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Skar hätte nicht einmal antworten können, wenn er es gewollt hätte. Sein Mund war voller Blut. Etwas Dunkles, Schweres, das sehr freundlich und sanft war, griff nach seinem Bewußtsein. »Du hast ihn getötet«, flüsterte Del. »Du hast das einzige vernichtet, was noch zwischen uns und ihnen stand, Skar. Warum?« Er blickte ihn an, und Skar sah voller Staunen, daß seine Augen voller Tränen waren. »Du hast deinen eigenen Sohn getötet, Skar.«

»Ich... weiß«, stöhnte Skar. Das Sprechen fiel ihm schwer, so unendlich schwer. Warum ließen sie ihn nicht endlich sterben? Er hatte doch getan, was sie von ihm verlangt hatten. Warum verwehrten sie ihm nun auch noch die Umarmung des letzten Freundes, den er noch hatte - des Todes. »Ich... weiß«, wiederholte er mühsam. Er hustete. Blut lief in seine Kehle und drohte ihn zu ersticken. »Es ist... gut so. Und es ist... gut, daß... daß du es warst, der mich besiegt hat«, stöhnte er. »Auch wenn wir jetzt Feinde sind.«

Del starrte ihn an, schwieg endlose Sekunden und schüttelte wieder den Kopf. Dann straffte er sich mit einem sichtbaren Ruck. »Du!« sagte er, an einen der Krieger gewandt, die neugierig und erstaunt näher gekommen waren. »Hole Bradburn. Schnell!«

Der Satai rührte sich nicht. Sein Gesicht verschmolz vor Skars Blick zu einem formlosen hellen Fleck, aber Skar konnte den Haß darin fast fühlen.

»Wieso tötest du ihn nicht?« fragte er. »Er hat Croyd umgebracht!«

Del sprang auf, packte den Mann an den Schultern und riß ihn so heftig heran, daß er vor Schmerz aufstöhnte. »Geh und hole Bradburn, habe ich gesagt!« brüllte er. »Oder ich erschlage dich gleich hier auf der Stelle!« Er versetzte dem Mann einen Stoß, der ihn rücklings davontaumeln ließ, drehte sich um und sank erneut neben Skar auf die Knie. Der Zorn in seinem Blick machte wieder jenem tiefen Schmerz und Schrecken Platz, den Skar noch immer nicht verstand.

»Du«, flüsterte er. »Du warst es. Du... du warst es auch, der Trash getötet hat, nicht wahr?« Er lächelte, ohne daß Skar geantwortet hätte. »Natürlich. Wer außer dir hätte so etwas tun können. Ihr Götter, Trash war mein bester Mann. Mein Heerführer. Ich selbst habe ihn ausgebildet, und du hast ihn erschlagen, ganz allein, und fast ein Dutzend seiner Quorrl mit ihm. Ich hätte es wissen müssen.«

Skars Sinne begannen sich immer rascher zu verwirren. Es fiel ihm schwer, Dels Worten zu folgen, aber er war fast froh darum, denn irgendwie spürte er, daß sie mehr waren als ein Ausruf seines Schreckens, sondern eine tiefere Bedeutung haben mochten; eine Bedeutung, die ihn umbringen würde, wenn er sie erführe. »Du bist zurück«, flüsterte Del. »Großer Gott, zwanzig Jahre, und... und du bist nicht um einen Tag älter geworden. Bradburn hatte recht. Ich habe ihm nicht geglaubt, aber er hatte recht. Aber warum, Skar?« Er beugte sich vor, griff nach Skars Schultern und schüttelte ihn. »Warum? Warum hast du ihn getötet?«

»Weil... es sein mußte«, flüsterte Skar. »Sie dürfen nicht... siegen.«

»Sie?!« Dels Augen wurden weit. »Sie, Skar? Wovon sprichst du? Du -«

Er brach ab. Ein spitzer, wie ein nicht mehr ganz zurückgehaltener Schrei klingender Laut kam über seine Lippen. Sein Gesicht verlor vor Skars Blicken alle Farbe.

»Aber natürlich!« stammelte er. »Du... du warst im Süden, als Trash starb. Du warst... du warst bei Drask! Ist es so?«

Skar nickte. Ein entsetzlicher Verdacht begann in ihm Gestalt anzunehmen. Aber das konnte nicht sein. NICHT DAS!

