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Es gelang ihm. Der schwarze Wirbel in seinen Gedanken blieb, aber plötzlich war der Zorn da, der gleiche, entsetzliche Schmerz, den er verspürt hatte, als Syrr in seinen Armen starb, und er gab ihm Kraft. Seine Hand senkte sich auf das Schwert und zog es halb aus der Scheide.

In diesem Moment erwachte der schlafende Junge. Und Skar blickte in seine Augen.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Der Junge hob die Lider und sah ihn an, aber seine Augen waren nicht klar, sein Blick blieb verschleiert. Und im gleichen Moment, in dem er erwachte, ging eine entsetzliche Veränderung mit seinem Göttergesicht vonstatten.

Seine Züge erschlafften. Gerade anders herum, als es normal gewesen wäre, wich jegliche Spannung und Glätte aus ihnen, als er den Schlaf abschüttelte. Die Mundwinkel des jungen Satai sanken herab wie bei einem traurigen Clown. Glitzernder Speichel erschien in kleinen feuchten Bläschen auf seinen Lippen und begann an seinem Kinn herabzulaufen. Einen Herzschlag lang starrte er Skar erschrocken an, dann erschien ein dümmliches Lächeln auf seinen Zügen. Er setzte sich auf; viel umständlicher, als nötig gewesen wäre. Sein Kopf pendelte dabei von rechts nach links und wieder zurück, als wäre er zu schwer für den Hals. Der Blick, mit dem er Skar ansah, war der eines Idioten. Der Junge war schwachsinnig. Die Natur hatte seinem Geist genommen, was sie seinem Gesicht zu viel gegeben hatte. Er war ein Riese, ein Gigant mit dem Gesicht und der Stärke eines jungen Gottes. Und dem Geist eines Kindes.

Skar löste die Hand vom Schwert, hob die Arme und ballte die Hände vor dem Gesicht zu Fäusten, so fest, bis er vor Schmerz aufstöhnte und Blut unter seinen Fingernägeln hervorkroch. Dies also war sein Erbe. Das war es, was er seinem Sohn mitgegeben hatte, die Macht der Götter, vor Äonen in den Genen seiner Vorfahren verankert, aber gefangen in einem zerstörten Geist. Vielleicht mußte es so sein, dachte er, in dem fast verzweifelten Versuch, einen Grund zu finden, nicht wahnsinnig zu werden. Er hatte die geballte Macht gespürt, die in der Seele des Kindes lauerte, damals, als er gerade geboren war und er ihm das erste Mal in die Augen blickte, eine Macht, die fähig war, Welten zu verheeren und die Götter selbst zu stürzen. Vielleicht war kein menschlicher Geist fähig, mit diesen Gewalten zu leben, ohne sich selbst zu verzehren, daran zu verbrennen wie eine Motte, die dem Licht zu nahe gekommen war.

Der Blick des Jungen war seinen Bewegungen aufmerksam gefolgt. Er lächelte blöde, hob die Hand und griff nach Skars Schulter, berührte ihn aber nicht. »Wer bist du?« fragte er. Seine Stimme war eindeutig die eines Idioten, aber sie war trotzdem sehr klar und wohltönend. Jedes einzelne Wort brannte wie Säure hinter Skars Stirn.

Skar schluckte den bitteren Kloß herunter, der in seiner Kehle saß, atmete tief ein und aus und wieder ein und zwang sich zu einem Lächeln. Tränen liefen über sein Gesicht, aber er spürte es nicht einmal. »Ich bin Skar«, sagte er.

»Skar?« Der Junge legte den Kopf schräg, als hätte das Wort eine bestimmte Bedeutung für ihn. Aber wenn, dann hatte er sie wohl vergessen, denn plötzlich grinste er. »Skar«, wiederholte er. »Ich bin Croyd.« Er erschrak. Wieder hob er die Hand, streckte vorsichtig den Arm aus und berührte Skars Wange. Seine Fingerspitzen glitzerten feucht, als er sie zurückzog. »Du weinst«, stellte er überrascht fest. »Hast du dir weh getan?«

»Nein«, antwortete Skar. »Es ist... alles in Ordnung.« Langsam, beinahe zärtlich, ergriff er die Schultern des jungen Riesen, zog ihn zu sich heran und drückte ihn an sich, ganz in der Art, in der er ein kleines Kind in die Arme geschlossen hätte. Croyd ließ es willenlos geschehen.

»Aber warum weinst du, wenn du dir nicht weh getan hast?« fragte er. »Hast du Angst?«

Skar schwieg. Seine Linke glitt an Croyds Rücken hinauf, schmiegte sich um seinen Nacken, hielt ihn, während er die andere Hand fast sanft unter das Gesicht des Jungen legte, den Handballen unter dem Kinn. Behutsam drückte er Croyds Kopf nach oben, bis er ihm ins Gesicht blickte. Croyds Augen waren groß vor Verwirrung, aber Skar suchte vergeblich nach einer Spur von Furcht.

