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»Ein gutes Argument.«

»Jetzt dagegen kommt auch der Liebhaber als Täter in Frage«, redete Troy ermutigt weiter, »vor allem seit wir entdeckt haben, daß er derjenige ist, dem das Messer gehört. Ich wette, er war es auch, der auf den Gedanken mit dem Tesafilm gekommen ist...«

»Das glaube ich nicht. Ich habe eine Menge Leute dazu befragt. Man scheint sich allgemein darüber einig zu sein, daß es Dierdres Idee war.«

»Wie auch immer, er hat ein perfektes Alibi und läßt Kitty im Regen stehen. So sind sie nun mal, diese Sorte von Menschen.«

»Ich weiß nicht so recht. Es ist mir einfach zu naheliegend.«

»Aber... entschuldigen Sie, Sir... Sie sagen doch sonst immer, das Naheliegende ist meistens auch die Wahrheit.«

Barnaby nickte. Dieser Einwand war durchaus berechtigt. Genauso wie Troys Eindruck, daß die beiden altbekannten höllischen Zwillinge Lust und Gier vermutlich einmal mehr die treibenden Kräfte hinter Esslyns plötzlichem Tod waren. Aber wieso hatte Barnaby bloß das Gefühl, daß es in diesem Falle anders lag? Ihm gefiel diese Ahnung gar nicht, denn sie schien ihm im Moment zu absolut nichts zu führen, aber er konnte sie dennoch nicht leugnen. Er sah jetzt auch, daß sich seine langjährige Bekanntschaft mit den Verdächtigen, die er zunächst für einen Vorteil gehalten hatte, genausogut gegen ihn wenden könnte. Es hatte sich als nahezu unmöglich erwiesen, seinen Verstand in jenen objektiven Spiegel zu verwandeln, den er brauchte, um zu erkennen, was sich tatsächlich abgespielt hatte. Sein Verständnis von Kittys Charakter, seine Zuneigung zu Tim und den Smys, sein Mitgefühl mit Dierdre, das alles trieb ihn in die Ecke, mit dem Rücken zur Wand. Unter diesem Aspekt, stellte er etwas säuerlich fest, bleibt mir eigentlich gar kein Verdächtiger.

Und dann war da ja auch noch dieses Floyd über Fisch. Er holte es aus dem Aktenkorb und fächerte die Seiten wieder auf. Das Ding war durch das Labor gegangen und dort mit allen Schikanen untersucht worden. Herausgekommen war dabei herzlich wenig, nämlich nur, daß es mit Dutzenden von unleserlichen Fingerabdrücken bedeckt war. Aber warum zur Hölle sollte jemand Harold, der sich nicht im mindesten für das Kochen interessierte, ein Rezeptbuch schicken? Und wieso war das anonym geschehen? Als er Troy danach gefragt hatte, war dieser völlig ratlos gewesen. Er riß nur einen seiner erbärmlichen Witze und meinte: »Der Fisch stinkt zum Himmel, Chef.« Joyce hatte erzählt, Harold sei sehr verwundert über das Auftauchen des Buchs gewesen und hätte angenommen, es sei ein Geschenk von einem unbekannten Bewunderer, woraufhin er es sofort weiterverschenkt hatte. Barnaby gelang es nicht, den geringsten Anhaltspunkt dafür zu entdecken, wie er es mit dem Fall in Verbindung bringen konnte, aber es war einfach zu merkwürdig. Das Buch schien vollkommen zusammenhanglos im Raum zu stehen und sich mit nichts in Beziehung setzen zu lassen. Er haßte solche unerklärlichen Kleinigkeiten, die er nicht einordnen konnte. Doch da der Fall im Moment ohnehin eher wie ein Bündel gekochter Spaghetti aussah, spielte ein weiterer loser Strang mehr oder weniger wohl auch keine große Rolle mehr.

Troy räusperte sich, und Barnaby fing seine wandernden Gedanken wieder ein und zog die Augenbrauen hoch. »Wenn wir mal Sex und Geld außer acht lassen, Chef, dann könnte es doch sein, daß Esslyn etwas von jemandem wußte und daß dieser Jemand, gegen den er etwas in der Hand hatte, ihn zum Schweigen bringen wollte.« Barnaby nickte. »Ich weiß, wir haben nichts Überraschendes auf seinen Konten gefunden, aber es könnte trotzdem eine Erpressung dahinterstecken. Er könnte das Geld ja auch beiseite geschafft haben, ins Ausland.«

»Hmm... das ist eine wirklich tolle Idee. Das Problem besteht nur darin, daß es nicht zur Natur der Sache paßt.«

»Entschuldigen Sie, Sir... da kann ich Ihnen nicht so ganz zustimmen.« Troy runzelte die Stirn; einerseits war er besorgt, man könnte ihm diesen Einwand krummnehmen, aber andererseits war er wild entschlossen, jeden Argumentationsschritt auszudiskutieren, bis zum nächsten übergegangen wurde. Er gab nie vor zu verstehen, worauf Barnaby hinauswollte, wenn er es nicht verstand, und der Chefinspektor, der wußte, daß sein Sergeant sich danach sehnte, den Eindruck zu erwecken, mitzuhalten oder sogar noch einen Schritt weiter zu sein als er, respektierte diese Aufrichtigkeit.

