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Trotz aller Schwierigkeiten hatte er Glück gehabt - die Zelte der Satai standen allem, ein Stück abseits jener der Quorrl-Krieger, dicht in einen Halbkreis aus Felsen und zyklopischen Findlingen geschmiegt, die ihnen nicht nur Schutz vor dem eisigen Wind und einem eventuellen Angriff boten, sondern auch Skar ausreichende Deckung. Aufmerksam blickte er zu den Gestalten der beiden Wächter hinüber, die reglos wie Statuen vor dem größten der vier Zelte standen. Skar beobachtete sie seit fünf Minuten, ohne daß sich einer von ihnen auch nur gerührt hatte. Trotzdem zweifelte er nicht daran, daß sie aufmerksam waren und ihnen nicht die mindeste verdächtige Bewegung entging. Sie waren Satai, und daß sie sich im Herzen einer mit ihnen verbündeten Armee befanden, bedeutete gar nichts.

Skar überlegte angestrengt, in welchem der vier Zelte sich sein Sohn befinden mochte. Sicher konnte er das größte der vier schwarzgolden gemusterten Zelte ausklammern - es würde von dem Mann bewohnt werden, den Drask den Hohen Satai genannt hatte und der als zweiter auf Skars Liste stand, sollte er noch die Zeit dazu finden - aber es blieben noch immer drei. Drei Chancen, wo er nur eine hatte. Skar zweifelte nicht daran, die Wächter überwinden zu können, denn er hatte den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite: Selbst wenn sie gewußt hätten, wer er war, und selbst wenn sie darüber hinaus gewußt hätten, daß er kam (und sie wußten keines von beiden), konnten sie unmöglich jetzt schon mit ihm rechnen. Nein - er würde die Wächter ausschalten. Aber danach blieben ihm nur noch Augenblicke, bestenfalls Minuten.

Er ließ sich tiefer hinter den Felsen sinken, hinter dem er Deckung gesucht hatte, zog den Dolch aus dem Gürtel und verbarg die Klinge in seiner Hand, ehe er nach Osten sah. Der graue Streifen heraufziehender Dämmerung war noch nicht heller geworden, aber deutlich breiter. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er hatte fast eine Stunde damit verloren, das Lager zu durchqueren, und es erschien ihm jetzt, im nachhinein, fast wie ein Wunder, daß es ihm überhaupt gelungen war. Der Anblick des Heerlagers war ein Schock gewesen. Die ungeheure Zahl der Quorrl war zu abstrakt, um sie sich wirklich vorstellen zu können. Selbst als er das Lager überflogen hatte, war es nichts als eine schier endlose Ebene aus rotgepunkteter Finsternis und vager Bewegung gewesen, beeindruckend, aber nicht bedrohlich. Aber dann lag es vor ihm, breitete sich wie eine ungeheuerliche, lebende Masse in alle Richtungen aus und umfing ihn mit seinem Lärm und einem schier unbeschreiblichen Gemisch aus Gerüchen und Lauten und Bewegung. Die Zelte standen manchmal so dicht, daß es unmöglich war, zwischen ihnen hindurchzugehen, und wo ein Stück Boden freigeblieben war, hatten sich große schuppige Gestalten zusammengerollt, um in ihren Pelzen zu schlafen. Skars Mut war für Minuten fast auf den Nullpunkt gesunken, aber am Schluß war es dann doch überraschend leicht gewesen, sich an den Wachen vorbei und ins Lager zu schleichen, wo er sich in der Deckung eines Zeltes aufgerichtet hatte, um das einzige zu tun, was überhaupt Sinn machte - hoch aufgerichtet und mit raschen, aber nicht hastigen Schritten weiterzugehen, wie ein Mann, der ganz genau weiß, was er tut. Auch der Moment, den er am meisten gefürchtet hatte, war ohne Zwischenfälle vorübergegangen: der erste Quorrl, dem er begegnete, hatte ihn mit einer Mischung aus feindseligem Respekt und milder Verwunderung angeblickt, es aber nicht gewagt, ihn anzusprechen oder gar aufzuhalten. Drasks Rechnung schien abermals aufzugehen: dies hier war das Kriegslager der Quorrl, aber der Anblick eines Satai war nichts Ungewöhnliches, Sicher kamen täglich Kundschafter und Boten, um dem Hohen Satai Bericht zu erstatten.

Nein - die Quorrl waren keine wirkliche Gefahr. Sein wahrer Feind war die Dämmerung, denn mit dem ersten Licht würden die Männer in den schwarzen Zelten aufwachen und mit ihrem gewohnten Tagewerk beginnen. Er hatte nur einen Verbündeten: die Dunkelheit.