»Bist du... ein Freund?« fragte Croyd zögernd.

Skar nickte. Dann schüttelte er den Kopf, lächelte. »Ich bin dein Vater, Junge«, flüsterte er.

»Mein... Vater?«

»Ja, Croyd«, antwortete Skar. »Dein Vater. Ich war... lange fort, aber jetzt... jetzt bin ich zurück.« Er schloß die Augen, beugte den Kopf und berührte Croyds Stirn ganz leicht mit den Lippen. »Verzeih mir«, flüsterte er. Seine Hände schlossen sich fester um Croyds Nacken und Kinn.

Croyds Genick brach mit einem harten, hellen Laut, den Skar nie mehr vergessen sollte.

22.

Lange, endlos lange, saß er einfach da und hielt den Körper seines toten Sohnes in den Armen. Er weinte nicht mehr. Seine Tränen waren versiegt, vielleicht für immer, und auch der Schmerz, auf den er wartete, kam nicht. Auf eine schreckliche Art fühlte er sich selbst tot, und vielleicht war er es, denn er hatte nicht nur seinen eigenen Sohn umgebracht, sondern auch ein Stück von sich selbst. Sie waren mehr gewesen als bloße Blutsverwandte, mehr als Vater und Sohn. Es hatte eine Verwandtschaft der Seelen zwischen ihnen gegeben, die weit über das normale Maß hinausgegangen war, und etwas von Croyd war noch immer hier, wie ein unsichtbarer, nur ganz allmählich verblassender Schatten. Nach einer Weile ließ er den Leichnam behutsam auf sein Lager zurücksinken, schloß mit Daumen und Zeigefinger seine gebrochenen Augen und stand auf. Ja, dachte er matt, noch immer ohne irgendeine Spur von echtem Gefühl, er hatte einen Teil von sich getötet. Seine Seele. Sein Menschsein. Jetzt wurde es Zeit, daß er auch seinen Körper vernichtete. Nichts mehr sollte von ihm bleiben. Nicht einmal mehr eine Erinnerung.

Er zog sein Schwert aus dem Gürtel, wandte sich um und schlug mit einem Ruck die Zeltplane zurück.

Das kleine Halbrund aus Zelten lag noch immer so still und einsam da, wie er es in Erinnerung hatte. Er hatte das Gefühl, Stunden im Inneren des Zeltes verbracht zu haben, aber in Wahrheit konnten es wohl nur Minuten gewesen sein. Der Streifen aus grauer Dämmerung am Himmel war kaum breiter geworden, und auch das Fehlen der Posten war noch niemandem aufgefallen. Für einen Moment kam ihm der absurde Gedanke, daß er tatsächlich eine Chance hatte, lebend davonzukommen. Es waren nur wenige hundert Schritte bis zur Sicherheit der Berge. Welch närrischer Einfall!

Skar trat mit einem entschlossenen Schritt aus dem Zelt, packte sein Tschekal fester und nahm den Dolch in die linke Hand.

»Satai!« schrie er. »Du, der sich den Hohen Satai nennt - wer immer du bist! Komm heraus! Ich fordere dich!«

Er erschrak fast selbst, so laut erschien ihm seine eigene Stimme in der Stille des Morgens. Und die Reaktion ließ nur Sekunden auf sich warten.

Die Plane des Zeltes zu seiner Rechten wurde zurückgeschlagen, und ein Satai stürmte heraus, nur mit Hosen und Stirnband bekleidet, aber ein Schwert in der Hand. Skar empfing ihn mit einem blitzschnellen, geraden Stich, der ihn auf der Stelle tötete. »Satai!« schrie er noch einmal. »Ich fordere dich zum Zweikampf! Zeige dich!«

Mehr Krieger stürmten aus dem Zelt. Skar duckte sich unter dem Schwerthieb des ersten durch, stieß ihm den Dolch in einer blitzschnellen, aufwärts gerichteten Bewegung in den Leib und empfing den dritten Angreifer mit einem Schwertstreich gegen die Beine, der den Mann schreiend zusammenbrechen ließ. Auch hinter ihm waren plötzlich Schritte. Etwas zischte durch die Luft, grub eine brennende Linie aus Schmerz in seine Schulter und durchschlug die Zeltplane neben ihm. Skar sprang zur Seite, tötete einen weiteren Satai mit einem gewaltigen, beidhändig geführten Hieb und fegte einen anderen Krieger mit einem Tritt zu Boden.