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Barbaras Wohnung befand sich mitten in der Stadt in der Mancetta Road über einer Nachrichtenagentur. Sie bot ihm nichts zu trinken an, warf nur ihren Mantel über eine Stuhllehne, ließ sich auf das unechte Ozelot-Sofa fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Er war sofort an ihrer Seite.

»Reg dich nicht auf.« Er legte schwerfällig einen Arm um ihre Schultern, und sie sah ihn an wie ein Kind, das großen Kummer hatte.

»Ich habe mir so sehr gewünscht, daß sie mich mag. Ich habe mir schon ausgemalt, wie wir über Kleider und Make-up und solche Dinge reden ... Ich dachte, ich könnte mich ein wenig um sie kümmern ... um euch beide ... Wahrscheinlich findest du das albern.«

»Liebling, selbstverständlich nicht.« Plötzlich wurde er sich bewußt, wie nah ihm ihre prallen Brüste waren, die sich an sein Hemd schmiegten. Und er roch, wie ihr Haar duftete. Er hob ihr Kinn an und war zutiefst gerührt, als er Tränen in ihren Augen sah. Er küßte sie. Für einen Moment teilten sich ihre Lippen, er fühlte sogar ihre Zungenspitze, aber dann schnappte sie nach Luft und schob ihn von sich. Sie stand auf, durchquerte das Zimmer und drehte sich zu ihm um. Sie atmete schwer.

»Was mußt du von mir halten? Oh, Trevor! Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich denke die ganze Zeit nur an dich ... Ich hätte dich nicht bitten dürfen, mit in meine Wohnung zu kommen.«

Gleich darauf flog sie in seine Arme. Sie entspannte sich und preßte sich an ihn. Ein langer Kuß. Seine Hand begann zu wandern. Barbara stieß einen kleinen erregten Schrei aus, bevor sie sich abrupt von ihm löste. »Was tust du da?«

»Barbara... verzeih mir.«

»Wofür hältst du mich?«

»Vergib mir, Liebling ... bitte.«

»Nur weil ich dich liebe - ja, ich gebe es zu! Ich liebe dich. O Trevor«, sie fing an zu weinen, »du solltest jetzt gehen. Es ist alles so hoffnungslos.«

Er ging und kam am nächsten Tag wieder. Und am übernächsten auch. Drei Wochen lang besuchte er sie, litt. Seine Erregung wuchs von Mal zu Mal, aber immer wurde ihm der endgültige Zugang verwehrt. Er kühlte sich ab, flehte und bettelte und krümmte sich vor Qual.

An dem Tag, an dem er endlich einen Erfolg verbuchen konnte, war Barbara so unglücklich, daß sie sich nicht einmal die Mühe machte, sich anzuziehen. Sie kauerte in einem hochgeschlossenen Morgenmantel neben dem Gasofen, bis er ihre Wohnung verließ.

Sie heirateten am Morgen des 30. Juni 1982. Die Nacht vor der Hochzeit verbrachte er in ihrer Wohnung und erlebte die höchsten Freuden, an die er sich für den Rest seines Lebens mit immer stärker werdender sehnsuchtsvoller Reue erinnern sollte. Nach der Trauung fuhren sie nach Badger's Drift, um Judy die Neuigkeit beizubringen.

Und jetzt streifte Barbara wieder den Träger ihres Nachthemds über die Schulter und betrachtete die Spuren der Liebesbisse. Sie setzte alles aufs Spiel. Frustration und Langeweile hatten sie dazu getrieben, sich einen Liebhaber zu nehmen. Und was für einen Liebhaber! Sie hatten sich erst vor wenigen Stunden getrennt, und schon verzehrte sie sich nach seiner Berührung. Zum zweitenmal in ihrem Leben schwebte sie auf Wolken. Ihr Körper spürte Dinge, die sie sich jahrelang versagt hatte. Sie war sehr, sehr vorsichtig gewesen, aber wie lange konnte man eine so leidenschaftliche Affäre geheimhalten? Aber sie konnte nicht von ihm lassen. Sie brauchte ihn so nötig wie die Luft zum Atmen. Sie ging ins Bett und durchlebte in der Erinnerung noch einmal die rhythmischen Bewegungen der Liebe, dann versank sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

2

Die Absperrung um Miss Simpsons Cottage erregte mehr Aufsehen, als es ein ganzes Polizeiaufgebot, bestehend aus lauter Sergeant Troys, vermocht hätte. Die halbe Ortschaft schien auf den Beinen zu sein und ignorierte die offenkundig unwahre Behauptung des diensthabenden Constable, daß es absolut nichts zu sehen gebe.

