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»Haben Sie ihn am Abend ihres Todes bellen hören?« fragte Barnaby.

»Nein, aber er war ohnehin sehr ruhig ... für einen Jack Russell. Natürlich schlug er nur dann nicht an, wenn er die Leute kannte. Bei Fremden war das ganz anders.« Sie bedachte Barnaby mit einem Lächeln und registrierte nicht einmal, welche Bedeutung diese Sätze hatten. »Außerdem schlief er in der Küche. Wenn also die Tür zum Wohnzimmer zu war, hat er vielleicht gedacht, daß Emily in ihrem Bett liegt.«

»Kommen wir noch einmal auf den Freitag morgen zu sprechen...«

»Da war nichts weiter. Sobald der Leichenwagen weg war, schaltete ich den Strom aus, nahm die Hundeleine, die an der Küchentür hing, schloß die Tür ab und machte mich auf den Weg.«

»Ich verstehe. Ich fürchte, ich muß Sie bitten, mir den Schlüssel für dieses Haus zu überlassen. Selbstverständlich gebe ich Ihnen eine Quittung dafür.«

»Oh.« Er sah, daß sie eine Frage beschäftigte, aber sie stellte sie nicht. »Gut.«

»Sie sind von hier aus direkt zu dieser Farm gegangen?« wollte Barnaby wissen. »Nicht in den Garten oder in den Schuppen?«

»Na ja ... ich mußte noch den Bienen die traurige Nachricht überbringen.«

»Wie bitte?«

»Man muß den Bienen möglichst rasch mitteilen, daß jemand gestorben ist, besonders wenn es ihr Besitzer war. Sonst schwärmen sie aus und kommen nicht wieder.«

Das ist das Beste, was sie tun können, dachte Troy. Ein Wunder, daß es die Bienen überhaupt bei diesen Verrückten aushalten. Er spreizte die Finger und beschloß, diesen Volksbrauch in seinem Protokoll unerwähnt zu lassen.

»Wirklich?« hakte Barnaby nach.

»Guter Gott, ja. Das ist doch allgemein bekannt. Ich schlug dreimal mit dem Schlüssel an den Bienenstock und sagte: >Eure Herrin ist tot<, dann ging ich. Die Dorfbewohner behaupten, man müsse auch etwas Schwarzes an die Stöcke binden, aber die Mühe habe ich mir erspart. Die Leute sind entsetzlich abergläubisch. Ich dachte, wenn ich die Bienen durch so etwas aufscheuche, stechen sie mich noch.«

»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, Miss Bellringer. Sergeant Troy liest Ihnen jetzt Ihre Aussage noch einmal vor, bevor Sie sie unterschreiben.«

Als das erledigt war, erhob sich Miss Bellringer und erkundigte sich ein wenig niedergeschlagen: »Ist das schon alles?«

»Wären Sie vielleicht so freundlich, mir nach dem Mittagessen die Stelle zu zeigen, an der sie die Orchidee gefunden hat?«

»Möchten Sie vorher bei mir eine Kleinigkeit zu sich nehmen?« fragte sie wesentlich munterer.

»Nein, vielen Dank. Ich esse im Black Boy Pub.«

»Oh, das kann ich Ihnen nicht empfehlen. Mrs. Sweeneys Küche ist berüchtigt.«

Barnaby grinste. »Ich denke, ich werd’s überleben.«

»Ahhh ... ich verstehe. Sie wollen sich mit den Örtlichkeiten vertraut machen und sich unauffällig ein wenig umhören.«

Barnaby benutzte sein Taschentuch, um Miss Bellringer die Tür zu öffnen. Als sie sich zum Gehen umwandte, fiel ihr Blick auf etwas. »Das ist merkwürdig.«

»Was?«

»Emilys kleiner Rechen ist nicht da. Sie bewahrte ihn immer zusammen mit der Gartenschürze und der Hacke in diesem Regal auf.«

»Vielleicht liegt er irgendwo im Garten.«

»O nein. Emily war ein Gewohnheitstier. Sie reinigte ihre Geräte mit Zeitungspapier und legte sie nach dem Gebrauch auf die Matte.«

»Er wird bestimmt noch auftauchen.«

»Im Grunde spielt das auch gar keine Rolle mehr, nicht wahr?« Sie drehte sich um. »Ich sehe Sie dann etwa um zwei?«

Nachdem sie gegangen war, postierte Barnaby Sergeant Troy an der Vordertür, ließ sich in dem stillen, ordentlichen Zimmer auf dem Chintzsofa nieder und lauschte dem Ticken der Uhr. Zwei Sessel standen ihm gegenüber - die Polster waren inzwischen aufgeschüttelt und glatt. In einem hatte jemand mit einem Glas Wein gesessen, gelächelt, geredet, beruhigt. Gemordet?