»Drask.« Dels Stimme war ein eisiges Flüstern. »Bei allen Göttern, du... du warst bei Drask. Was hat er dir erzählt? Daß die Satai und die Quorrl sich aufgemacht haben, die Welt zu erobern?«

Skar konnte nicht mehr sprechen, aber Del las die Antwort in seinen Augen. »Warum hast du ihm geglaubt?« flüsterte er. »Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mich gefragt, Skar? Es... es sind Drask und die Anderen, die die Welt bedrohen, nicht wir.«

»Drask?« Das Entsetzen gab ihm noch einmal die Kraft, zu sprechen. »Aber wieso... der Überfall... die... die Mörder... die du geschickt hast...« Er wußte die Antwort längst, aber er konnte nicht aufhören, mußte einfach weitersprechen, um noch weitere kostbare Sekunden zu gewinnen, ehe er sich der Wahrheit stellen mußte. Dem Wahnsinn, der sie begleitete. »Sie haben Syrr getötet und ihren Bruder und... der Krieg...«

»Ich weiß nicht, wer Syrr ist«, unterbrach ihn Del. Er schrie fast. »Und ich weiß nichts von Mördern, die ich geschickt haben soll. Skar, es ist gerade anders herum! Die alten Götter sind zurückgekehrt, aber es sind Drask und die Anderen, die Enwor erobern wollen. Die Sumpfleute und wir und die Quorrl sind die einzigen, die sie noch aufhalten! Warum hast du ihm geglaubt!!«

»Weil er keine andere Wahl hatte«, unterbrach ihn eine Stimme. Del fuhr auf, und auch Skar wandte mühsam den Kopf. Auch sein Sehvermögen begann nun nachzulassen, aber er erkannte eine schlanke, in ein schmutzigweißes Gewand gehüllte Gestalt. Gebeugt vom Alter und zu weit, als daß er ihr Gesicht sehen konnte. Aber er kannte die Stimme.

Es war der Prediger. Der Alte, dem er vor so langer Zeit seinen Sohn und sein Leben gegeben hatte. Der Ordensherr der Gesichtslosen Prediger.

»Keine andere Wahl?« wiederholte Del.

Der Prediger machte eine komplizierte Handbewegung.

»Drask ist ein Magier, vergiß das nicht«, sagte er sanft. »Ein Mann, dessen Fähigkeiten die meinen um ein Tausendfaches übersteigen. Und sie sind alle Meister der Lüge.« Seine Stimme wurde bitter, als er näher kam und neben Skar niederkniete. Eine alte, pergamenttrockene Hand berührte seine Stirn. »Es ist meine Schuld«, flüsterte er. »Niemand wäre dem Gespinst aus Lügen und Betrug entgangen, das die Anderen zu weben wissen, aber ich hätte da sein müssen, um ihn zu warnen.« Er sah zu Del auf. »Bringt Verbandszeug. Und meine Salben. Er ist schwer verletzt, aber ich kann ihm helfen. Er wird leben, wenn die Götter auf unserer Seite sind. Wir werden ihn brauchen. Nötiger denn je.«

»Wozu, Bradburn?« fragte Del leise. »Croyd ist... tot.«

»Tot?« Der Prediger erschrak.

»Er hat ihn getötet«, bestätigte Del. In seiner Stimme war kein Vorwurf mehr. Nur noch Mutlosigkeit. »Wozu noch kämpfen, Bradburn? Croyd ist tot, und damit das letzte, was noch zwischen uns und ihrer Magie stand. Es ist aus.«

»Seit wann?« fragte Bradburn. Plötzlich klang er erregt. »Wie lange ist es her, daß er starb?«

»Nicht lange. Zehn Minuten.«

»Dann ist vielleicht noch nicht alles verloren«, sagte Bradburn. Er sprang mit einer Behendigkeit auf, die bei einem Mann seines Alters überraschte, fuhr herum und verschwand mit weit ausgreifenden Schritten im Zelt des Jungen.

Er blieb nur wenige Sekunden. Als er zurückkam, flammte sein Gesicht vor Erregung. Sein Atem ging schnell. »Ich kann es tun«, sagte er. »Es ist noch nicht zu spät, Del. Bringt ihn herein, rasch. Rasch!«

Del keuchte. »Was -«

»Bringt ihn herein!« unterbrach ihn Bradburn aufgeregt.

»Schnell! Zum Reden ist später Zeit. Ich kann es tun, aber jeder Augenblick zählt. Drask wird wissen, was hier geschehen wird, und er wird kommen, mit all seiner Macht! Wir sind verloren, wenn wir auch nur eine Sekunde zu lange zögern! Bringt ihn herein! Und sorgt dafür, daß er nicht einschläft. Er darf auf keinen Fall einschlafen, sonst stirbt er!«

Skar verstand längst nicht mehr, was die Worte des Alten bedeuteten. Warum ließen sie ihn nicht endlich sterben?

23.

Draußen vor dem Zelt wurde es Tag. Faserige Schatten aus Helligkeit krochen über den Himmel und vertrieben die Nacht, und das düstere Rot der zahllosen Lagerfeuer begann im gleichen Maße zu verblassen. Trotzdem schien die Zeit stehenzubleiben. Es war, als wären sie in einem eigenen, kleinen Teil des Universums gefangen, in dem die Zeit ihre Bedeutung verloren hatte. Skar war müde. So müde. Er wollte schlafen, aber Del und der Alte ließen ihn nicht. Sie hatten ihn gezwungen, etwas zu trinken, das seine Lebensgeister wieder geweckt und ihn mit neuer Kraft erfüllt hatte, und sie hatten sich um die Wunde an seiner Seite gekümmert und die Blutung zum Stillstand gebracht, obwohl er es nicht wollte. Er ertrug keinen Schmerz mehr.