Das Team der Spurensicherung arbeitete fieberhaft und untersuchte methodisch das ganze Haus. Barnaby wanderte währenddessen umher und ging schließlich in den Garten. Die verwaisten Bienen brummten und summten in ihren Stöcken. Er registrierte ohne große Überraschung, daß sich an den unbepflanzten Stellen in den Beeten bereits die ersten Sprossen von Unkraut zeigten. Er kehrte zur Hintertür und dem süßen Duft der Kiftsgate-Rose zurück.

»Das hier haben wir unter dem Kirschlorbeer vor dem Speisekammerfenster gefunden, Sir.« Der Mann zeigte Barnaby einen kleinen Rechen, der bereits in einer durchsichtigen Plastikhülle steckte und mit einem Etikett versehen war. »Wahrscheinlich wurde er benutzt, um Fußspuren zu verwischen. Jemand ist ganz sicher auf diesem Weg rausgekommen.«

Gegen Mittag waren die Männer fertig. Ein Wagen fuhr los und brachte die Funde ins Labor, die Absperrung wurde aufgehoben, und das Team begab sich in den Black Boy Pub, um sich ein Bier und Sandwiches zu genehmigen. Eine halbe Stunde später brachen die Spurensicherer zum Buchenwald auf. Die meisten Dorfbewohner hatten sich zurückgezogen, aber Barnaby hörte, wie eine Frau vor dem Pub zu einem Jungen sagte: »Lauf heim, Robbie. Und sag deiner Mutter, daß sie die Lane entlangfahren.« Der Junge flitzte los, und als die Polizeiautos auf dem Rastplatz in der Nähe des Buchenwaldes parkten, fanden sich auch wieder Schaulustige ein.

Im Wald wurde ein ziemlich großer Bereich mit Seilen abgesteckt, die Spurensicherer teilten sich auf und suchten das Gebiet Stück für Stück gründlich nach Hinweisen ab. Barnaby schilderte seinen eigenen und Miss Bellringers Weg. Die Neugierigen drängten an die Absperrseile und verrenkten sich die Hälse. Ein Mann duckte sich unter dem Seil durch und schimpfte: »Dies ist ein freies Land - noch geht es bei uns nicht zu wie in Rußland!« Er wurde zurückgeschickt. Eine große Frau mit einem Golden Retriever an der Leine rief: »Henry könnte euch sicher beim Suchen helfen!«

Barnaby sah seinen Kollegen bei der Arbeit zu und versuchte, nicht im Weg zu stehen. Er spürte, daß er allmählich ungeduldig wurde. Diese Dinge konnte man nicht beschleunigen, aber es verstrich so viel wertvolle Zeit, und es würde noch mindestens ein voller Tag vergehen, bis all die Berichte und Untersuchungsergebnisse auf seinem Schreibtisch landeten. Er hatte das Gefühl, daß alles in seinen Händen zu Staub zerfiel, ehe er richtig mit der Arbeit beginnen konnte. Er winkte Sergeant Troy und eilte zu seinem Wagen.

Tatsächlich dauerte es weniger als vierundzwanzig Stunden. Die Leute im Labor arbeiteten rund um die Uhr (nur nicht an den Feiertagen), und Barnaby hielt noch vor dem Mittagessen die Auswertungen und Berichte der Spurensicherer in den Händen. Er hatte alles sorgfältig durchgelesen und saß jetzt vor einer Reihe von gespannten Gesichtern in einem der Besprechungszimmer der Polizeistation.

»Wir versuchen herauszufinden«, er schluckte die erste Tablette an diesem Tag und spülte sie mit einem Kaffeerest hinunter, »wo sich die einzelnen Dorfbewohner, auch die Kinder, die an diesem Nachmittag nicht in der Schule waren, aufhielten - auch der Abend interessiert uns. Alles klar? Da drüben auf dem Tisch liegen die Formulare. Am Schwarzen Brett finden Sie eine Liste, wer welche Adressen übernimmt.«

»Welchen Zeitpunkt setzen wir für das Ende des Nachmittags fest, Sir?« fragte Sergeant Troy, der inzwischen seine Vorbehalte und die kritische Einstellung zu diesem Fall vollkommen vergessen hatte und bemüht war, durch Eifer zu glänzen. »Hat sie jemand aus dem Wald kommen sehen?«

Barnaby sah seinen Sergeant an. Er hatte natürlich gemerkt, daß Troy bis jetzt mehr als nur skeptisch gewesen war, und wunderte sich darüber, daß jemand seine Überzeugungen so leicht abstreifen konnte wie eine Schlange die zu eng gewordene Haut. Er wußte nichts über Troys Privatleben, vermutete aber, daß er in seinen Beziehungen ebenso unbekümmert war.