Der Chief Inspector hatte kaum noch Zweifel daran. Der Schierlingsstrauß in der Küche war ein ziemlich plumper Versuch, es so aussehen zu lassen, als hätte die kurzsichtige Miss Simpson Petersilie mit Schierling verwechselt und sich selbst damit vergiftet. Eine hastige Maßnahme, die nachträglich ergriffen wurde, als sich die Neuigkeit von der Autopsie im ganzen Dorf wie ein Lauffeuer verbreitet hatte.

Er ging zum Telefontischchen, auf dem bereits eine feine Staubschicht lag, und schaute auf die Bücher. Der Shakespeare lag oben auf dem Stapel. Julius Caesar, der erhabenste aller Römer. Aber auch der langweiligste, dachte Barnaby, als er sich daran erinnerte, wie er sich vor dreißig Jahren mit Caesars Texten gequält hatte. Seit der Schule hatte er keine Zeile mehr von Shakespeare gelesen, und ein Pflichtbesuch im Theater, als Joyce im Sommemachtstraum die Titania wie eine edwardianische Suffragette spielte, hatte nicht dazu beigetragen, daß er diese Entscheidung bereute. Er sah sich die aufgeschlagene Seite genauer an und tastete nach seiner Lesebrille, aber dann fiel ihm ein, daß sie im anderen Jackett steckte, und nahm dann mit seinem Taschentuch das Vergrößerungsglas zu Hilfe.

Miss Simpson war beinahe am Ende des Stückes angelangt.

Pindarus hatte die schlechten Nachrichten vom Schlachtfeld bereits überbracht. Barnaby las ein paar Zeilen. Nichts davon kam ihm auch nur im entferntesten bekannt vor. Dann entdeckte er etwas. Eine feine graue Linie am Rand. Er nahm das Buch mit zum Fenster und betrachtete die Markierung im Licht. Jemand hatte vier Zeilen von Cassius’ Rede angestrichen. Er las sie laut:

An diesem Tage atmet’ ich zuerst;

Die Zeit ist um, und enden soll ich da,

Wo ich begann: Mein Leben hat den Kreislauf Vollbracht...

5

Die Gespräche verstummten, als Barnaby den Black Boy betrat. Aber das hatte nicht allzuviel zu bedeuten. In einer Ecke saß, in dichte Rauchwolken gehüllt, ein alter Mann; zwei Jugendliche lümmelten mit hochgelegten Füßen an der Bar, und ein Mädchen machte sich am Spielautomaten zu schaffen. Die grauhaarige und auffallend flachbrüstige Mrs. Sweeney machte eher den Eindruck, als wäre sie in die Enge getrieben worden und würde nicht zu Hause hinter ihrer eigenen Theke stehen.

Sie fragte den Detective Chief Inspector, ob er etwas essen wolle; er lehnte die selbstgemachte Pastete ab, bestellte ein Käsebrot und ein Bier vom Faß und setzte sich. Er war sicher, daß die Leute den Grund für seine Anwesenheit erfahren wollten und daß die Neugier sie zu verschiedenen Bemerkungen veranlassen würde. Dennoch war er nicht auf die Schnelligkeit vorbereitet, mit der das entscheidende Thema zur Sprache kam. Er hatte kaum einen Schluck von seinem Bier getrunken (es war warm und schmeckte seifig), als einer der Jugendlichen sagte: »Sie sind ein Bulle, stimmt’s?«

Barnaby schnitt ein Stück Käse ab und machte eine Kopfbewegung, die alles und nichts bedeuten konnte.

»Sind Sie wegen der armen Miss Simpson hier?« wollte Mrs. Sweeney wissen.

»Kannten Sie die Lady?« fragte Barnaby.

»Oh ... alle kannten Miss Simpson.«

Der Qualm in der Ecke lichtete sich ein wenig, und ein Rasseln und Scheppern wurde laut. Mein Gott, dachte Barnaby, der arme alte Kerl macht’s auch nicht mehr lang. Erst dann merkte er, daß umfallende Dominosteine das Geräusch verursacht hatten.

»Sie hat mir Englischstunden gegeben«, verkündete der alte Mann.

»Ganz recht, Jake, das hat sie getan«, bestätigte Mrs. Sweeney und flüsterte Barnaby leise zu: »Und bis heute kann er weder lesen noch schreiben.«

»War sie beliebt im Dorf?«

»O ja. Nicht wie manch andere, die ich beim Namen nennen könnte.«

»Wieso erkundigen Sie sich nach ihr?« warf einer der Jungen ein.

»Ja«, schloß sich der andere an. »Hat sie irgend etwas angestellt?«