Skar lächelte bitter in sich hinein, als ihm bewußt wurde, daß er schon wie ein gedungener Mörder zu denken begann. Und viel mehr war er ja auch nicht.

Aber der Gedanke bereitete ihm nicht das Entsetzen, das er noch vor Tagesfrist bedeutet hätte. Ganz im Gegenteil spürte Skar fast so etwas wie eine boshafte Befriedigung: Sie hatten Mörder zu ihm geschickt, und jetzt kam er her, um ihnen zurückzubringen, was er bekommen hatte.

Er verscheuchte den Gedanken, warf einen letzten sichernden Blick ins Lager zurück und richtete sich auf. Der Wind fiel mit unsichtbaren spitzen Zähnen über ihn her, und für einen letzten, schrecklichen Moment drohten ihn noch einmal Kraft und Entschlossenheit zu verlassen. Eine Stimme in seinen Gedanken schrie ihm zu, daß er hier war, um seinen eigenen Sohn zu töten. Er ignorierte sie, schlich geduckt in der Deckung der Felsen weiter, bis er dem Halbrund aus Zelten genau gegenüberstand, und trat mit einem entschlossenen Schritt ins blasse Sternenlicht hinaus.

Die beiden Wächter erwachten aus ihrer scheinbaren Starre, und sie reagierten genauso, wie Skar gehofft hatte - der eine trat ihm entgegen, sichtlich angespannt und die Hand auf dem Schwertgriff, während der zweite Krieger ein Stück zur Seite wich, um Skar keine Gelegenheit zu geben, sie beide mit einem überraschenden Angriff auszuschalten.

»Wer bist du?« drang eine dumpfe Stimme durch die Nacht. »Was willst du?« Der Mann sprach nicht sehr laut, was Skar bewies, daß die Männer in den Zelten noch schliefen und er sie nicht wecken wollte. Gut. Ein weiterer, winziger Vorteil für ihn. Ruhig trat er den beiden Posten entgegen, hob die Hand zum Satai-Gruß und blieb auf ein Zeichen des einen hin gehorsam stehen.

»Mein Name ist Troun«, sagte er auf die gleiche, gedämpfte Weise, auf die der Wächter sprach. »Ich komme aus Denwar. Ich habe eine Nachricht für den Hohen Satai.«

»Eine Nachricht?« Der Wächter kam näher, blieb zwei Schritte vor ihm stehen und musterte ihn mit unverhohlenem Mißtrauen von Kopf bis Fuß. Aber was er sah, schien seine Bedenken zumindest zum Teil zu zerstreuen, denn seine Haltung entspannte sich ein wenig. »Was für eine Nachricht?«

»Eine wichtige Nachricht«, erwiderte Skar, mit genau der Spur von Ungeduld und Überheblichkeit in der Stimme, die ihm in einem Moment wie diesem angebracht schien. »Sie ist nicht für deine Ohren bestimmt.« Er runzelte die Stirn. »Ich bin nicht drei Nächte geritten, um mich mit dir zu streiten. Führe mich vor!« Irgend etwas war falsch. Er hatte einen Fehler gemacht, auch wenn er nicht wußte, welchen - aber aus dem abklingenden Mißtrauen im Gesicht des Postens wurde Überraschung, dann Schrecken, und Skar sah aus den Augenwinkeln, wie sich auch die Gestalt des zweiten Postens versteifte.

Der Satai spürte nicht einmal, wie er starb. Skars Rechte ruckte hoch. Die Dolchklinge glitt zwischen seinen Fingern hervor, wobei sie zwei tiefe, blutende Linien in die Haut riß, bewegte sich in einem unglaublich schnellen, blitzenden Halbkreis nach oben und herum und glitt durch die Kehle des Mannes. Beinahe gleichzeitig senkte sich Skars Linke zum Gürtel, ergriff einen der fünfzackigen Shuriken und schleuderte ihn.

Die Zeit schien stehenzubleiben. Skar streckte die Arme aus, um den zusammenbrechenden Wächter aufzufangen, sah, wie der zweite Krieger herumfuhr und den Mund zu einem Schrei öffnete, gleichzeitig machte er einen Schritt und hob die Arme, dann traf der winzige Wurfstern seine Schläfe mit tödlicher Präzision. Die Wucht des Wurfes war so gewaltig, daß der Mann wie von einem Faustschlag getroffen und zu Boden geschmettert wurde, wo er mit grotesk verrenkten Gliedern liegenblieb. Das Geräusch, mit dem er auf den festgetretenen Boden aufschlug, hallte wie ein Peitschenhieb in Skars Ohren.