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»Das wäre natürlich praktisch für uns, aber das Leben ist selten so entgegenkommend. Ich denke, es ist in diesem Stadium das beste, wenn Sie einen Zeitraum von etwa zwei Uhr mittags bis Mitternacht abdecken. Wir wissen, daß Miss Simpson um acht noch am Leben war, weil sie zu dieser Zeit einen Anruf tätigte.«

»Woher wollen wir wissen, daß die Person oder die Personen, die sie im Wald gesehen hat, überhaupt im Dorf wohnen?« wollte eine junge Polizistin wissen.

»Davon können wir nicht mit Sicherheit ausgehen, aber es war ganz gewiß jemand, den sie kannte, und weit und breit parkte kein Auto - weder am Waldrand noch auf der Straße zwischen den Feldern. Die einzige andere Möglichkeit, einen Wagen abzustellen, wäre der Rastplatz in der Church Lane. Man sieht ihn deutlich vom letzten Haus aus, und der Besitzer dieses Hauses war fast den ganzen Nachmittag in seinem Garten und ist ziemlich sicher, keinen Wagen gesehen zu haben. Das bedeutet, daß, wer auch immer im Wald war, zu Fuß dort war.«

»Also suchen wir nach jemandem, der für einen Teil des Nachmittags und Abends kein Alibi hat?«

»Wahrscheinlich. Ich neige dazu zu glauben, daß es ein Pärchen gewesen sein muß. Im Laborbericht steht, daß eine Decke - eine Decke mit dem Karomuster des Hochländerregiments - auf dem Boden in der Mulde gelegen hat.« Er sah, wie Troy der Polizistin Brierley lüstern zuzwinkerte und ihr den Ellenbogen so heftig in die Seite stieß, daß sie ihren Bleistift fallen ließ. »Andere Spuren von umgeknickten Pflanzen außerhalb des für uns wichtigen Bereichs deuten darauf hin, daß dies ein beliebtes, lauschiges Plätzchen ist. Möglicherweise war das Pärchen öfter dort.«

»Erscheint mir unglaubhaft, Sir.« Wieder Troy. »Ich meine, daß sie umgebracht wurde, nur weil sie gesehen hat, wie jemand...« Er räusperte sich. »Ein wenig altmodisch, oder? Wir haben schließlich 1987. Wer erwartet heute schon noch Treue?«

Barnaby, der sein Leben lang treu gewesen war, sagte: »Sie wären überrascht. Ehen werden immer noch wegen Seitensprüngen geschieden. Leute werden enterbt. Beziehungen gehen kaputt. Vertrauen wird zerstört.« Die meisten sahen ihn unbeeindruckt an, ein oder zwei Männer nickten verständnisvoll. Barnaby stand auf. »Also, an die Arbeit.«

»Günstig, daß die beiden am Nachmittag beobachtet wurden, Sir. Da sind die meisten Leute noch in der Arbeit, das macht das Aussortieren leichter.«

»Wir wissen nicht, wann genau Miss Simpson sie entdeckt hat. Es könnte auch erst um sieben Uhr gewesen sein. Zu dieser Zeit ist es draußen noch hell.«

»Oh.« Troy fuhr vorsichtig und behielt den Tachometer im Auge. »Sie hätten von Gessler Tye zu Fuß herkommen können. Es ist nicht allzu weit. Vielleicht wollten sie sich nicht in ihrem eigenen Bezirk vergnügen.«

»Ja. Unter Umständen müssen wir unsere Ermittlungen ausdehnen.«

»Selbst wenn es ein Pärchen war, dann heißt das noch lange nicht, daß beide mit unserer Sache zu tun hatten.«

Dieser Gedanke hatte Barnaby auch schon beschäftigt. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, daß einer der beiden frei war und eine Entdeckung nicht zu fürchten brauchte. Und wenn doch beide anderweitig gebunden waren, hatte wahrscheinlich nur einer so viel zu verlieren, daß er oder sie einen Mord in Kauf nahm, um die Liaison geheimzuhalten. Dabei mußten nicht unbedingt nur finanzielle Gründe im Vordergrund stehen. Es war immerhin auch möglich, daß jemand sein Ehegespons von Herzen liebte und trotzdem einem kleinen Abenteuer im Heu nicht widerstehen konnte.

Sie kamen nach Badger's Drift und fuhren an zwei Polizeiwagen vorbei, die schon vor dem Black Boy parkten. Die von Haus-zu-Haus-Befragung hatte begonnen.

Barnaby sagte: »Ich möchte bei den Lessiters anfangen. Das ist das große Haus mit den steinernen Löwen.« Sergeant Troy pfiff neidvoll durch die Zähne, als er in die Einfahrt schoß und sich den Spaß gönnte, vor der Haustür so abrupt zu bremsen, daß Kieselsteine aufspritzten und sich eine Wolke von Staub bildete. Barnaby seufzte und stieg aus. Er benutzte den auf alt getrimmten Türklopfer und betrachtete, während er wartete, die Kutschenlaternen, das Schild mit einem Pfeil zur Seite und den Sprechstundenzeiten des Arztes in gotischer Schrift, die man sonst nur noch in Horrorfilmen sehen konnte.