»Ich glaube einfach nicht, daß Carmichael der Typ dazu war. Nicht, daß er ein netter Mensch gewesen wäre - weit davon entfernt -, aber er war derart ichbezogen, so vollständig von seiner eigenen Person in Anspruch genommen. Er hat sich nicht für die Angelegenheiten anderer Menschen interessiert, und ihm hat es an dieser kriminellen Energie gefehlt, die Erpresser nun mal brauchen.«

»Dann vielleicht Eifersucht, Chef? Er war der Star. Vielleicht wollte jemand anders ihm den Rang streitig machen?« Schon als er diese Vermutung aussprach, wußte Troy, daß das vermutlich ein Schuß in den Ofen sein würde. Obwohl ihm Amadeus recht gut gefallen hatte, waren die Schauspieler für ihn nicht mehr als eine Horde von tuntigen Angebern. Er für seinen Teil konnte nicht glauben, daß auch nur einer von ihnen den Mumm hätte, einem Karnickel das Fell abzuziehen, geschweige denn, jemanden aus dem Weg zu schaffen, indem man ihn dazu brachte, sich selbst die Kehle durchzuschneiden. Aber er hatte sich auch früher schon mal geirrt (Troy beurteilte seine Bereitschaft, diese beinahe universale menschliche Schwäche zuzugeben, als ein echtes Zeichen der Reife), und das konnte sich jetzt wiederholen. »Vielleicht stecken sie alle dahinter, Sir? Wie in diesem Film, der in dem Zug spielt... wo jeder dem Opfer einen Messerstich mitgegeben hat. Eine Verschwörung.«

Barnaby hob den Kopf und sah interessiert aus. Interessiert, aber auch irgendwie verdrießlich. Troy erinnerte sich an eine Formulierung aus den Frühnachrichten und versuchte eine seiner Witzeleien damit.

»Ein AufPutsch-Job, Sir.«

»Was?«

»P-u-t-s-c-h - das sollte ein Scherz sein, Chef. Eine Art Wortspiel... Putsch - aufputschen...«

Barnaby war eine Minute still, dann sagte er bedächtig: »Mein Gott, Troy, Sie könnten recht haben.«

Ermutigt fuhr der Sergeant fort: »Es war in einer dieser Bananenrepubliken ...«

»Es liegt so nah.«

»Das meine ich ja. Putsch und...«

»Nein, nein. Davon rede ich nicht. Vielleicht... lassen Sie mich nachdenken...«

Barnaby saß sehr still da. Eine vage Möglichkeit, nicht mehr als eine Ahnung, flackerte durch seinen Geist. Leuchtete kurz auf und verschwand dann wieder. Kam etwas gesetzter zurück und war ganz sanft zu spüren, ließ sich behutsam abtasten.

»Ich frage mich...«, fuhr Barnaby stockend fort, »... vielleicht ... hat uns Esslyn den Grund für den Mord genannt... zumindest...«

Er tastete sich langsam den nächsten Worten entgegen. »Er hat ihn gegenüber Kitty erwähnt. Doch sie hat nicht die Geistesgegenwart besessen, die Anspielung zu erkennen, die in seinen Worten verborgen lag, aber ich hätte es sehen müssen. Dafür gibt es keine Entschuldigung.«

Troy, der daraus schloß, daß es auch mit seinem Verstand nicht weit her sein konnte und daß es für ihn ebenfalls keine Entschuldigung geben würde, betrachtete schmollend seine Stiefel. Barnaby erhob sich dagegen und lief unruhig im Büro auf und ab. Schließlich schickte er seinen Sergeanten los, um noch mehr Kaffee zu holen. Troy verschwand daraufhin im Vorzimmer und bediente den Automaten.

Als er in das innerste Heiligtum zurückkehrte, blickte der Detective Chief Inspector aus dem Fenster. Troy stellte die Becher auf den Schreibtisch und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Als Barnaby sich umdrehte, erschrak er, wie bleich das Gesicht des Chefinspektors inzwischen geworden war. Blaß, aber lebhaft und von großer Aussagekraft. Kaum hatte er jedoch diesen Ausdruck hoffnungsvoller Erregung registriert, da wurde derselbe auch schon wieder von Ungläubigkeit überschattet, die ihrerseits schnell einer Unbeschwertheit Platz machte, die beinahe in frohgemutes Erstaunen mündete.