hier geschehen war. Jemand oder etwas.

Als er sich umdrehte, stand er Drask gegenüber.

»Das war... nicht sehr klug«, sagte der alte Magier. »Wir hätten sie gebraucht. Wenigstens einen von ihnen.«

»Ich weiß«, sagte Skar kalt.

»Und war auch nicht sehr ehrenvoll«, fuhr Drask fort. Er wies auf die beiden von zahllosen Speeren und Messern durchbohrten Toten. »Du wärst ihnen einen fairen Kampf schuldig gewesen, nach dem Ehrenkodex deines... Clans.«

Auch das wußte Skar. Aber es stimmte nicht. Er war längst kein Satai mehr, vielleicht schon seit Jahren. Einen fairen Kampf? Er war ihnen den Tod schuldig gewesen, mehr nicht. Er hatte ihren Tod gewollt, und diesem Es war völlig egal, wie. Vielleicht hatte er damit den letzten Rest des Satais zerstört, der er einmal gewesen war. Aber auch dafür würden sie bezahlen.

Drask seufzte. »So viel Blut«, murmelte er. »Und alles so sinnlos. Es waren... noch mehr. Sieben oder acht, die über die Mauern kamen, und noch einmal die gleiche Zahl in den Ställen.«

»In den Ställen?«

Drask wußte, was Skars Erschrecken bedeutete. »Der Junge«, sagte er matt. »Es tut mir leid, Skar, aber er... er ist tot. Sie haben ihn erschlagen.« Er lächelte sehr traurig. »Vorher konnte er schreien und die Wachen alarmieren. Vielleicht hätten wir sonst gar nicht gemerkt, daß sie da sind...« Er seufzte abermals, schüttelte traurig den Kopf und schien erst jetzt zu sehen, daß Skar über und über mit Blut besudelt war. Plötzlich erschrak er, und Skar begriff, daß er wieder einmal seine Gedanken las und im gleichen Moment wußte, daß Talin nicht das einzige Opfer gewesen war. »Das Mädchen!« stieß er hervor. »Bei allen Göttern, sie auch. Sie... sie... haben dich in deinem Zimmer überrascht?« Skar ignorierte seine Frage. Talin. Erst Syrr, und dann Talin. Die beiden nächsten Gräber auf seinem Weg. Wie viele noch? dachte er. Wie viele mußten noch sterben, nur weil sie den Fehler begingen, ihm zu begegnen? Plötzlich hatte er das Bedürfnis zu schreien. Aber er tat es nicht.

»Ist dein Kundschafter zurück?« fragte er leise.

Drask nickte.

»Dann zeig mir den Weg.«

»Du willst -«

»Ich werde ein Ende machen«, unterbrach ihn Skar. »So oder so, Drask. Es ist genug.«

Drask nickte. Er wirkte sehr ernst, ja betroffen, als teile er Skars Schmerz. Vielleicht tat er es, so wie er seine Gedanken teilte.

Aber es gelang ihm nicht ganz, das triumphierende Glitzern in seinen Augen zu unterdrücken.

20.

Es war die größte Daktyle, die Skar jemals gesehen hatte - ein Ungeheuer mit mehr als fünfzehn Metern Flügelspannweite, häßlich wie die Hölle und von der Farbe der Nacht; ein Titan, auf dessen Rücken drei oder vier Männer gleichzeitig reiten konnten. Selbst jetzt, wie es so dahockte, mit gebundenen Flügeln und aneinandergeketteten Läufen, wirkte es noch majestätisch. Es war eine Art von Größe an ihm, die durch nichts zu zerstören war. Und es war wild. Eine Bestie, die nur aus Zorn und Kraft bestand und deren Häßlichkeit allenfalls noch von seiner Wut übertroffen wurde, die es mit schrillen mißtönenden Schreien in die Nacht hinaustrompetete.

Skar blieb stehen, als sie sich dem Ungeheuer bis auf zwanzig Schritte genähert hatten und Drask ihm ein Zeichen dazu gab. Er hatte keine Angst vor diesem Tier - er war auf größeren Wesen geritten und hatte furchteinflößendere Kreaturen getötet, und allein die Tatsache seines Hierseins bewies, daß es zumindest zum Teil gebändigt worden war. Aber er verspürte einen natürlichen Respekt vor dem schwarzgeflügelten Titanen, der einen Mann auch ganz unabsichtlich zermalmen konnte, mit einer spielerischen Bewegung seiner Schwingen oder einem nachlässigen Zucken des gigantischen Hammerkopfes. Und vor der Wildheit in seinem Blick. Etwas war in den Augen der Daktyle, das ihm angst machte, und das er kannte, ohne im ersten Moment zu wissen woher. Dann erinnerte er sich: Er hatte genau diesen Ausdruck in den Augen des Hundes gesehen, der ihn um ein Haar zerrissen hätte, diese stumme, unglaublich lodernde Wut, die von namenloser Pein erzählte, die ihm angetan worden war, und die vielleicht nur durch den Tod wirklich gelöscht werden konnte.

Es war zu dunkel, als daß er erkennen konnte, was Drask tat, aber der Alte blieb lange neben der Daktyle stehen; es sah fast aus, als rede er mit ihr, und vielleicht war es genau das, was er tat. Es interessierte Skar nicht. Nicht wirklich. Das Ungeheuer würde seinen Zweck erfüllen, und das war alles, was zählte. Eine Stunde war vergangen, seit er die Satai getötet hatte, aber es hätten ebensogut nur zehn Sekunden sein können - Skar erinnerte sich kaum an das, was während dieser Zeit geschehen war. Drask hatte seine Wunden versorgt, so gut es in der Kürze der Zeit möglich gewesen war, und fast ununterbrochen geredet; tausend Dinge, von denen jedes einzelne lebenswichtig sein konnte und die Skar irgendwo in seinem Unterbewußtsein gespeichert hatte, ohne daß er sich im Moment auch nur auf eines davon besinnen konnte. Es spielte keine Rolle. Wenn er sie brauchte, würde er sich daran erinnern, das wußte er.

Der Wind drehte sich, trug eine Woge eisiger Kälte und das schrille, fast in den Ohren schmerzende Pfeifen der Daktyle heran. Skar schauderte. Er zog den fellbesetzten Mantel enger um die Schultern, den ihm Drask gegeben hatte, wich ganz instinktiv in den Windschatten der Tür zurück und tastete ebenso instinktiv über die Kleidung, die er unter dem wärmenden Fell trug - den schwarzen Brustharnisch der Satai, einen zweiten, schwarz und golden bestickten Mantel, den schmalen Waffengurt, in dem jetzt neben dem Tschekal noch eine Anzahl blitzender Shuriken und ein schmaler, doppelt geschliffener Dolch staken, wadenlange Hosen und eng anliegende Stiefel, die eine Winzigkeit zu klein waren: Kleider, die er einem der toten Satai abgenommen hatte und die er brauchte, wollte er sich in das Lager der Satai einschleichen.