Barnaby hatte die Praxis mittlerweile schon ziemlich gut kennengelernt. Er war erst gestern wieder dort gewesen, um den Arzt über das Ergebnis der Autopsie zu informieren. Lessiter hatte die Neuigkeit nicht gerade gut aufgenommen. Er hatte den Chief Inspector entgeistert angestarrt und in beinahe demselben Tonfall wie George Bullard gesagt:

»Schierling?« und war wie ein Stein auf seinen Stuhl geplumpst. Er vergaß sich so weit, daß er Barnaby mit einer Handbewegung gestattete, auch Platz zu nehmen. Er hielt sogar seine Hände vorübergehend ganz still.

»Und was hat Sie darauf gebracht, eine Autopsie anzuordnen, wenn ich fragen darf?« Er fühlte sich bereits in die Defensive gedrängt.

»Wir wurden gebeten, Nachforschungen anzustellen.«

»Von wem? Dieser wunderlichen alten Hexe, die in der Lane wohnt - das sollte mich nicht wundern.« Ihm fiel auf, daß Barnaby das Gesicht kaum merklich verzog, und bemühte sich sichtlich, sich zu beruhigen. »Die Höflichkeit hätte geboten, daß Sie mir Bescheid sagen.«

»Ich sage Ihnen ja Bescheid, Sir.«

»Ich meine, bevor Sie in Aktion traten, das wissen Sie verdammt gut.«

Das Geräusch von sich nähernden Schritten rief Barnaby in die Gegenwart zurück. Ein Mädchen öffnete die Tür. Doktor Bullards Beschreibung »der weniger umwerfenden Tochter« fiel ihm wieder ein, und er nahm an, daß sie das war: klein, nicht viel größer als einsfünfzig, und plump. Ihr Teint war grobporig und unrein, auf der Oberlippe sproß ein dunkler Flaum, und ihr Haar war spröde und kräuselte sich in alle Richtungen um den runden Kopf. Sie hatte große, relativ schöne Augen, aber sie blinzelte von Zeit zu Zeit hektisch. Diese Angewohnheit ließ sie ängstlich und dennoch ein wenig trotzig erscheinen. Sie gehörte zu den Mädchen, die ihre Unsicherheit als ihre Stärke einsetzen.

Barnaby nannte den Grund für seinen Besuch, und er und Troy wurden hereingebeten. Sie folgten Judy Lessiter durch die Halle. Ihre Beine unter dem formlosen Kittelkleid waren wirklich bemerkenswert. Ziemlich dicke Knie und spindeldürre Knöchel - es sah aus wie auf dem Kopf stehende Kegel.

Judy stieß die Tür zum Wohnzimmer auf und ging hinein, Barnaby und Troy blieben dicht hinter ihr.

Doktor Lessiter sah auf und ließ mit einer ungehaltenen Handbewegung den Telegraph sinken. »Gütiger Himmel -ich dachte, die Sache ist ausgestanden, und ich sehe Sie und Ihre Leute nie wieder.«

»Ja. Tut mir leid, aber Befragungen dieser Art sind üblich ...«

»Sie stellen das ganze Dorf auf den Kopf.«

»Bei einem ungeklärten Todesfall...«

»Die Frau hat aus Versehen Schierling gepflückt. Gleich hinter der Church Lane wächst er in Massen. Der Wind verstreut die Samen überall hin. Offenbar sind ein paar davon in ihrem Garten gelandet und haben Wurzeln geschlagen. Ich habe noch nie erlebt, daß man wegen so einer Sache einen derartigen Wirbel veranstaltet.«

»Wir fragen alle Dorfbewohner, was sie an dem in Frage kommenden Tag getan haben und wo sie waren. Es geht um den letzten Freitag, den siebzehnten Juli - wir interessieren uns für den Nachmittag und den Abend.«

Der Doktor schnaubte ärgerlich, warf seine Zeitung auf den Tisch und sprang auf. Er stellte sich mit dem Rücken zu Barnaby und starrte in den Kamin. »Scheint so, als würde uns nichts anderes übrigbleiben, als Auskunft zu geben. Am Nachmittag Hausbesuche ... dann am Ab ...«

»Du machst nur am Dienstag und Donnerstag Hausbesuche, Daddy«, warf Judy ruhig und sachlich ein, aber Barnaby glaubte zu sehen, daß ein unfreundliches Lächeln ihre Mundwinkel umspielte.

»Was? Oh... ja, Entschuldigung.« Er nahm eine Zeitschrift, die obenauf in dem Korb mit dem Feuerholz lag, und blätterte sie durch, um seine Gleichgültigkeit zu demonstrieren. »Natürlich, ich war hier. Hab’ ein bißchen im Garten gearbeitet und dann das Spiel im Fernsehen gesehen - was für ein Match ...«